Plattform-Weißbuch: Verbände fürchten Glasfasermonopol, lähmende Bürokratie und Überregulierung

Branchenverbände halten das "Weißbuch digitale Plattformen" des Wirtschaftsministeriums für keinen großen Wurf. Das Ressort setzt unter anderem auf "Gigabit-Gutscheine" und ein Aus für anonyme Online-Foren.

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Internetnutzung

(Bild: dpa, Andrea Warnecke)

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Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries will mit ihrem am Montag auf der CeBIT präsentierten "Weißbuch digitale Plattformen " eine Digitalisierung "made in Europe" fördern und eine Alternative etwa zum Silicon-Valley-Kapitalismus aufzeichnen. Nötig ist nach Ansicht der SPD-Politikerin eine "gemeinsame digitale Industriepolitik, um mit Asien und Amerika konkurrieren zu können". Branchenverbände empfinden die Skizze aber als uninspiriert und hinderlich, beklagen falsche Weichenstellungen.

Ein wichtiges Ziel des Wirtschaftsressorts ist es laut dem neuen Digitalfahrplan, ein ausgeglichenes Spielfeld in den Online- und Datenmärkten herzustellen. Messenger-Angebote und andere Dienste von sogenannten Over-the-Top-Playern (OTT) wie WhatsApp oder Skype sollen demnach den gleichen Regeln beim Kunden- und Datenschutz sowie bei der Sicherheit unterliegen wie klassische Telekommunikationsunternehmen. In der Regel geht es bei diesem Ansatz auch darum, die umstrittene Vorratsdatenspeicherung auf die neuen Internetakteure auszudehnen. Davon hatte das Ministerium vor Kurzem zunächst noch abgesehen.

Diese vorgesehene "pauschale Hochregulierung von OTT-Diensten" weist aus Sicht des eco-Verbands der Internetwirtschaft aber in die falsche Richtung. Auf deutscher und europäischer Ebene müsse zunächst geprüft werden, "welche sektorspezifischen Vorgaben noch zeitgemäß und nicht durch allgemeine Vorschriften abgedeckt sind", fordert der Verband. Die Regeln einfach zu verschärfen, widerspreche dagegen "allen praktischen Bedürfnissen der digitalen Ökonomie".

Er habe "ein Programm erwartet, das die Chancen und Potenziale der Digitalisierung zu befördern sucht", zeigt sich eco-Vorstand Oliver Süme enttäuscht von der Initiative. Deren gesamter Duktus sei "eher Ausdruck genereller Internetskepsis" und stehe einer digitalen Transformation damit im Wege. Speziell im Bereich Datensouveränität hätte sich der eco "konkretere und zukunftsweisende Vorschläge" jenseits von Infoblättern auf einer Seite erhofft, "wie man den Nutzer in seiner eigenständigen Datenfreigabe besser unterstützen könnte".

Die vorgeschlagene weitere Regulierungsbehörde in Form einer Digitalagentur stößt vor allem dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) übel auf. Eine solche Instanz "bringt nur weitere Bürokratie und lähmende Komplexität", moniert der Verein. Wirklich zielführend wäre es dagegen, Kompetenzen rund um die Online-Wirtschaft "in der Hand eines Digitalministers" zu bündeln.

Dass Zypries deutsche Unternehmen gegenüber dem internationalen Wettbewerb stärken wolle, sei zwar begrüßenswert. Viele Vorhaben etwa zum Datenschutz seien aber über die EU-Ebene schon definiert, was die "chaotische Anarchie" rund um persönliche Informationen in Übersee zudem wohl kaum stoppen werde. Der BVDW bedauert ferner, dass Deutschland mit den Plänen bei der Netzinfrastruktur wohl "auf Bolzplatzniveau" bleibe.

Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) rügt scharf, dass laut dem Weißbuch "Gigabit-Infrastrukturen unter bestimmten Voraussetzungen nicht der Regulierung unterworfen werden" sollen. Ein solcher vollständiger Kontrollverzicht bei Glasfaseranschlussnetzen lasse "den zukünftigen Bedarf der deutschen Wirtschaftsunternehmen bei der Digitalisierung außer Acht", warnt der Zusammenschluss von Wettbewerbern der Deutschen Telekom. Das Vorhaben nutze allein "einem regulierten Unternehmen und damit insbesondere der Telekom". Ein neues Monopol gerade bei Glasfaserschlüssen würde verhindern, dass hochspezialisierte Diensteanbieter auch künftig tausende Unternehmen über einen regulatorisch abgesicherten Netzzugang versorgen könnten.

Das Wirtschaftsressort bringt zudem etwa "Gigabit-Voucher" ins Spiel, um "den Netzausbau über die Nachfrageseite voranzutreiben". Empfänger solcher Gutscheine "in Form zeitlich befristeter Zuschüsse für Gigabitanschlüsse in Verbindung mit innovativen Anwendungen" sollten kleinere und mittlere Unternehmen sowie Schulen, Arztpraxen oder Verwaltungen in ländlichen und strukturschwachen Räumen sein.

Zypries kündigte ferner an, "gesetzliche Lücken und Wertungswidersprüche" beseitigen zu wollen, damit "alle Rechtsverletzungen" im Netz zuverlässig geahndet werden könnten. Bei falschen Tatsachenbehauptungen oder unberechtigten Veröffentlichungen von privaten Bildern oder Informationen, also "Persönlichkeitsrechtsverletzungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle", solle der Geschädigte vom Plattformbetreiber einen Auskunftsanspruch über die Identität des Schädigers gegenüber Facebook & Co. erhalten, wie dies bereits bei Urheberrechtsverletzungen der Fall sei.

Die Anonymität in Teilen des Internets ist der Wirtschaftsministerin generell ein Dorn im Auge. "Die Einführung eindeutiger Identifizierungsverfahren muss geprüft werden", heißt es in dem Weißbuch. "Die Betreiber öffentlicher Meinungsforen wären dann verpflichtet, ihre Nutzer vorab zu registrieren." Im Fall erwiesen rechtswidriger Äußerungen müsste die Plattform die Identität des Nutzers den Behörden bekanntgeben. (kbe)