Eurogruppenchef Dijsselbloem bleibt bei Schnaps-und-Frauen-Vorwurf gegen Südeuropäer

Bild: Dutch Government/Martijn Beekman/CC BY-2.0

Heftige Kritik an Niederländer nach Interview in der FAZ. Chef der EU-Finanzminister bügelte Nachfragen im Europaparlament ab

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Shitstorm für Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem: Einige Tage nach einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) fordern mehrere Europarlamentarier den Rücktritt des Niederländers, dem sie Rassismus und Macho-Gehabe vorwerfen. Der ganze Skandal mag etwas gedauert haben, weil die FAZ das Gespräch hinter einer Paywall versteckte und in der redaktionellen Ankündigung der beanstandete Satz nicht zu lesen war.

In dem Interview sagte Dijsselbloem zu den Zahlungen der nördlichen Mitgliedsstaaten der EU an bedürftige südeuropäische Länder: "Als Sozialdemokrat halte ich Solidarität für äußerst wichtig. Aber wer sie einfordert, hat auch Pflichten. Ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend Sie um Ihre Unterstützung bitten." Dieses Prinzip gelte auch auf europäischer Ebene.

Südländer, die EU-Gelder für Alkohol und sexuelle Dienstleistungen ausgeben? Der spanische Abgeordnete Ernest Urtasun aus Katalonien wollte es genau wissen und fragte am Dienstagnachmittag im Europaparlament nach. Zunächst leugnete Dijsselbloem das Zitat ("Das habe ich nicht gesagt"), um Urtasun dann zu attackieren: "Sie müssen mir meine Worte nicht vorlesen." Sein Zitat sei "aus irgendeinem Grund" in der spanischen Presse falsch dargestellt worden, so Dijsselbloems Erklärung.

Nicht nur die Äußerungen gegenüber der FAZ und die fragwürdige Verteidigung im Europaparlament bringen den Niederländer nun in Bedrängnis. Schon seit den jüngsten Wahlen in den Niederlanden ist Dijsselbloem angezählt, weil seine sozialdemokratische PvdA krasse 19 Prozentpunkte verloren hat. Der deutsche Europaabgeordnete der Linken, Fabio De Masi, sah schon nach der Abstimmung Handlungsbedarf: Auch Dijsselbloem sei "abgestraft" worden, sagte er: "Er muss die Präsidentschaft der Eurogruppe umgehend aufgeben. Er ist nicht nur in den Niederlanden gescheitert, sondern hat die Eurozone in die Sackgasse der Kürzungspolitik und der permanenten Krise geführt."

Dijsselbloem sieht das freilich etwas anders: "Ich denke, es ist eine wichtige Verantwortung und ich werde nicht gehen", sagte er nach dem ersten Treffen der Eurogruppe nach den Wahlen.

Diese etwas selbstgerechte Haltung kommt im Europaparlament nicht so gut an. Wenn Dijsselbloem nicht aus eigenen Stücken zurücktrete, "dann liegt es an den Sozialdemokraten, seinen Rücktritt voranzutreiben", erklärte die spanische Abgeordnete Marina Albiol, deren Partei Vereinigte Linke der kleinen Fraktion GUE/NGL angehört.

Portugals Außenminister Augusto Santos Silva, selbst ein Sozialdemokrat, stufte die Äußerungen seines niederländischen Genossen am Dienstagabend von Washington aus als "völlig inakzeptabel" ein. Dijsselbloem sei als Vorsitzender der Eurogruppe nicht mehr tragbar. Italiens Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi forderte den Rücktritt Dijsselbloems. Der Vorsitzende der EU-Finanzminister verdiene nicht die Rolle, die er einnimmt, schrieb Renzi auf Facebook.