Haben die US-Flugzeuge eine Schule bei Raqqa bombardiert?

Aufnahme des IS, die die Rettungsmaßnahmen bei der bombardierten Schule zeigen soll.

Das Pentagon hat zusammen mit den kurdischen SDF eine große Operation gegen den IS bei Raqqa gestartet, die gegen türkische Interessen verstößt

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Mittwochnacht wurde nach Angaben des Syrian Observatory for Human Right (SOHR) eine Schule in einem vom IS kontrollierten Gebiet bei Al-Mansoura westlich von Raqqa bombardiert. Die Schule diente angeblich als Unterkunft von Flüchtlingen aus Raqqa, Homs und Aleppo. Mehr als 30 Menschen seien getötet worden. Verantwortlich gemacht wird die US-Koalition, die höchstwahrscheinlich die Schule bombardiert habe.

Gestern wiederholte SOHR den Vorwurf und "dokumentierte" das "Massaker". Beweise für US-Flugzeuge wurden aber nicht geliefert, vermutlich habe es sich um solche gehandelt. Einer der Mitarbeiter von SOHR habe beobachtet, dass 33 Tote und 2 Lebende aus dem zerbombten Gebäude geborgen wurden. Ob Kinder oder Frauen darunter gewesen waren, habe man nicht sehen können, da die Leichen bedeckt waren. Dann seien IS-Kämpfer gekommen und hätten die Menschen zurückgedrängt. Neben anderen Berichten macht auch "Raqqa is being slautherd silently" die Amerikaner verantwortlich und spricht sogar von 183 Toten.

Aufnahme der zerstörten Schule. Nicht nachprüfbar ist, wer sich in ihr aufhielt, wie viele Opfer es gab und vor allem, wer dafür verantwortlich ist.

Parallel zur Bombardierung ist eine Aktion des US-Militärs gelaufen. In Abu Hurayra, ein Dorf in der Nähe der Stadt Tabqa im Westen von Raqqa, haben US-Militärmaschinen Hunderte von SDF-Kämpfern geflogen und unter Feuerschutz mit Fallschirmen auf den Boden gebracht. Das ist natürlich eine Vorbereitung auf die geplante Offensive auf Raqqa, mit der Washington zusammen mit den SDF, die auch von Russland unterstützt werden, endlich einen Erfolg erringen will. Nach dem Pentagon wurden nur kurdische und arabische Kämpfer an den Ort gebracht, aber keine US-Soldaten. Das bezweifeln manche wie "Raqqa is being slautherd silently", die berichten, es seien 500 US-Soldaten zusammen mit SDF-Kämpfern mit Fallschirmen abgesprungen. SOHR geht in dieselbe Richtung, sagt, dass US-Spezialeinheiten sich hier den SDF-Milizen angeschlossen hätten.

Aber vermutet wird, dass damit nicht nur der IS durch diesen überraschenden Angriff aus der Luft vom Euphrat zurückgedrängt, sondern auch ein Vormarsch der syrischen Truppen auf Raqqa blockiert werden soll. Das dürfte auf der Linie der syrischen Kurden und der USA liegen, die die Kontrolle über Raqqa und das Umland erlangen wollen, könnte aber zu einem erneuten Konflikt mit Russland führen, vor allem aber mit der Türkei. Denn mit der Stellung in Tabqa kann die Verbindung zwischen Aleppo und Raqqa blockiert werden. Die wurde vom IS benutzt, wäre aber auch der Zugang für syrische Truppen oder für türkische Truppen mit ihren arabischen Milizen aus al-Bab.

Die Türkei, die sich bereits in Manbij von den SDF im Verein mit russischen und amerikanischen Truppen blockiert sah, um den geplanten Durchmarsch über Manbij nach Raqqa zu verfolgen, hatte letzte Woche eine neue Koalition von Milizen aus syrischen Stämmen zusammengebracht, die anstelle von türkischen Truppen oder als deren Vorhut nach Raqqa vorrücken und sowohl den IS als auch die Kurden und die syrischen Truppen bekämpfen soll (Türkei baut Proxy-Armee für Raqqa und Deir-Ez-Zor auf).

Auch der Islamische Staat warf den USA wieder vor, Zivilisten durch Bomardierungen eines Marktes in Tabqa getötet zu haben. Es gibt darüber auch weitere Berichte.

Pentagon propagiert selbstlose Unterstützung lokaler Kräfte

Das Pentagon bestätigte inzwischen die Operation in Tabqa, lässt aber vieles im Dunklen. In der Nacht vom 21. auf den 22. März hätten die SDF zusammen mit ihren syrisch-arabischen Koalitionskämpfern eine von der US-Koalition unterstützte Offensive hinter den Feindeslinien begonnen, um den Tabqa-Damm vom IS zu befreien, so eine Mitteilung des Central Command. Dabei gehe es darum, dass "lokale Partnerstreitkräfte für die Befreiung ihrer eigenen Menschen und Territorien kämpfen". Geostrategische Interessen soll es also von amerikanischer Seite nicht geben. Man habe die Operation mit Flugzeugen und Logistik unterstützt, auch mit Präzisionsluftschlägen, Apache-Kampfhubschraubern, Marine-Artillerie und der Beratung durch Spezialkräfte. Es war also ein großer Einsatz, der für Washington eine Wende einleiten soll. Es benötige Mut und Waghalsigkeit für einen solchen Angriff, sagte ein US-Offizier, das habe die SDF, die mit den arabischen Kämpfern die "effektivste Bodentruppe im Kampf gegen den IS" sei. Ein deutliches Zeichen, wie stark die US-Regierung auf die syrischen Kurden setzt.

Nach dem Pentagon stellt die Einnahme des Damms für die SFD einen strategischen Vorteil für die Eroberung von Raqqa dar, während der IS von drei Seiten isoliert werde. Der Damm sei die einzige verbleibende Verbindung des IS zum Westen des Landes.

Die offensive Unterstützung der SDF, die gegen die Interessen der Türkei und deren Verbindungen zu syrischen und islamistischen Milizen/Oppositionsgruppen/Rebellen verläuft, könnte etwas damit zu tun haben, dass sich nun die Kritik stärker gegen die USA als gegen Russland richtet. Man könnte zumindest vermuten, dass dies auch von der Türkei aus orchestriert wird, um die amerikanisch-kurdische Allianz zu schädigen, wenn sie beschuldigt wird, für den Tod vieler Zivilisten verantwortlich zu sein. Das hat umgekehrt bei der Aleppo-Offensive der russisch-syrischen Truppen funktioniert und könnte nun wieder von interessierten Gruppen und Medien benutzt werden. Hinter der Türkei, die erst in Syren angeblich gegen den IS aktiv wurde, als die Kurden Manbij eingenommen hatten und weiter Richtung Afrin vorrücken wollten, stehen auch die Golfstaaten, die sunnitische, durchaus auch islamistische Gruppen unterstützen.