Grüner Strom aus Wasserkraft?

Mur bei Leibnitz. Bild: Marion Schneider & Christoph Aistleitner Mediocrity / gemeinfrei

Wasserkraftwerke gelten als Quelle umweltverträglicher Energien. Allerdings sind sie bislang vor allem effizient in der Zerstörung der umgebenden Natur, weniger bei der Stromerzeugung

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Gerade die kleineren Wasserkraftwerke richten Schäden in Flora und Fauna an, sagen Experten. Unterdessen wächst europaweit der Widerstand gegen die Verbauung natürlicher Flussläufe. Die Mur, ein kleiner Fluss, der sich durch die Steiermark schlängelt, gilt als grüne Lunge und Naherholungsgebiet am Stadtrand von Graz. Doch die wunderschöne Flusslandschaft ist gefährdet, denn hier soll ein Wasserkraftwerk gebaut werden, das mit rund 80 Gigawattstunden jährlich gerade mal Strom für 20.000 Haushalte liefert.

Undemokratisch und nicht wirtschaftlich

Zu wenig und zu unrentabel, argumentieren die Gegner, denn: So viel Strom werde in der Steiermark gerade mal an vier Tagen verbraucht. Das Kraftwerk sei nicht nur ökologisch schädlich und unwirtschaftlich, glaubt WWF-Flussexperte Gebhard Tschavoll, auch der Bau werde undemokratisch durchgepeitscht. Für das Gesamtprojekt werden 110 Millionen Euro veranschlagt. Die Stadt Graz gab einen Kredit über 20 Millionen Euro, mit sieben Millionen fördert das Land Steiermark das Projekt.

Bereits vor zwei Jahren rechnete Wasserkraftexperte Jürgen Neubarth die Unwirtschaftlichkeit des Staudamms vor. So wäre nicht nur der produzierte Strom mit 1,52 Euro pro Kilowattstunde vergleichsweise teuer. Auch bliebe nach 50 jähriger Nutzung immer noch ein Defizit von rund 44 Millionen Euro.

Trotzdem: Für das unrentable Großprojekt sollen jetzt 16.000 Bäume entlang der Mur weichen. Nach dem Abriss eines Protest-Camps an der Mur im Februar 2017 rückten Bagger und schweres Gerät an. Lautstarke Proteste von Anwohnern und Bürgerinitiativen konnten nicht verhindern, dass bereits rund 5000 Bäume gefällt wurden.

Brutale Rodungen für ein "Naturparadies"

Augenzeugen berichten, während der Baumrodungen im Februar seien überwinternde Tiere brutal niedergemetzelt worden. Viele Wildtiere flohen vor den Maschinen in angrenzende Gärten und Felder, auf der gerodeten Fläche fand man tote Vögel. Laut Werbebroschüre der Kraftwerksbetreiber sollen im Wasser lebende Tiere vor der Bauphase in andere Gewässer oder Flussarme umgesiedelt werden. Die Bäume will man wieder aufforsten. Johannes Gepp vom Naturschutzbund ist skeptisch: Bis die neu gepflanzten Bäumchen denselben ökologischen Nutzen erbringen, werden viele Jahrzehnte ins Land gehen.

Davon abgesehen: Wer im Vorfeld mit brachialer Gewalt Tiere und Bäume niederwalzt, dem nimmt man nur schwer das Versprechen ab, in naher Zukunft ein "Naturparadies" errichten zu wollen. Die Bauarbeiten, die vorerst abgebrochen wurden, sollen 2018 fortgesetzt werden. Zusätzlich sollen für einen Speicherkanal im Stadtzentrum 800 Bäume fallen. Mehr als 70 Prozent aller Gewässer werden in Österreich zur Stromerzeugung genutzt.

Bei allen Vorteilen der Energiequelle Wasserkraft hat die Nutzung auch ihre Schattenseiten: Natürliche Flussläufe werden verbaut, Feuchtgebiete trockengelegt. In der Folge brechen Amphibien- und Fischbestände zusammen. Der Lebensraum für Fische und andere Wassertiere schwindet, denn den Fischen fehlt neben geeigneten Plätzen zum Laichen auch die Deckung vor ihren Fressfeinden.

Sündenbock Fischotter

Unterdessen wird der Fischotter, der bereits auf der Roten Liste steht, als Sündenbock für schwindende Fischbestände verantwortlich gemacht. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1990 ergriff die Stiftung EuroNatur die Initiative zur Rettung der einmaligen Flusslandschaft der Drau/Drava.

Seither diskutieren Politiker und Naturschutzexperten lokaler Umweltorganisationen aus Kroatien, Österreich, Serbien, Slowenien und Ungarn über die Erhaltung der Kulturlandschaften entlang von Donau, Drau und Mur. Ihr Ziel ist die Errichtung eines grenzüberschreitenden "Biosphärenreservates Donau-Drau-Mur" mit einer Gesamtfläche von über 630.000 Hektar.

582 Wasserkraftwerke an der Save

Mit 926 Kilometern ist die Save der längste Fluss auf dem Balkan. Vom Quellgebiet in Slowenien bis zur Mündung in die Donau bei Belgrad ist das Ufer beidseitig auf einer Fläche von 103.800 Hektar mit Auwäldern und 25.000 Hektar Auenwiesen bewachsen. In den Dörfern entlang der Save nisten 900 Weißstorchpaare, rund 80 Seeadlerpaare brüten in den Auenwäldern.

In regelmäßigen Abständen werden die Auwiesen überflutet. Nun sollen künstliche Dämme die Wiesen vor Hochwasser schützen. Dadurch aber würden sich die Hochwasser am Ende nur verschärfen, kritisieren die Umweltorganisationen Riverwatch und EuroNatur. Anstatt immer mehr Technik zu bemühen, müsse endlich ein nachhaltiger Hochwasserschutz her.

Der beste Schutz gegen Hochwasser seien ökologisch intakte Auwälder, so die Naturschützer. Entlang der Save könnten an 143 Flächen die Dämme zurückverlegt und damit 185.000 Hektar ehemaliger Auwälder und -wiesen überflutet werden. Damit könnten 3,1 Milliarden Kubikmeter Wasser auf natürlichem Wege gespeichert werden.

582 Wasserkraftwerke sind allein im Einzugsgebiet der Save geplant, zwanzig davon direkt an der Save, vor allem im slowenischen Teil. Am Oberlauf der Save sowie dessen Zuflüssen Una, Sana und Drina ist der Donaulachs (Hucho hucho) weit verbreitet.

Die Hochwassergefahr

Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der bis zu 1,5 Meter lange Raubfisch auf seinen Wanderungen durch den Bau von Wehren stark behindert. Inzwischen sind seine Wanderwege - und Fortpflanzungsmöglichkeiten durch eine massive Verbauung und Regulierung der Donau stark eingeschränkt.

Heute steht er als "stark gefährdet" auf der Roten Liste. Sollten Staudämme den Hucho huchos die Wanderwege abschneiden, fürchten Wissenschaftler, wäre dies das Ende der Population. Außerdem wird Schotter in einem Volumen vom 950.000 m3 jährlich aus der Save sowie 1,29 Millionen m3 aus den Zuflüssen wie Vrbas und der Drina illegal ausgebaggert.

Das ist das Zehnfache der Sedimente, die der Fluss in Richtung Donau transportiert. In Folge dessen sinkt der Grundwasserspiegel, Schutzbauwerke drohen zusammenzubrechen, weshalb sich flussabwärts die Hochwassergefahr erhöht.