Saarland-Wahl: Die Deutschen in Schockstarre

Fazit scheint zu sein: Keine Experimente, nach Trump schon gar nicht mehr

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Der Wahlausgang im Saarland verheißt nichts Gutes. Die Deutschen scheinen, wenn wir einmal von den Saarländern auf alle Deutschen schließen, abgrundtiefe Angst vor Veränderungen zu haben. Sie verharren wie Hasen in Schockstarre in der Kuhle und wollen offensichtlich, dass alles beim Alten bleibt und die Welt über sie hinwegzieht, in der Kriege und Terrorismus, Armut und Arbeitslosigkeit herrschen, in der Deutschland für die meisten, beileibe nicht für alle, eine Insel der Stabilität bleibt. Selbst die Unzufriedenen der AfD wollen schließlich die Insel erhalten. Eine Mehrheit findet die wirtschaftliche Lage in Deutschland gut, 85 Prozent sagen, ihre persönliche wirtschaftliche Situation ist gut. Also bloß keinen Mucks machen, selbst ein Frühling kann in den Untergang führen.

Mehr als 40 Prozent haben für die CDU und damit auch für die Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer gestimmt. Damit wiederholt sich, was sich schon in den letzten Landtagswahlen gezeigt hat: Die Wähler kleben an ihren Regierungen bzw. an ihren Ministerpräsidenten und den größeren Koalitionsparteien. Wer den Karren nicht ganz in den Dreck gefahren hat, soll möglichst weiterregieren, es kann nur schlimmer werden.

Jörg Schönenborn (ARD) glaubt, das Wahlergebnis habe letztlich die Politik der Koalition bestätigt, die Menschen seien "zu zufrieden für einen Machtwechsel". Damit liegt er systemkonform, könnte man sagen, falsch. Die Menschen sind nicht zu zufrieden, sie sind zu ängstlich vor der Zukunft, weswegen sie die interne Ausgleichsmechanik von CDU und SPD goutieren, die Stillstand garantiert.

Man hätte glauben können, dass mit all den Protestwählern, die die AfD eine Zeit lang stark gemacht haben, und dass mit der Schulz-Euphorie in der SPD sich ein Wille zeigen würde, einmal etwas Neues auszuprobieren, gleich ob nun rechts oder links von Merkel und der Großen Koalition. Aber wilde Träume hegt der Deutsche im sicheren Stübchen, wenn es zur Entscheidung kommt und die Wahrscheinlichkeit einer wirklichen Veränderung entsteht, wird noch schnell auf die Bremse getreten. Dafür sind dann auch deutlich mehr als beim letzten Mal zur Urne gegangen, um den Unzufriedenen nicht das Feld zu überlassen und die Konservativen im Sinne des Weiter so zu stärken.

Wahlgewinnerin Kramp-Karrenbauer erklärte, sie habe sich solch ein Ergebnis "in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können". Zwar war die Option Rot-Rot eher verhalten von SPD und Linkspartei thematisiert worden, aber man fürchtete zurecht, wie sich jetzt zeigt, dass die Zeit noch immer nicht im Westen dafür reif ist, wo der Bürger noch immer in Angst vor den "roten Socken" lebt, weil sie die Wirtschaft gefährden, d.h. für viele noch schlechter machen könnten. Nur keine Experimente ist die Devise geblieben, nachdem die Aufregung von 2015 abgeklungen ist und jenseits des Atlantiks deutlich wurde, was Protestwähler mit populistischen Politikern erhalten. Dann doch lieber Kramp-Karrenbauer als Double von Merkel als einen Wechsel mit ungewissem Ausgang.

Immerhin hat auch die AfD an Schwung verloren, dem Protest wollen doch nur noch wenige zum Durchbruch verhelfen. Wahrscheinlich haben Trump und seine alternativen Fakten auch der AfD Stimmen gekostet. Dass Grüne und FDP keine Chancen haben und die Linkspartei trotz des populären Oskar Lafontaine Einbußen erlitt, sind schlechte Aussichten für die übrigen Oppositionsparteien - und überhaupt für die Opposition.

Die Wähler wollen keinen Wechsel, sie wollen die Große Koalition, dafür wird alles geopfert, was nicht in die schwarz-rote Mitte passt - egal, ob rechts, bürgerlich-liberal, bürgerlich-grün oder links. Die Unions-Wähler waren zu 94 Prozent mit der Koalition zufrieden, die SPD-Wähler zu 68 Prozent. Durchschnittlich also 70 Prozent, so viel haben denn auch Schwarz-Rot gewählt - und die SPD-Wähler wollten auch keinen Wechsel.