Angeblich wollen 3 Millionen Flüchtlinge aus dem Iran über die Türkei nach Europa

Die türkische Regierung kritisiert den Iran wegen der angeblich drohenden Massenmigration afghanischer Flüchtlinge und warnt Europa

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In Europa können ab heute die Türken über das Referendum abstimmen, das die Macht des Präsidenten erheblich erweitert und das Land zu einem stärker autoritären Staat verändert. Nach Umfragen ist keineswegs gewiss, ob Erdogan und seine AKP das Referendum gewinnen werden. Im Vorfeld überschlugen sich die Recep Tayyip Erdogan treuen Mitglieder der Regierung in nationalistischen Aufwallungen und Beschuldigungen ans Ausland. Während man selbst die Gewaltenteilung reduziert, die Meinungs- und Pressefreit beschnitten und die Opposition als Terroristen verfolgt hat, warf man dem Ausland Nazi-Methoden vor. Alleine in Deutschland können 1,4 Millionen Türken abstimmen, in der Türkei findet das Referendum am 16. April statt.

Ob die Behauptung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Veysi Kaynak, dass Millionen von Flüchtlingen in die Türkei aus dem Iran kommen wollen, etwas mit dem Referendum zu tun hat, ist nicht klar. Sie richtet sich aber mit einer Warnung an Europa und gegen den Iran, dessen Milizen auf der Seite von Assad und Russland kämpfen. Erst vor kurzem hatte die Türkei, nachdem sich Russland und die USA gegen einen Vormarsch der türkischen Truppen auf Manbij und damit Raqqa gestellt und den Zugang mit eigenen Truppen abgeriegelt hatten, in der Türkei mit einigen syrischen Stämmen und Gruppen eine neue Miliz gebildet, die mit der Unterstützung der Türkei und der Golfstaaten Richtung Raqqa und gegen die SDF, aber auch gegen die schiitischen und iranischen Milizen ziehen soll (Türkei baut Proxy-Armee für Raqqa und Deir-Ez-Zor auf).

Nach Kaynak gebe es Informationen, dass es in Iran um die 3 Millionen illegale Flüchtlinge gebe, "die versuchen wollen, in die Türkei zu gelangen. Unglücklicherweise sind es meist Afghanen. Sie versuchen, aus dem Osten des Iran zu kommen." Dass es so viele afghanische Flüchtlinge im Iran gibt, ist bekannt. Sie halten sich in der Regel schon lange im Iran auf. Der Iran hat in letzter Zeit auch versucht, die Männer zu instrumentalisieren, indem sie in Milizen gelockt wurden, um in Syrien zu kämpfen und dadurch für sich eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, oder sie auch dazu gezwungen. Weniger als eine Million der Flüchtlinge sind im Iran registriert und konnten damit einen Asylantrag stellen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die weitgehend rechtlose Lage der Flüchtlinge. 30.000 Flüchtlinge seien 2016 aus dem Iran in den Osten der Türkei, in die Provinzen Ağrı und Iğdır, eingewandert, sagte Kaynak, 2017 seien es bislang 3000: "Wir fürchten, dass der iranische Staat ihre Migration in die Türkei nicht zur Kenntnis nimmt, auch wenn er sie nicht notwendigerweise unterstützt."

Neben dieser noch vorsichtigen Warnung an den Iran, erklärte er Richtung Europa, dass die Flüchtlinge die Türkei nur als Transitland verstehen würden. Ihr Ziel wäre aber Europa: "Europa und der Rest der Welt sollten darüber nachdenken. Sie wollen in die Türkei als Transitland kommen, aber nicht hier bleiben. Sie wollen in den Westen und für sie ist die Türkei eine wichtige Barriere."

Die Türkei würde dadurch eine "bedeutende finanzielle Last" tragen müssen, fügte er noch hinzu. Die Türkei sei gerade dabei, im Osten einen Grenzzaun und ein Aufnahmelager aufzubauen, die in einigen Monaten fertiggestellt sein würden. Es gibt allerdings ansonsten keine Hinweise darauf, dass sich afghanische Flüchtlinge aus dem Iran massenhaft in Richtung Türkei bewegen, weswegen man politische Motive vermuten kann. Will die Türkei den neuen Grenzzaun rechtfertigen und dafür EU-Gelder erhalten? Soll zwischen Iran und EU ein Keil getrieben werden? Soll auf diese Weise mit einer Massenmigration Richtung Europa gedroht werden? Oder fürchtet man in der Türkei tatsächlich eine Masseneinwanderung, die dann natürlich zu großen Belastungen führen würde?

Der Iran war gerade von den Vereinten Nationen wegen der Aufnahme von Flüchtlingen gelobt worden. Die iranische Führung kritisierte die Bemerkungen von Kaynak prompt. Ein Sprecher des Außenministeriums erklärte, man habe über Jahrzehnte Flüchtlinge aufgenommen und diese niemals für politische Ziele ausgebeutet. Er warf Kaynak unbegründete Behauptungen vor, die von der Türkei für ihre expansionistischen Absichten geäußert würden. Allerdings halten sich im Iran nach iranischen Angaben um die 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan auf.