Wird das Atomkraftwerk Fessenheim nun per Dekret geschlossen?

(Bild: AKW Fessenheim. Bild: Florival fr / CC BY-SA 3.0 )

Die französische Umweltministerin versucht vor den Wahlen für die Sozialdemokraten ein wenig das Gesicht wahren

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Es ging am Wochenende breit durch die deutsche Medienlandschaft und die Badische Zeitung (BZ) schreibt dazu, die französische Umweltministerin Ségolène Royal "hält Wort". Denn sie hatte im französischen Amtsblatt ein Dekret zur Schließung des Atomkraftwerks in Fessenheim veröffentlicht. "C’est dit c’est fait" (Es wurde versprochen, es wurde umgesetzt) hatte die Umweltministerin am Sonntag getwittert.

Sie tat so, als ob das einstige Wahlversprechen von Präsident François Hollande umgesetzt würde. Der hatte aber versprochen, dass noch in dieser Legislaturperiode das älteste Atomkraftwerk Frankreichs abgeschaltet werde, das direkt an der deutschen Grenze unweit von Freiburg steht, wo die BZ ihren Sitz hat.

Dieses Versprechen wird definitiv nicht erfüllt, obwohl das Hollande erneut im vergangenen Jahr angekündigt hatte – von Royal sogleich abgeschwächt – als bekannt geworden war, dass ein Reaktor 2014 sogar außer Kontrolle geraten ist. Aber die Ankündigung und das Dekret haben gleich noch weitere Probleme.

Ein fauler Kompromiss wird aufgewärmt

So macht auch die BZ darauf aufmerksam, dass die Schließung – wieder einmal – von der Inbetriebnahme des EPR-Neubaus in Flamanville abhängig gemacht wird. So wird nur ein fauler Kompromiss aufgewärmt, der die französischen Steuerzahler teuer zu stehen kommt.

Damit ist unklar, ob die beiden Schrottmeiler am Oberrhein tatsächlich jemals abgeschaltet werden. Denn ob Flamanville 3, der schon seit 2012 in Betrieb sein sollte, jemals fertiggestellt wird, ist unklar. Da kann Royal lange fordern, dass der Meiler noch 2020 ans Netz gehen soll. Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein hinab. Es wird, auch das ist bekannt, nach den nun bevorstehenden Wahlen eine neue Regierung geben.

Dass erneut die Sozialisten regieren können, ist, nachdem sie praktisch alle Versprechen gebrochen haben, mehr als zweifelhaft. Und jede neue Regierung "könnte das Dekret innerhalb weniger Monate aushebeln", schreibt auch die BZ. Während die Zeitung also noch Zweifel hegt, hält die Tagesschau das Aus für "besiegelt".

Die mögliche Rücknahme des Dekrets

Die Tagesschau verweist nicht darauf, dass dieses Dekret zurückgenommen werden kann. Das ist aber sogar wahrscheinlich ist. Praktisch alle Kandidaten sind Atomfreunde. Deshalb kann auf dieses Dekret gar nichts gegeben werden. Die Wähler werden von den Sozialdemokraten erneut an der Nase herumgeführt. Hollande und Royal haben die Möglichkeit, Fessenheim definitiv abzuschalten, im vergangenen Sommer nicht genutzt.

Einer der Meiler ist ohnehin schon seit dem vergangenen Sommer abgeschaltet, da die Atomaufsicht (ASN) die Abschaltung angeordnet hatte. Der zweite lieferte bis Samstag wegen neuer Probleme auch keinen Strom. Klar ist, dass auch in Fessenheim Teile aus der Murks-Schmiede des Atomkraftwerksbauers Areva verbaut wurden.

Murks am Bau in Flamanville

Das besonders Pikante an dem Vorgang ist, dass gerade in dem Reaktor, mit dem in Flamanville die Meiler im Elsass ersetzt werden sollen, sogar der Reaktorbehälter von Creusot Forge stammt. Diese Schmiede steht im Zentrum eines inzwischen weltweiten Skandals, denn in vielen Ländern wurden Teile verbaut, die nicht über die geforderten Sicherheitszertifikate verfügen.

Kürzlich wurde zudem bekannt, dass die ASN seit mehr als 10 Jahren die Vorgänge in der Areva-Schmiede kannte. Der frühere Chef der Atomaufsicht hatte sich nach einem Besuch in Le Creusot persönlich an die Schmiede gewandt. Dann, das hat Andre-Claude Lacoste im Radiosender France Inter bestätigt, sei er nach einem Besuch in der Schmiede "zusammengebrochen".

Denn diese Fabrik habe nicht den Anforderungen entsprochen und "große Probleme". Seit 2005 war die ASN also im Bilde, was die Probleme anbelangt, und wies in Briefen, die der Sender ebenfalls veröffentlicht hat, auch darauf hin.

Letztlich wurden wegen der Probleme in Forge Creusot auch einer der Meiler in Fessenheim abgeschaltet, allerdings viele Jahre zu spät. Es ist unklar, ob er jemals wieder Strom erzeugen wird. Denn ein Dampferzeuger kam 2008 zu kurz aus der Produktion und das zeigt, dass auch Jahre nach der Intervention von Lacoste die Probleme nicht abgestellt waren. Deshalb konnten die unteren Endstücke dieses Teils nicht abgeschnitten werden, an denen es Verunreinigungen gibt, die das Material schwächen.

Eine heikle Verknüpfung

Obwohl die Probleme in Le Creusot bekannt waren, wurden hier Teile des Reaktorbehälters – das zentrale Sicherheitselement - geschmiedet, die schließlich im Neubau in Flamanville verbaut wurden. Deshalb spricht der Radiosender schon im Titel seines Beitrags von der "unglaublichen Leichtfertigkeit" Arevas und des Atomkraftwerksbetreibers EDF.

Denn alle Experten, so berichtet France Inter weiter, seien zu dem Schluss gekommen, dass zu diesem Zeitpunkt die Fabriken von Creusot nicht in der Lage waren, diese Teile zu fertigen. Schon deshalb ist es ein Unding, die Abschaltung von Fessenheim ausgerechnet an die Inbetriebnahme von Flamanville 3 zu knüpfen. Die dürfte es niemals geben.