Türkei: Opposition will gegen Wahlfälschung klagen

Wahlkommission sagt, sie kenne die Anzahl ungestempelter Wahlumschläge nicht; Opposition demonstriert in mehreren Städten

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Am Tag nach dem Referendum präsentierte die AKP-nahe Tageszeitung Yeni Akit auf ihrer Titelseite eine Todesanzeige für die "Alte Türkei" und erklärte den "Tod der Republik". Sechs Jahre vor dem Jubiläum der Republikgründung von 1923 will die AKP die Geschichte neu schreiben.

Gratulationen zum Wahlsieg erhielt Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan auch von der salafistisch-dschihadistischen Extremistengruppe Ahrar Al-Sham. Auf Twitter schrieben sie: "Wir gratulieren unseren türkischen Brüdern zum Ergebnis des Referendums und wir bitten Gott, Präsident Erdogan zu helfen und der Türkei wie der Region Stabilität und Wohlstand zu bringen." Die Gruppe kämpft in Syrien mit türkischer Unterstützung gegen das Assad-Regime.

Aber die Nein-Wähler fallen nicht ein in die kollektive Begeisterung. Am Montagabend zogen tausende Menschen auf Demonstrationszügen durch mehrere Städte, darunter Istanbul, Eskisehir und die Hauptstadt Ankara (Bereits am Wahlabend hatte es Proteste gegeben, in Izmir wurden vier Personen festgenommen. Sie skandierten unter anderem den Slogan "Nein! Wir haben gewonnen!" und forderten, die Wahl müsse für ungültig erklärt werden. Dieser Forderung schloss sich CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu an. Die Partei will vor dem türkischen Verfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Wahlentscheidung klagen.

Die CHP und die oppositionelle HDP werfen der Wahlkommission YSK Manipulation vor. Die Kommission hatte auf Druck der AKP noch während der Auszählung der Stimmen entschieden, dass auch ungestempelte Wahlumschläge als gültig anerkannt würden. Das ist ein Verstoß gegen das türkische Wahlrecht. Oppositionsquellen zufolge sollen bis zu 2,5 Millionen mit Ja gestempelte Wahlzettel betroffen sein.

YSK-Chef Sadi Güven gestand am Montag ein, dass die Kommission keinen Überblick über die tatsächliche Anzahl ungestempelter Wahlumschläge habe. Beschwerden würden aber überprüft, fügte er hinzu. Seine gestrige Aussage, die Entscheidung sei auf Druck der AKP zustande gekommen, zog er später zurück. BirGün zitiert ihn mit der Aussage, es seien "keine politischen Parteien" konsultiert worden. Ungeklärt ist weiterhin die Frage, weshalb die Website der YSK am Wahlabend während der heißen Phase der Auszählung über mehrere Stunden nicht erreichbar war.

Die internationale Wahlbeobachtermission der OSZE hat bemängelt, dass die Wahl nicht den nötigen Standards entspreche. Die zivile Initiative Oy ve Ötesi konnte rund ein Viertel der Wahllokale kontrollieren und will die eigenen Zahlen nun mit den offiziellen Ergebnissen abgleichen.