Trump mit Erdogan gegen Baschar al-Assad

Bild: Donald_Trump_(29347022846).jpg:Gage Skidmore / CC BY-SA 2.0

Referendum: In der Türkei werden Manipulationsvorwürfe lauter. Die Oppositionspartei CHP will eine Annullierung. Der US-Präsident hat Syrien im Auge

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Einem mit allen Wassern gewaschenen Machtpolitiker gegenüber, der keine Scheu hat, Europa als verrotteten, rassistischen und nationalsozialistischen Kontinent zu bezeichnen, ist der Vorwurf der "Unfairness" bei einem von ihm herbeigeführten politischen Systemwechsel sehr zurückhaltend.

Sachliche Kritik an einem Machtspiel

Von scharfer Kritik kann bei der OSZE-Stellungnahme zum türkischen Referendum nicht die Rede sein. Die Wahlbeobachter kritisieren in moderat gehaltenen Formulierungen, dass die zwei Seiten der Kampagne "nicht die gleichen Möglichkeiten" hatten.

Wer mitverfolgt hat, wie die Regierung Erdogan das Nein-Lager vor der Abstimmung und die Opposition schon seit Monaten durch Festnahmen eingeschüchtert hat, welches Klima der Angst geschaffen wurde, der sieht sich einem Bericht gegenüber, der versucht, seine Anmerkungen möglichst sachlich zu halten.

Die Argumente zählen: Das Ja-Lager hatte große Vorteile, die Medien waren zum allergrößten Teil aufseiten Erdogans, abgestimmt wurde "im Paket", die einzelnen Punkte der Verfassungsergänzung standen nicht zur Auswahl, viele waren gar nicht richtig informiert. Grundsätzlich ist eine Verfassungsänderung dieses Ausmaßes, die nur eine einfache Mehrheit benötigt, ein grobes Machtspiel.

Grenzwertige Mittel

Erdogan hat das Referendum zum Präsidialsystem zu einer Angelegenheit gemacht, die mehr mit Treue und Anhängerschaft zu seiner Person zu tun hatte als mit einer demokratischen Abstimmung über einen Systemwechsel und dabei gingen er und seine politischen Mitstreiter bzw. von ihm Abhängige mit grenzwertigen Mitteln zu Werke.

Die Vorwürfe, die von den OSZE-Beobachtern nur angedeutet werden - das Fehlen von Transparenz bei der Arbeit der Wahlkommissionen, die politisch dirigierte Besetzung der Wahlkommissionen, Restriktionen bei den Registrierungsmöglichkeiten für die Wahlteilnahme, die einschüchternde Polizeipräsenz bei den Wahllokalen und schließlich der "spontane Wechsel" der Instruktionen für die Gültigkeit abgegebener Stimmzettel am Wahltag selbst -, werden von anderer Seite sehr viel schärfer präsentiert.

Der Wahlbeobachter Andrej Hunko berichtet von "einer Atmosphäre massiver Bedrohung in den Kurdengebieten". Ein schwer bewaffnetes Polizeiaufgebot mit Gewehren, Maschinenpistolen und einem gepanzerten Wagen mit laufendem Motor habe den Weg zu einem Wahllokal versperrt, so die Erfahrung des Linken-Politikers, der dies mit Berichten ergänzt, wonach Erdogan-Gegner vor der Abstimmung in Gewahrsam genommen worden seien, "ganze Turnhallen" seien voll von ihnen gewesen.

Ähnliche harsche Methoden der "Gefahrenabwehr", ausgelöst durch potentiell unerwünschte Stimmabgaben, dokumentiert detailreich der Live-Ticker von Civaka Azad, dem kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit.

Dass dem Wahlprozess von kurdischer und linker Seite genau auf die Finger geschaut und in der Folge "Ungereimtheiten" wie auch robustes und unfaires Lobbying mit amtlicher Waffenverstärkung für Erdogan in diesen Zonen aufgedeckt werden würde, ist keine wirkliche Überraschung.

CHP: Antrag auf Annullierung

Wenn nun aber dazu die Oppositionspartei CHP an die höchste Wahlaufsichtskommission (Supreme Election Board) einen Antrag auf Annullierung der Abstimmung stellt, so tut sich eine größere Dimension auf.

Ihr Argument stützt sich in der Hauptsache auf die angedeutete spontane Entscheidung der Zulassung von "unversiegelten Stimmzetteln", die während der Abstimmung fiel. Das verstoße, so die CHP, gegen ein Wahlgesetz von 2010, das Stimmzettel und Umschläge, die nicht richtig gestempelt oder gekennzeichnet sind, für ungültig erkläre. Der Bericht der Hurriyet-News erwähnt aber noch weitere Irregularitäten bei der Stimmabgabe und der Auszählung, welche die CHP zu ihrer Annullierungspetition bewegt haben.

Dazu kommen auch noch 700 individuelle Beschwerden von Einzelpersonen, so Hurriyet. Der Bayerische Rundfunk berichtete am späten Dienstagnachmittag bereits von 1000 solcher Beschwerden wie auch von Protesten auf der Straße.

Die türkische Wahlkommission hatte die Vorwürfe aufgrund der Stimmzettel bereits gestern zurückgewiesen und Präsident Erdogan hatte auch bereits gestern erklärt, wie wenig er von den politischen Berichten der OSZE hält.

Die Organisation sollte ihren angestammten Platz kennen und sich zurückhalten, gab der knappe Sieger der Abstimmung Bescheid. Man habe die demokratischste Abstimmung in der Geschichte des Landes durchgeführt.