Österreich: Für einen starken Führer

Sitzungssaal der Bundesversammlung, Wien. Foto: Gryffindor / CC BY-SA 3.0

Laut einer aktuellen Studie schwindet die Begeisterung für Demokratie zugunsten autoritärer Regierungsformen

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Die Zustimmung für Demokratie lässt nach, für autoritäre Regierungsformen nimmt sie dagegen zu, lautet das Fazit einer Studie in Österreich. Das ist gegenwärtig keine allzu überraschende Beobachtung. Bemerkenswert ist die Studie mit dem Titel "NS-Geschichtsbewusstsein und autoritäre Einstellungen", weil sie einen Zehn-Jahres-Verlauf darstellen kann und die Zustimmungswerte für einen starken Mann an der Regierung bzw. einen Führer relativ hoch ausfallen.

Konkret fragt die Studie des österreichischen SORA-Instituts (gefördert vom staatlichen Zukunftsfonds der Republik) zunächst nicht nach einem "Führer", sondern danach, ob es aus Sicht der Befragten "für Österreich sehr, ziemlich, wenig oder gar nicht wünschenswert (wäre), wenn an der Spitze ein starker Mensch steht, der regiert".

Insgesamt stimmten 43 Prozent der 1.000 repräsentativ Befragten zu. 20 Prozent fanden einen starken Mann, der Österreich regiert, "sehr wünschenswert" und 23 Prozent "ziemlich wünschenswert". Vor zwei Jahren fielen die Bewertungen etwas weniger deutlich aus. Damals fanden 15 Prozent den starken Mann an der Regierungsspitze "sehr wünschenswert" und 26 Prozent "ziemlich wünschenswert". Bei den ablehnenden Äußerungen - wenig oder gar nicht wünschenswert - bleibt der Prozentsatz in der Summe ungefähr gleich. 2017 sind es 47 Prozent, 2015 ein Prozentpunkt weniger.

Der Zehnjahres-Vergleich wird zu dieser konkreten Frage in dem veröffentlichten Studieninformationen (hier und hier) leider nicht angeboten.

"Ein starker Führer, der sich nicht um ein Parlament und Wahlen kümmern muss"

Es gibt ihn aber zu einer schärfer zugeschnittenen Aussage, in der explizit von einem Führer die Rede ist: "Man sollte einen starken Führer haben, der sich nicht um ein Parlament und Wahlen kümmern muss." 2017 stimmten dem 23 Prozent zu (12 voll und 11teilweise). Vor zehn Jahren waren es 14 Prozent. Zehn Prozent stimmten "voll" zu und vier teilweise 1. Die größte Zunahme gab es demnach bei denen, die teilweise zustimmten. Es wäre interessant zu erfahren, welche Einschränkungen die Befragten hier anzumerken hätten.

Dass sich im Zehn-Jahres-Vergleich eine veränderte Einstellung zeigt, ist am Ablehnungsblock abzulesen. In der Befragung im Februar und März des Jahres 2017 lehnen 45 Prozent einen Führer, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss, "völlig" ab. 2007 hatte dieser Block eine eindeutige Mehrheit von 71 Prozent, die gar nicht zustimmen.

Bedürfnis nach "Law & Order" und Unsicherheit

Die Studie liefert zum Trend einer veränderten Einstellung gegenüber einer autoritären Regierungsform noch Begleitmaterial. So sei auch das Bedürfnis nach "Law & Order" in den letzten zehn Jahren gestiegen. Der Aussage "Um Recht und Ordnung zu wahren, sollte man stärker gegen Außenseiter und Unruhestifter vorgehen" stimmten in diesem Jahr 42 Prozent völlig zu und 19 Prozent teilweise. 2017 lagen die Zustimmungswerte bei 31, bzw. 22 Prozent.

Die Studienverfasser erklären in ihrem Resümée, dass sich in der genaueren Analyse bei rund 10% der Menschen "durchgängig autoritäre bzw. antidemokratische Einstellungsmuster" zeigen würden.

Der Großteil jener Menschen, die sich einen "starken Mann" an der Spitze Österreichs vorstellen können, sind jedoch Menschen mit hoher Unsicherheit und Menschen, die mit dem aktuellen Funktionieren der Demokratie in Österreich nicht zufrieden sind. Unter diesen beiden Gruppen befinden sich besonders viele PflichtschulabsolventInnen, ArbeiterInnen und Menschen mit mittleren Einkommen.

SORA-Studie

Unsicherheit wird auch als Erklärung für die sinkende Zufriedenheit mit dem "Funktionieren der Demokratie" herangezogen. Als Indiz gilt die Zustimmung für die Aussage: "Alles ist heute so in Unordnung geraten, dass niemand mehr weiß, wo man eigentlich steht." 2007 stimmte gut jeder Dritte zu (32 Prozent), 2017 sind es 41 Prozent.

Die österreichische Zeitung Der Standard befragte den Historiker Oliver Rathkolb zu den Ergebnissen der Studie. Dieser lenkte den Blick auf die soziale Frage:

Was die Menschen wirklich umtreibt, ist, dass sie keine klaren Zukunftsmodelle von der Politik bekommen - etwa die wirkliche Versicherung, dass ihre Pensionen halten. Die Jüngeren glauben ja nicht einmal mehr, dass sie eine Pension bekommen, obwohl die Systeme nach wie vor bestehen.

Oliver Rathkolb