Proteste in Venezuela dauern an

(Bild: Proteste am 20. April, Screenshot, YouTube )

Opposition gedenkt der Toten und protestiert gegen Gewalt, die sie maßgeblich selbst zu verantworten hat. Defizite in Berichterstattung

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In Venezuela dauern die Proteste für und gegen die linksgerichtete Regierung von Präsident Nicolás Maduro an. Einen vorläufigen Höhepunkt fanden die Demonstrationen am Mittwoch. Dabei kam es auf beiden Seiten zu Protestmärschen: Oppositionelle und Chavisten gingen in Caracas auf die Straße.

Wie zu befürchten, gab es dabei einmal mehr Todesopfer. Am Samstag organisierte das Oppositionsbündnis MUD angesichts der Opfer einen Schweigemarsch. Ein politischer Winkelzug, der mehrere Widersprüche übergeht: Unter den Toten befindet sich ein Mitglied der Nationalgarde; eine junge Frau in der Andenstadt wurde nach bisherigen Ermittlungsergebnissen von einem Aktivisten der rechtsgerichteten Partei Vente Venezuela erschossen.

Aggressiver Kurs

Schon als im Februar 2014 gewalttätige Proteste gegen die Regierung Maduro stattfanden, kamen mitnichten nur Anhänger der Opposition ums Leben - ein Umstand, den damals wie heute zahlreiche internationale Schlagzeilen übersahen, wenn sie ohne einen genaueren Blick auf das Geschehen über "Tote bei Protesten in Caracas" informierten (etwa hier, hier oder hier).

Vor drei Jahren etwa waren die meisten der gut 40 Todesopfer unbeteiligte Bürger oder Mitglieder der Sicherheitskräfte. Das Oppositionsbündnis MUD, das von der Regierung und Menschenrechtsorganisationen für die Toten verantwortlich gemacht wird, fordert damals wie heute den Abtritt der Regierung und fährt dabei einen zunehmend aggressiven Kurs gegen die Exekutive: Zuletzt forderte der oppositionelle Parlamentspräsident Julio Borges in einem offenen Brief an die Deutsche Bank ein Ende der Goldgeschäfte mit der Regierung, die er als "Diktatur" bezeichnet.

Ein Ende der Gewalt ist derzeit nicht abzusehen. Alleine in der Nacht zum Samstag kamen in Caracas zwölf Menschen ums Leben. Im Stadtteil El Valle im Westen der Stadt wurden in offenbar geplanten Aktionen nach Berichten lokaler Medien über ein Dutzend Geschäfte gestürmt und geplündert. Bei dem Überfall auf eine Bäckerei starben neun der Angreifer, als sie mit einer 220-kV-Leitung in Kontakt kamen.

Schwere Vorwürfe gegen die Opposition

Venezuelas Vizepräsident Tarek El Aissami erhob nach der Krawallnacht erneut schwere Vorwürfe gegen die Opposition. "Die Rechte agiert mit Hilfe krimineller Banden, um das Volk und seine Vertretungen anzugreifen", sagte er in der Sendung "Con Amorin" des staatlichen Fernsehsenders VTV. Als Beleg führte er einen Angriff Vermummter auf ein Kinderkrankenhaus in El Valle am Freitag an.

Es sei kein Zufall, dass diese Attacke am gleichen Tag stattgefunden habe, an dem Präsident Maduro den Ausbau des medizinischen Versorgungsprogramms Barrio Adentro bekanntgab, so El Aissami, der daran erinnerte, dass schon bei den Protesten Anfang 2014 Vermummte versucht hatten, den Kinderhort des Infrastrukturministeriums im Stadtteil Chacao von Caracas in Brand zu stecken.

In regierungskritischen Medien in Venezuela und in internationalen Medien wurde indes nicht über den Angriff von Demonstranten berichtet, sondern über den Umstand, dass Tränengas, das die Polizei gegen die Angreifer einsetzte, den Betrieb des Krankenhauses beeinträchtigte, das im übrigen den Namen "Hugo Chávez" trägt und 2013 nach dem Tod des Namensgebers eingeweiht worden war.

Die UNO zeigte sich besorgt über die zunehmend gewalttätigen Proteste und warnte vor den regionalen Auswirkungen der Krise in Venezuela. In Lateinamerika stärkten indes die linken Regierungen - etwa in Bolivien, Ecuador, Kuba und Nicaragua - Präsident Maduro den Rücken. Auf der anderen Seite wendeten sich etablierte und neue rechte Staatsführungen gegen die venezolanische Regierung.