Die AfD nach dem Kölner Parteitag: "Und dann rocken wir Deutschland"

Foto: Copyright Rüdiger Ziemens

Alice Weidel und Alexander Gauland sind das Spitzenpaar der AfD für den Bundestagswahlkampf 2017

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Alice Weidel und Alexander Gauland sind das Spitzenpaar der AfD für den Bundestagswahlkampf 2017. Frauke Petry bleibt Bundesvorsitzende. Der Streit zwischen dem realpolitischen Flügel um Petry und Markus Pretzell und ihren Gegnern Alexander Gauland, Bernd Höcke und Jörg Meuthen ist erst mal mit einem Sieg für die Fundamentaloppositionellen ausgegangen.

In dem von Gegendemonstranten und starken Polizeiketten umzingelten Hotel Maritim am Kölner Heumarkt fand am vergangenen Wochenende der Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) statt.

Es ging hoch her. 560 Delegierte, meist Männer, stimmten über die künftige Strategie, das Wahlprogramm für die Bundestagswahl und die Besetzung der Spitzenpositionen der Kandidatenliste ab.

Gewonnen hat vorerst der Flügel um Frauke Petrys Vorstandskollegen Jörg Meuthen und den Vorsitzenden der Brandenburger AfD-Landtagsfraktion Alexander Gauland, der sich angeblich einer Art Totalopposition verschrieben hat und nicht mit den verhassten Regierungsparteien koalieren will. Gauland, ehemals CDU-Mann aus Brandenburg, und Petrys Vorstandskollegin Alice Weidel wurden unter großem Jubel gewählt.

Die beiden hatten sich als Tandem zur Wahl gestellt, Gauland hatte zur Bedingung gemacht, dass es nur im Doppelpack gehe. Ohne den Rechtsaußen mit seiner starken Hausmacht an ihrer Seite hätte Alice Weidel sicher einen schweren Stand gehabt, passt sie doch so gar nicht in das Bild einer "deutschen Frau", das in den Köpfen der meist männlichen AfDler spukt: lesbisch UND Mutter und Unternehmerin.

Die "Bunten Funken"waren auch beim Protest dabei. Bild: Uwe Walter

Weidel: AfD ab 2021 koalitionsfähig

Die in der bundesdeutschen Öffentlichkeit noch relativ unbekannte promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin aus Baden-Württemberg und der Nationalist ziehen an einem Strang. Weidel sagte in ihrer Abschlussrede:

Wir ziehen im Mai in die Landtage von Schleswig-Holstein und NRW ein und dann liebe Freunde, rocken wir Deutschland. Wir werden es rocken.

Alice Weidel

Im Interview mit Phoenix ließ sie durchblicken, dass die Oppositionsrolle für sie auch nur vorübergehend sein könnte. Koalitionsfähig sehe sie die AfD ab 2021.

Die 37-jährige Weidel ist eine Karrierefrau. Über ihr politisches Vorleben ist nichts bekannt. Die ehemalige Stipendiatin der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung arbeitete für Goldman Sachs und die Allianz Global Investors und lebte sechs Jahre in China. Der AfD trat sie 2013 bei, aus Protest gegen die Bankenrettungspolitik der damaligen CDU-FDP-Koalition.

Vermutlich ging sie auch nicht zum rechten Flügel der FDP, bei dem sie wegen ihrer wirtschaftsliberalen Positionen auch beheimatet sein könnte, weil die Freien Demokraten die Bankenrettung mittrugen. 2015 wurde sie in den AfD-Bundesvorstand gewählt. Die wirtschaftspolitischen Forderungen der AfD hat sie als Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Euro und Währung formuliert, damit präsentierte sie sich als Fachfrau in einem Kernthema der Nationalisten.

Sie startete die Kampagne gegen Pläne des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble zur Abschaffung des Bargelds ("Bargeld lacht"). Und geißelt die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Angela Merkel warf sie Mitschuld am Tod einer jungen Frau vor, die Opfer eines von einem Flüchtling ausgeführten Verbrechens geworden war.

Selbst bezeichnet Weidel sich als "Urliberale". Sie ist Spitzenkandidatin der baden-württembergischen Landesliste. Nach Medienberichten soll sie sich im AfD-Bundesvorstand für einen Parteiausschluss des thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Bernd Höcke wegen seiner Rede zum "Schuldkult" und dem Holocaust ausgesprochen haben.

Andererseits wird ein Auseinanderbrechen der AfD immer wieder wie ein Gespenst beschworen und zur Einheit aufgerufen. Am Sonntagabend erklärte sie daher gegenüber Journalisten, dass sie zusammen mit Höcke, gegen den zur Zeit ein Parteiausschlussverfahren läuft, im Wahlkampf in Thüringen auftreten werde. Sie seien beide Teil einer Partei.

Die Strategie der Gegner von Petry und Pretzell scheint damit aufgegangen: Frauke Petry, die erst der Meinung gewesen war, dass sie die Spitzenkandidatin wäre, dann aber sich im Vorfeld mit ihrer Ankündigung, dass sie nicht kandidieren wolle, wenn es ein Spitzenteam gebe, selbst schon ins Abseits gestellt hatte, wird allmählich an den Rand gedrängt. So wie sie selbst es vor zwei Jahren mit dem damaligen Vorsitzenden Bernd Lucke gemacht hatte. Die radikale Rechte rückt vor.

Man wolle und müsse Petry weiterhin einbinden, betonten Gauland und Weidel in Köln nach der Wahl. Frauke Petry sei weiterhin das Gesicht der Partei, die Vorsitzende. Ob die das will, wo sie doch bald das fünfte Kind bekommt und schon vor Monaten gesagt hat, sie könne sich auch ein Leben außerhalb der Politik vorstellen, ist noch unklar.

Mit Weidel hat man ein frisches Gesicht, und dazu noch eine Frau. Weidel traf das Herz der Delegierten mit Äußerungen wie "ich empfehle jedem Erdogan-Jasager, in die Türkei zurückzukehren genau da, in das Wertesystem, wo diese Leute hingehören". Außerdem gehört ihrer Ansicht nach die politische Korrektheit auf den "Müllhaufen der Geschichte".