Le Pen punktete bei Geringverdienern

Bild: Telepolis, Mélencron / CC-BY-SA-4.0

Die demographische Aufbereitung der Wahl in Frankreich zeigt, dass das Land gespalten ist

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Zwei Tage nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich gibt es ausführliche demographische Aufbereitungen der Wahlergebnisse vom Sonntag. Da die Ergebnisse aus Befragungen stammen, sind die Zahlen nicht immer identisch - das Bild, das sie vermitteln, ähnelt sich jedoch durchaus.

Die Zahlen des Ipsos-Instituts zeigen unter anderem, dass Marine Le Pen in den Altersgruppen zwischen 35 und 49 und zwischen 50 und 59 Jahren mit 29 und 27 Prozent eine Mehrheit bekam. In der Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahren unterlag sie mit 24 zu 28 Prozent dem Ex-Banker Emmanuel Macron, bei den Jungwählern zwischen 18 und 24 Jahren mit 21 zu 30 Prozent dem Linksnationalisten Jean-Luc Mélenchon.

Am schlechtesten schnitt Le Pen bei Rentnern über 70 ab

Mit Abstand am schlechtesten schnitt Le Pen mit nur zehn Prozent bei Rentnern über 70 ab. Diese Altersgruppe, die mit 45 Prozent mehrheitlich den Republikaner François Fillon wählte, wurde nach dem Brexit-Votum im letzten Jahr in der Spiegel-Online-Beilage Bento als "Generation Rollator" beschimpft. Auf Twitter hatten EU-Ultras wie Michael Seemann sogar vorgeschlagen, älteren Menschen das Wahlrecht zu beschneiden (vgl. EU-Anhänger wollen Senioren Wahlrecht entziehen).

Nach Berufsgruppen gegliedert fuhr die Front-National-Kandidatin dem Institut Opinionway zufolge ihr bestes Ergebnis in der Arbeiterschaft ein: Hier siegte sie mit 39,7 Prozent, während Macron nur auf 13,4 Prozent kam. Fast umgekehrt ist es bei den Akademikern, wo 33,3 Prozent für den Ex-Banker, aber nur 9,9 Prozent für seine Rivalin stimmten. Auch leitende Angestellten und Unternehmer votierten mit 30,1 und 25,1 Prozent überdurchschnittlich oft für Macron und mit 16,8 und 17 Prozent unterdurchschnittlich oft für Le Pen, die dafür bei einfachen Angestellten mit 30,1 Prozent, bei Arbeitslosen mit 29,9 und bei Beschäftigten im Öffentlichen Dienst mit 24,2 Prozent besser abschnitt als im Durchschnitt.

Je mehr Einkommen, desto mehr Stimmenanteil für Macron

Die Erkenntnisse zu den Berufsgruppen gehen Hand in Hand mit denen zum Einkommen: In der Einkommensgruppe unter 1.250 Euro stimmten 32 Prozent für Le Pen und in der zwischen 1.250 und 2.000 Euro 29 Prozent. In der Einkommensgruppe zwischen 2.000 bis 3.000 Euro liegt dagegen der Soros-Schützling Macron mit 25 Prozent vorne, unter den Besserverdienern mit über 3.000 Euro wählte ihn sogar ein Drittel.

Die Unterschiede in den Milieus und Einkommen geben auch einen Hinweis darauf, wie sich die geografische Spaltung des Wahlergebnisses erklärt: Im Nordosten, in Frankreichs Rostgürtel, und im Süden siegte überwiegend Le Pen - im Westen, im Großraum Paris, im Avernerland und im Weinbaudépartement Côte-d’Or Macron. Am besten schnitt die Front-National-Kandidatin im Département Aisne an der Grenze zu Belgien ab, wo sie mit 35,67 Prozent etwa doppelt so viele Stimmen holte wie der dort zweitplatzierte Macron. Dessen Hochburg war die Hauptstadt Paris, in der 34,83 Prozent für ihn und lediglich 4,99 Prozent für Le Pen stimmten. Diesen Wert erreichte Le Pen auch bei Moslems, die mit 37 Prozent mehrheitlich für Mélenchon votierten. Macron landete unter ihnen mit 24 Prozent auf Platz 2, Fillon mit zehn Prozent auf Platz drei.

Unsicherheitsfaktor Nichtwähler

Die aktuellen Umfragen sehen Macron mit einem Stimmenanteil zwischen 60 und 64 Prozent als Gewinner der Stichwahl zwischen ihm und Le Pen. Der Physiker Serge Galam, der im letzten Jahr die Entscheidung der Briten für einen Ausstieg aus der EU, den Wahlsieg von Donald Trump in den USA und die Niederlage des von den Medien als Favoriten gehandelten Alain Juppé bei den Vorwahlen der französischen Republikaner richtig vorhersagte, hat in der Libération allerdings darauf aufmerksam gemacht, dass der Anreiz, am 7. Mai tatsächlich zur Urne zu gehen, für Anhänger Le Pens größer ist als für Wähler, die nur deshalb für Macron stimmen würden, um sie zu verhindern. Seinen Berechnungen nach ist ein Wahlsieg Le Pens deshalb zwar "unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich".

Kampf um Wähler von Mélenchon und Fillon

Aber auch dann, wenn alle Anhänger der ausgeschiedenen Kandidaten am 7. Mai zuhause bleiben, würde es für Le Pen nicht reichen, weil Macron im ersten Wahlgang mehr Stimmen holte als sie. Deshalb hat sie ihren Parteivorsitz beim Front National vorerst bis zur Stichwahl niedergelegt und bemüht sich intensiv um die knapp 20 Prozent Wähler des ausgeschiedenen Linksnationalisten Jean-Luc Mélenchon, der bei den Arbeitslosen mit 27,5 Prozent und im Öffentlichen Dienst mit 23,2 Prozent auf dem zweiten Platz lag. Mélenchon hat seinen Wählern bislang keinen Stichwahlkandidaten empfohlen, sondern meinte, diese müssten selbst wissen, was sie tun.

Seine Positionen ähneln denen Marine Le Pens vor allem in der Handels- und Europapolitik, weshalb es Mélenchon-Anhänger gibt, sie schon jetzt verkünden, für Le Pen zu stimmen, weil Macron der "Kandidat des Systems" sei, mit dem sich nichts ändern werde. Dass Politiker wie Sigmar Gabriel und Jean-Claude Juncker Macron offen unterstützen, dürfte sie in dieser Sicht bestärken. Le Pen selbst betonte in ihrer Rede am Abend des ersten Wahlgangs ihre Gegnerschaft zu einer "wilden Globalisierung".

Die Wähler des ausgeschiedenen Thatcheristen Francois Fillon, um die Le Pen ebenfalls werben muss, könnte das eher abschrecken als anziehen. Um sie bemüht vor allem ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen, die gute Verbindungen zur katholisch-sozialkonservativen Manif-pour-Tous Bewegung pflegt, deren Wählern in der ersten Runde der Republikaner empfohlen wurde. Diese Wähler könnten jedoch von Marine Le Pens Stellvertreter Florian Philippot abgeschreckt werden, der bekennend homosexuell lebt.

Parlamentswahl im Juni

Wird Macron, der seine Magisterarbeit über Machiavelli und seine Diplomarbeit über Hegel schrieb, am 7. Mai zum französischen Präsidenten gewählt, muss er sich darauf einstellen, dass er mit seiner wie Silvio Berlusconis Forza Italia mit Geld und Medienmacht aus dem Boden gestampften "Bewegung" En marche! keine Parlamentsmehrheit hat.

Derzeit ist sie im Parlament mit etwa 50 Abgeordneten vertreten, die - wie er selbst - vorher Mitglieder von Francois Hollandes Sozialdemokraten waren. Auch dann, wenn es ihm gelingt, bis zur Anmeldefrist zu den Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni Kandidaten für alle 577 Wahlkreise zu finden, ist unwahrscheinlich, dass er damit bereits im ersten Wahlgang der Parlamentswahlen im Juli auf eine absolute Mandatsmehrheit kommt. Wahrscheinlicher ist, dass er sich im zweiten Wahlgang mit Sozialdemokraten und Republikanern auf taktische Rückzüge in den einzelnen Wahlkreisen einigen wird, um zu verhindern, dass diese an Kandidaten des Front National gehen. Anschließend müsste er dann entweder mit den Sozialdemokraten oder mit den Republikanern regieren - oder mit beiden Parteien.

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