Neues Kapitel im Ukraine-Konflikt: Kein Strom für Luhansk

Bild: ua.energy

Angedroht wird auch das Abdrehen der Wasserversorgung, die Teilung der Ukraine vertieft sich

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Der ukrainische Energiekonzern "Ukrenergo" drehte den Schalter um: Seit der Nacht auf den Dienstag haben die etwa 1,2 Millionen Bewohner der selbsternannten Volksrepublik Lugansk keinen Strom mehr. Das prorussische Rebellengebiet, das sich vor drei Jahren von der Ukraine mittels losgesagt hat, habe seine Stromrechnung nicht bezahlt, so die Begründung des Konzerns.

Nach Angaben von Georgij Tuka, des stellvertretenden ukrainischen Ministers für die "vorübergehend besetzten Gebiete", belaufen sich die Schulden auf 5,2 Milliarden US-Dollar, die Volksrepublik Donezk schulde dem Staatskonzern 5,8 Milliarden US-Dollar.

In dem Rebellengebiet gibt man sich betont gelassen. Der "Luhansker Energie Verband" erklärte am Dienstag, man könne die Versorgung wieder herstellen - zudem gebe es die mögliche Versorgung durch Russland. Die hat Boris Gryzlov, der russische Gesandte der Trilateralen Kontaktgruppe auch zugesagt. Die Bewohner könnten unter den Bedingungen der Wirtschaftsblockade den Strom nicht bezahlen, sagte er.

Boris Gryzlov, russischer Delegierter in der Kontaktgruppe zur Verhandlung mit der Ukraine hat der Volksrepublik dann auch "humanitäre Hilfe" versprochen. Die Entscheidung Kiews wurde in Moskau kritisiert: "Es ist ein Schritt, der gegen den Geist des Minser Abkommens verstößt, der uns von der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen entfernt", sagte Kreml-Sprecher Dimitrij Peskov. Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow kritisierte den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko heftig. Dieser habe nichts getan, um Fortschritte zu erzielen, und nutze "jede Störung, um Aufmerksamkeit zu erzielen".

Nach Meinung des Gouverneurs der Volksrepublik habe Kiew mit dem Abstellen des Stroms das letzte Band zwischen Lugansk und der Ukraine zerschnitten: "Sie haben noch einmal bewiesen, dass sie nicht unsere Verwandten sind."

Heute findet in der weißrussischen Hauptstadt wieder ein Treffen der trilateralen Kontaktgruppe statt. Die Vertreter der Ukraine, der Russischen Föderation und der "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (OSZE) versuchen offiziell, das Abkommen von "Minsk 2" umzusetzen.

Auf der Themenliste am Mittwoch steht sicher auch der Tod eines OSZE-Beobachters, der beim Überwachen der Waffenruhe nahe Lugansk auf eine Mine gefahren ist. Beide Seiten weisen sich gegenseitig die Schuld zu, die Straße hätte von Minen geräumt sein müssen.

Vom militärischen Konflikt zum Wirtschaftskrieg

Derzeit nehmen die Spannungen zwischen Kiew und den beiden Republiken zu, denn die Teilung der Ukraine schreitet wirtschaftlich wie rechtlich voran. So liefert die Volksrepublik Donezk seit Anfang März keine Kohle mehr an die Ukraine aus und hat mit der Enteignung der ukrainischen Unternehmen begonnen.

Kiew stoppte darauf im Gegenzug bis auf Hilfsgüter und den Kleinhandel zwischen den Angehörigen jeglichen Handelsverkehr zwischen der Ukraine und den beiden Republiken. Der Stahl- und Kohlekonzern Metinvest, das größte Privatunternehmen der Ukraine, befürchtet eine Demontage von Industriegütern in den Rebellengebieten und ihren Abtransport nach Russland und warnte, dass dies gegen internationales Recht verstoße.

Durch den Handelsstopp und Entlassungen drohen der Zivilbevölkerung in Donezk und Lugansk neue Härten. Teils geht die Arbeit weiter, es werden jedoch keine Löhne mehr gezahlt.

Da die Stadt Avdiivka durch die Angriffe von Seiten des Gebiets der Volksrepublik Donezk stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, will Ukrenergo für dieses Gebiet nicht den Strom abstellen, da auch nicht besetzte Gebiete der Region betroffen wären. Die Ukraine beabsichtigt auch, die Wasserversorgung abzudrehen und das Kraftwerk von Luhansk abzuschalten, erklärte der ukrainische Energieminister Ihor Nasalyk heute. Man könne das Kraftwerk nicht mit Anthrazitkohle beliefern, da dies nur "über die unkontrollierten Territorien oder über Russland" möglich sei.