Hamas: "Die Errichtung von 'Israel' ist vollkommen illegal"

Chalid Maschal. Bild: Hamas

Die palästinensische Islamisten-Organisation ergänzt ihre Charta, aber ändert nur wenig

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Die Aufmerksamkeit war Hamas-Führer Chalid Maschal sicher, als er jüngst zur Pressekonferenz in seinem Exil in Doha lud. Stellte er doch ein neues Papier der Islamisten-Organisation vor, das die berüchtigte Charta der Hamas von 1988 aktualisieren soll. "A Document of General Principles and Policies" heißt es im Englischen, auf neuneinhalb Seiten wird in 42 Artikeln das Programm der Hamas vorgestellt. Gewohnt kompromisslos gegenüber Israel, wird darin dennoch erstmals ein Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 in Aussicht gestellt. So heißt es dort:

Ohne die Ablehnung des zionistischen Gebildes und palästinensische Rechte aufzugeben, gesteht die Hamas zu, dass es nationaler Konsens ist, einen voll souveränen und unabhängigen Palästinenser-Staat zu errichten mit Jerusalem als Hauptstadt entlang der Grenze vom 4. Juni 1967 und mit der Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Häuser, aus denen sie vertrieben wurden.

Hamas

Die Hamas sei gegen das "zionistische Projekt", wie er Israel in gewohnter Diktion nannte, aber nicht gegen die Juden als Religion, sagte Maschal, der seit 1996 Vorsitzende des Politischen Büros der Islamisten-Organisation ist und im Laufe des Jahres abtreten wird. "Die Hamas kämpft nicht gegen Juden, weil sie Juden sind, sondern sie kämpft gegen die Zionisten, die Palästina besetzt halten."

Die Charta von 1988

Das klang in der bisherigen Charta noch anders. In dem Grundsatzdokument aus dem Jahre 1988 wurden Juden in bester verschwörungstheoretischer Manier als Drahtzieher hinter Revolutionen von der französischen bis zur russischen ausgemacht. Mit geheimen Organisationen wie den Freimaurern hätten sie die Welt in Kriege gestürzt: "Es gibt keinen Krieg, bei dem sie nicht hinter den Kulissen ihre Finger im Spiel hätten", behauptete die Charta und zitierte die muslimische Überlieferung:

Die Stunde wird kommen, da die Muslime gegen die Juden solange kämpfen und sie töten, bis sich die Juden hinter Steinen und Bäumen verstecken. Doch die Bäume und Steine werden sprechen: "Oh Muslim, oh Diener Allahs, hier ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt. Komm und töte ihn!" Nur der Gharkad-Baum wird dies nicht tun, denn er ist ein Baum der Juden.

Hamas-Charta von 1988

Eine Charta gegen Israel

Kompromisse mit Israel wurden damals kategorisch ausgeschlossen. "Israel wird entstehen und solange bestehen bleiben, bis der Islam es abschafft, so wie er das, was vor ihm war, abgeschafft hat", heißt es in der Präambel. Und später: "Die Islamische Widerstandsbewegung glaubt, dass Palästina allen Generationen der Muslime bis zum Tag des Jüngsten Gerichts als islamisches Waqf-Land vermacht ist. Palästina darf weder als Ganzes noch in Teilen aufgegeben werden."

Nicht nur Israel, auch internationalen Vermittlungsbemühungen wird ausdrücklich eine Absage erteilt, da damit "den Ungläubigen Schiedsgewalt über muslimisches Land eingeräumt" werde: "Die Palästina-Frage kann nur durch den Dschihad gelöst werden. Initiativen, Vorschläge und internationalen Konferenzen sind sinnlose Zeitvergeudung, frevelhaftes Spiel, und das palästinensische Volk ist zu kostbar, als dass man mit seiner Zukunft, seinem Recht und seinem Schicksal ein frevelhaftes Spiel treiben könnte."

Artikel 1 der neuen Charta. Bild: Hamas

Fragwürde Palästina-Freunde

In falsch verstandener Solidarität mit den Palästinensern ist diese Charta oft dahingehend relativiert worden, dass sie ja schon alt sei und gar nicht mehr die reale Politik der Hamas wiederspiegele. Kritikern gehe es um eine "Dämonisierung der Hamas", wurde behauptet.

Warum es eine Dämonisierung sein soll, das Gründungsdokument der Hamas zu zitieren, zu analysieren und vor allem ernst zu nehmen, konnten solche Palästinafreunde freilich nie erklären. Parteiprogramme erfüllen wichtige Funktionen. Menschen treten Parteien bei aufgrund der Grundwerte, die in solchen Programmen festgehalten sind. Von daher sind Programme, Programmdebatten, Änderungen am Programm etc. nicht zu unterschätzen.

Warum gerade manche deutsche Linke der Hamas so unkritisch gegenüber stehen, ist auch deswegen unverständlich, weil die Gruppierung ja keineswegs die einzige palästinensische Partei ist. Selbstverständlich gibt es unter Palästinenser nicht nur Islamisten, sondern auch Sozialdemokraten, Liberale, Kommunisten, Atheisten und vieles mehr.