Bundeswehrskandale: SPD geht auf Konfrontationskurs mit von der Leyen

Pioniere des Panzerpionierbataillons 1 beim Bau von Feldstellungen. Bild: Bundeswehr-Fotos / CC BY 2.0

Die Verteidigungsministerin kündigt Reformen beim Traditionserlass, den Meldewegen und den Disziplinarverfahren an

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Der Traditionserlass der Bundeswehr von 1982 wird überarbeitet, teilt Thomas Wiegold als eine neue Erkenntnis von der heutigen Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags mit. Als zweite Erkenntnis erwähnt der Journalist mit Spezialgebiet Verteidigungs- und Sicherheitspolitik den "offenen Konfrontationskurs" von Rainer Arnold von der SPD gegenüber der Ministerin, die der gemeinsamen großen Koalition angehört.

Es ist Wahlkampf, die SPD steht nach der Wahl in Schleswig-Holstein nicht gut da, sie muss sich vom Koalitionspartner absetzen, so gut es geht. Dass Arnold in seinem Presse-Statement nach der Sitzung die Beliebtheit des SPD-Verteidigungsministers Struck gegenüber von der Leyen, welche die Truppe nur verunsichern würde, herausstellt, gehört zu dieser Ebene.

Wenn die Kanzlerin einem Minister das volle Vertrauen ausspricht, wie im Fall der Verteidigungsministerin wird das nicht nur im Netz längst als Signal des Gegenteils verstanden. Von der Leyen geht auf einem schmalen Grad. Sollte die Kanzlerin das Gefühl haben, dass sie im Wahlkampf schadet, könnte das Vertrauen schnell verschwinden.

Der Fall Franco A. wird zum Krisenfall

Thema der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses im Bundestag war der eigenartige Fall des Oberleutnants Franco A, der nach den bisherigen Ermittlungen des Bundesanwalts mit zwei anderen Festgenommenen unter dem "Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewaltat" steht. Laut Haftbefehl planten die drei einen "Angriff auf das Leben hochrangiger Politiker und Personen des öffentlichen Lebens". Auf der Liste standen u.a. Bundespräsident a. D. Joachim Gauck und Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas.

Franco A. sollte die Ausführung der Tat übernehmen. Dazu besorgte er sich die fiktive Identität eines syrischen Flüchtlings, um nach dem Anschlag den Verdacht auf Asylbewerber zu lenken - eine ziemlich skurille Konstruktion, die von allerhand Seltsamkeiten begleitet wurde wie der Zwischenlagerung der Waffe mit Fingerabdrücken in einem Putzschacht auf einer Behindertentoilette am Wiener Flughafen.

Also ob das nicht schon Rätsel und Skandal genug wäre, wurden auch noch 1.000 Schuss Bundeswehr-Munition bei einem Komplizen gefunden, obwohl die Bundeswehr doch bei jeder Schießübung jede einzelne ausgegebene Patrone in einer Schießkladde notiert.

Der Fall Franco A. wurde zum Krisenfall, da sich immer mehr Lücken und Risse im vorgestellten Bild der Bundeswehr und ihrer Führung zeigten. Von der Leyen, die ihren Posten mit einem Manageransatz als Generalschlüssel versteht, machte große Kommunikationsfehler, als sie der Bundeswehr Haltungsprobleme und Führungsschwäche vorwarf und damit die ganze Institution ins Visier nahm, obendrein steckte sie auch die Skandale über eigenartige Rituale, Schikanen und Diskriminierungen in Bundeswehrkasernen in den Mix. Es wurde turbulent.

"Kultur des Misstrauens und der Verunsicherung"

Jetzt erwähnt sie jedes Mal, wie auch heute nach der Ausschusssitzung, wie hervorragend im Übrigen die Truppe doch sei und serviert dazu eine Liste von geplanten Maßnahmen, die Aktion anzeigen. Die Meldewege sollen reformiert werden, Disziplinarverfahren überarbeitet und alle Kasernen bundesweit sollen überprüft werden mit Blick auf "Wehrmachtsdevotionalien, die wir nicht haben wollen".

Beobachter halten ihr vor, dass Essentielles dazu schon in den Berichten der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages zu lesen war. Der SPD-Mann Rainer Arnold ist nicht der einzige, der zur Diskussion stellt, dass die Verteidigungsministerin schon dreieinhalb Jahre Zeit hatte, um sich um Probleme zu kümmern, die nicht neu sind und die sie jetzt der Bundeswehr vorhält. Es seien "extreme Fehler" ganz oben passiert, so Arnold.

Laut des verteidigungspolitischen Sprechers der SPD habe von der Leyen während der Ausschusssitzung vor allem viele Fragen formuliert und, nicht wie es sein sollte, Orientierung vorgegeben. Damit würde eine "Kultur des Misstrauens und der Verunsicherung" verbreitet. Er wirft ihr vor, dass in der politischen Leitung der Bundeswehr das richtige Gespür für die Behandlung des politisch außerordentlich wichtigen Themas "Rechtsextremismus" gefehlt habe.

Als Zeichen für eine zu laxe Behandlung von internen Problemen nennt Arnold die personelle Rückstufung des MAD. Jetzt will von der Leyen den Militärischen Abschirmdienst wieder aufstocken.