Homo Deus: Gehirn-Upload, Unsterblichkeit, Künstliche Intelligenz

Was ist dran an den Versprechen - oder Horrorszenarien - des Transhumanismus?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auf Vorschlag eines Kollegen aus der Anatomie will ich ein paar Gedanken über den Transhumanismus zur Diskussion stellen. Dieser Kollege hatte gerade das neue Buch des israelischen Geschichtsprofessors Yuval Noah Harari gelesen: "Homo Deus: Eine Geschichte von Morgen". Dieses erschien bereits 2015 auf Hebräisch, ist inzwischen in acht Sprachen übersetzt und in Deutschland gerade ein Bestseller.

Von Trans-, Post- und Über- und Gottmenschen

Eine These ist, laut besagtem Anatomen, dass es Intelligenz ohne Bewusstsein geben könne. Auf der Wikipediaseite zum Buch finden sich (unter anderem) die weiteren Thesen, beim Humanismus handle es sich um eine Religion, die die Menschen im 21. Jahrhundert dazu motivieren solle, nach Unsterblichkeit, Glück und Macht zu streben. Nun stehe uns mit neuen Technologien eine Ablösung der Menschheit durch einen Übermenschen - oder eben den Homo Deus, den Gottmenschen - mit übernatürlichen Fähigkeiten wie der Unsterblichkeit bevor.

Es geht also um Ideen, die seit Längerem unter den Stichwörtern Transhumanismus oder Posthumanismus diskutiert werden. Ersteres ist das, was den Menschen, so wie er jetzt ist, übersteigt (lat. trans = hinüber); Letzteres das, was nach dem Menschen kommt (lat. post = danach). Solche Vorstellungen, griechisch als hyperanthropos oder lateinisch als homo superior, durchziehen die westliche Ideengeschichte. Am bekanntesten ist wahrscheinlich Nietzsches Übermensch aus seinem Buch "Also sprach Zarathustra", mit dem der Philosoph möglicherweise eine eigene Religion gründen wollte.

Philosophie trifft Technologie

Nun haben wir es, wenig überraschend, mit Visionen neuer Technologien zu tun. Dabei kann man an den Informatiker und Futurologen Ray Kurzweil denken, demzufolge die baldige Zukunft so anders sein wird, dass wir sie uns vom heutigen Standpunkt aus nicht einmal vorstellen können. An der Universität Oxford sind Transhumanisten in der Form des Future of Humanity Institute auch akademisch verkörpert. Zu dem Hinüber-, Danach- und Übermenschen kommt nun also Hararis Gottmensch.

Dabei lässt sich die These, dass es Intelligenz ohne Bewusstsein geben könne, am einfachsten beantworten: Abgesehen von der Frage, was "Intelligenz" eigentlich ist, leben die meisten von uns inzwischen im Alltag mit solchen Intelligenzen. Sollte man einen Schach- oder Gocomputer, der die Großmeister besiegt, etwa nicht als intelligent bezeichnen? Oder Routenplaner, die in Sekundenschnelle den besten Weg für alle Verkehrsmittel berechnen? Spamfilter? Algorithmen für Themen- und Freundschaftsvorschläge auf Facebook?

Künstliche Intelligenz

Was sollte Intelligenz bedeuten, wenn diese Systeme und viele andere alle nicht intelligent wären? Die heutige allgemeine Bedeutung ist (laut Duden): die Fähigkeit, abstrakt und vernünftig zu denken und daraus zweckvolles Handeln abzuleiten. Das wirft wiederum die Fragen auf, was "vernünftig" ist und was "Denken"; Fragen die ganze Regalmeter füllen.

Lateinisch intellegere ist das Verstehen, das wiederum aus inter und legere zusammengesetzt ist, also aus dem Wählen zwischen (man ergänze: verschiedenen Alternativen). Die genannten Systeme sind dazu in der Lage, zwischen Alternativen zu wählen, und sie tun dies sogar sinnvoll, zum Teil sinnvoller und effizienter als Menschen. In diesem Sinne sind sie intelligent.

Vielleicht zielte die These des Kollegen aus der Anatomie eher auf die Frage, ob es menschliche Intelligenz ohne Bewusstsein geben könne. Meine spontane Gegenfrage: Wozu, wenn doch die künstliche Intelligenz so gut funktioniert?

Gehirn-Upload zur Unsterblichkeit

Damit kommen wir zu dem von manchen Transhumanisten in Aussicht gestellten Gehirn-Upload. Könnten wir so unsterblich werden, indem wir die natürlichen Grenzen unserer biologischen Körper verlassen und uns in verteilte Datenspeicher, in die Cloud speisen lassen?

Ja und nein. Bei näherer Betrachtung ergibt sich meiner Meinung nach eine große Ernüchterung: Wir können auf unendliche Weise, sogar schon heute, Strukturen unserer Körper digitalisieren und abspeichern. Ein Digitalfoto einer billigen Kamera reicht dafür schon. Was haben wir davon? Die Idee der Transhumanisten zielt natürlich nicht auf Strukturen unserer äußeren Erscheinung, sondern unseres Nervensystems.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.