Medienkrieg im Weißen Haus

Bild: Russisches Außenministerium/CC NC-SA-2.0

US-Medien sind entsetzt, dass russische Medien Bilder zeigen, wie Donald Trump dem russischen Außenminister die Hand reicht oder beide lachen

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Es sind eigentlich nichtssagende Bilder. Donald Trump und Sergej Lawrow geben sich die Hand oder sprechen miteinander und machen wohl irgendwelche Scherze. So verlaufen Begegnungen zwischen Politikern, wenn es nicht ganz frostig zugeht. Beim Treffen mit Angela Merkel bemühte sich Donald Trump auch, aber man konnte sehen, dass er Schwierigkeiten mit ihr hatte, wahrscheinlich auch, weil sie ihn als Frau mit seinem männlichen Gehabe schlicht nicht beachtete. Das kränkt einen Narzissten. Im Umgang mit anderen männlichen Machtmenschen fühlt sich Trump sichtlich wohler. Da stimmt die Welt noch. Aber auch die US-Medien, die vor Trump die Platzhirsche waren und von Trump geschnitten werden, weil sie auch während des Wahlkampfs deutlich gegen ihn Position bezogen hatten, neigen zunehmend zur Irrationalität. Das zeigt sich am "Bilderkrieg", also daran, dass nur ein russischer Fotograf Bilder vom Treffen zwischen Lawrow und Trump machen und veröffentlichen konnte.

US-Präsident Donald Trump entließ den FBI-Chef Comey kurz vor dem Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow im Weißen Haus. Lawrow gab sich jedenfalls überrascht, als er zuvor nach einem Kommentar zur Entlassung gefragt wurde: "Wurde er gefeuert? Sie machen Scherze!" Trump-Kritiker sehen in der Entlassung einen weiteren Beleg für die Verstrickung des Trump-Wahlkampfteams und des Weißen Hauses mit dem Kreml, was Comey untersuchen wollte, während er den Leaks aus dem Weißen Haus und dem angeblichen Abhörbefehl Obamas für Trump im Trump Tower vor der Wahl nicht wirklich nachgehen wollte.

Als Trump noch nachtrat - "Comey lost the confidence of almost everyone in Washington, Republican and Democrat alike. When things calm down, they will be thanking me!" -, musste er eine neue Schlappe hinnehmen. Der nun amtierende FBI-Direktor Andrew McCabe, zuvor Vizedirektor, erklärte zwar vor dem Geheimdienstausschusses des Senats, dass das Weiße Haus bislang die Untersuchungen über mögliche Verbindungen zwischen der russischen Regierung und der Trump-Kampagne nicht behindert habe. Aber er widersprach Trump und sagte, die meisten FBI-Mitarbeiter hätten eine "positive Verbindung" mit Comey gehabt.

Mit der Entscheidung, keine Reporter ins Weiße Haus beim Besuch des russischen Außenministers zuzulassen ("Closed Press"), ist Trump in das nächste Fettnäpfchen getreten und hat nun die von ihm so titulierten Vertreter der "Fake News" noch einmal gegen sich. Die russische Delegation brachte aber den Fotografen Alexandr Scherbak mit, der auch das Weiße Haus betreten und offenbar offiziell Aufnahmen machen durfte, die zunächst in russischen Medien veröffentlicht wurden. Sie zeigen Trump zusammen mit Lawrow und dem russischen Botschafter Sergej Kislyak, was Trump wohl vermeiden wollte, da er ja gerade wegen angeblicher Beziehungen zwischen seinem Team und dem Kreml unter Verdacht steht und den FBI-Direktor deswegen entlassen hat, wie allseits vermutet wird, was er aber abstreitet und sagt, Comey habe ihm mehrmals gesagt, dass die Untersuchung sich nicht gegen ihn richte.

McCabe wollte dazu nichts sagen. Jetzt hat Trump umgeschaltet und kritisiert demokratische Politiker, sie seien scheinheilig, wenn sie Comey in Schutz nähmen, den sie zuvor kritisiert hätten. Da ist auch was dran, aber so funktioniert Politik, das müsste auch Trump wissen, ohne deswegen beleidigt zu agieren. In einem Interview wiederholte er die Behauptung und erklärte, er wolle wissen, wenn Russland etwas gemacht habe, aber es habe keine Absprachen im Wahlkampf gegeben.

Bild: Russisches Außenministerium/CC NC-SA-2.0

Ob man im Weißen Haus überhaupt eine überlegte Entscheidung getroffen hat und nicht vom Fotografen überrascht wurde, den die Delegation mit dabei hatte, ist unbekannt. Man muss aber annehmen, dass man lieber ein bilderloses Treffen halten wollte, um über Syrien, Nordkorea und vielleicht Afghanistan, wahrscheinlich auch über die Türkei zu sprechen, die für beide Länder ebenso unberechenbar ist. Strittig waren zudem die noch unter Obama kurz vor seinem Amtsende verhängten Sanktionen, die auch russische Liegenschaften in den USA betreffen, wie die russische Nachrichtenagentur Tass herausstreicht. Angeblich würde die US-Regierung für eine Aufhebung der Sanktionen und eine Herausgabe der Liegenschaften verlangen, dass die russische Regierung in St. Petersburg einen Bauplatz für eine Vergrößerung des US-Konsulats freigibt. Die russische Regierung sperrt sich offenbar, weil sie die Liegenschaften in den USA als ihren legitimen Besitz ansieht.

Die New York Times moniert, dass das russische Außenministerium "innerhalb von Minuten" Bilder von Lawrow und Trump, die sich anlächeln und die Hände schütteln, auf Twitter veröffentlichte. Die russische Botschaft habe Bilder des Botschafters mit dem Präsidenten veröffentlicht. Und Tass habe dann auch noch Fotos veröffentlicht, auf denen die drei Männer lachend im Oval Office sind. Das Weiße Haus habe hingegen nichts veröffentlicht.

Da wurde, so kann man der NYT entnehmen, eine Großmacht durch die Konkurrenz gedemütigt, die nach der NYT einen "Coup" gelandet hat. Verglichen wird der Versuch des US-Außenministers Tillerson beim Besuch beim russischen Präsidenten. Der habe ihn Stunden warten lassen, sein Pressekontingent habe er nicht mitgenommen. Nach der NYT herrscht also Asymmetrie zuungunsten der USA, verantwortlich ist dafür Trump. Zwar seien die Fotografen des Weißen Hauses zugegen gewesen, aber es sei doch etwas anderes, wenn die freie Presse ausgeschlossen wird. Aber man habe nur kurz Zugang zum Oval Office erhalten, um ein Treffen zwischen Trump und Kissinger abzulichten. Dass es da neben politzischen Implikationen auch um die Aufmerksamkeitsökonomie und darum geht, wer profitiert und die Medienkanäle kontrolliert, davon wird selbstredend nicht gesprochen.

Zur Demütigung kommt der Vorwurf, dass der "ungehinderte" Zutritt eines russischen Fotografen bedenklich für die Sicherheit sei. Auch die Washington Post reitet darauf herum. Geheimdienstmitarbeiter - etwa auch EX-CIA-Direktor David S. Cohen - würden sagen, dass der Fotograf ja auch heimlich andere Überwachungsgeräte mitgeführt haben könnte, als ob dies nicht auch beim Außenminister und dem Botschafter prinzipiell möglich wäre. Ob der Fotograf ungehindert überall umherstreifen und alles ablichten konnte, ist lediglich eine Suggestion, schließlich dürfte der Secret Service nicht im Urlaub gewesen sein. Und wenn Fotografen der "freien Presse" ins Weiße Haus eingelassen werden, würde sich eigentlich ein ähnliches Sicherheitsproblem stellen.

Der russische Tass-Fotograf Alexandr Scherbak hat sich mittlerweile auch in die Debatte eingeschaltet. Er schreibt, die US-Medien sollten sich beruhigen, es sei nichts Ungewöhnliches geschehen. Er sei von einem US-Vertreter ins Weiße Haus begleitet und genau kontrolliert worden. Er habe sein Smartphone nicht in das Oval Office mitgenommen und sei dort ztusammen mit einer Fotografin des Weißen Hauses gewesen:

There was nothing unusual about the photoshoot with Trump and Lavrov. Everything was typical. After the meeting with Tillerson I was taken by a US representative to the White House. I was scanned, patted down, and then sniffed by canines. Then I was waiting for the arrival of our delegation in a room in the White House. I was introduced to a female photographer who works there and was told to stay by her side as she knows all the protocol details. I took only two cameras to the photoshoot, I left all my stuff, including my cellphone, in another room as I was told to do.

Das klingt dann doch schon symmetrischer und würde bedeuten, dass das Weiße Haus schlicht keine Bilder vom Treffen veröffentlichen wollte. Lawrow betonte nach dem Treffen, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und den USA während der Obama-Regierung verschlechtert hätten, während Trump nun gesagt habe, sie zu verbessern und nach Lösungen von Konflikten zu suchen. In Syrien sei es zu Übereinstimmungen im Konzept der Sicherheitszonen gekommen. Das aber interessiert die Trump-kritischen US-Medien kaum, die den Bilderkrieg schüren oder womöglich verhindern wollen, dass es zu einer Annäherung der amerikanischen Regierung mit dem ausgemachten Bösen kommt.