Russland: Feindbild, Trugbild, Abbild?

Militärparade am 9. Mai zum Jahrdestag des Siegs im "Großen Vaterländischen Krieg". Bild: Kreml

Bei einer Russland-Debatte mit Fachleuten in Hannover gab es spannende Diskussionen, aber auch unversöhnliche Konfliktlinien

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Welches Bild haben wir von Russland? Kein eindeutiges, kann man sicher sagen. Die deutsche Bevölkerung spaltet sich auf, wenn es um Fragen zu Russland geht. Höchstens das Bild von den USA sorgt hierzulande noch für vergleichbares Diskussionspotenzial. Von erbitterten Russlandgegnern über Menschen mit ambivalentem Russlandbild bis hin zu treuen Freunden des Landes sind in Deutschland zahlreiche Haltungen vertreten.

Bei einer Veranstaltung an der Universität Hannover trafen nun Experten und Zuhörer ganz verschiedener Russlandperspektiven aufeinander und diskutierten "Bilder von Russland, Bilder von Deutschland". Eingeladen hatte der "Verein für Geschichte des Weltsystems". Die gut fünfstündige Debatte brachte viel Erhellendes, zeigte im Lauf der Zeit aber auch immer stärker unversöhnliche Konfliktlinien auf.

Positives Deutschenbild und erstaunliche Zugeständnisse

Die freie Journalistin Gemma Pörzgen gehört wohl zur ambivalenten Fraktion. Selbst in Moskau als Korrespondententochter aufgewachsen, und bis heute mit Kontakten und Freundschaften dem Land verbunden, gilt sie gleichzeitig als strenge Gegnerin des russischen Präsidenten Wladimir Putin und seiner Partei. Viele russlandfreundliche Linke in Deutschland hätten bis heute nicht verstanden, dass Putin ein reaktionärer, nationalistischer Politiker sei, der sich mit Alexander Gauland (AfD) politisch sicher besser verstehe als mit Sahra Wagenknecht (Die.Linke), sagte Pörzgen.

Zuvor sprach sie über das Bild, das in Russland von "den Deutschen" vorherrsche. Dieses sei genauso wie umgekehrt von vielen Klischees geprägt. Die Deutschen gelten in Russland allgemein als arbeitsam und pünktlich aber auch als oberlehrerhaft und langweilig, erklärte Pörzgen. Trotz der massiven deutschen Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges in Russland und anderen Teilen der Sowjetunion hätten die Russen in den folgenden Jahrzehnten ein positives Deutschenbild entwickelt. Dies führte zu "erstaunlichen russischen Zugeständnissen" bei der deutschen Wiedervereinigung und beim Nato-Beitritt Ostdeutschlands.

Deutschlands "Nein" zum Irakkrieg 2003 sei in Russland begrüßt und als Unabhängigkeit von Washington gewürdigt worden. Kein westliches Land sei um die Jahrtausendwende in Russland so beliebt gewesen wie Deutschland, konstatierte die Journalistin. Übrigens auch Wladimir Putins Töchter Maria und Jekaterina besuchten die deutsche Schule in Moskau und legten dort ihr Abitur ab. In gut zehn Prozent aller russischen Schulen ist Deutsch die Fremdsprache Nummer eins.