US-Außenministerium wirft Assad Verschleierung von Massentötungen vor

Screenshot der Pressekonferenz von Stuart Jones. Quelle: US-State-Department

Mit alten Satellitenfotos wird der Druck auf die syrische Regierung und besonders auf Russland und Iran erhöht. Dem Astana-Abkommen stehe man skeptisch gegenüber

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Es ist eine listige Anschuldigung, die Stuart (E.) Jones im Namen des US-Außenministeriums gegen Baschar al-Assad am Montag der versammelten Presse vortrug. Darin ist von "Krematorien" die Rede. Wie die Anklage dann in einem kleinen Schritt weiter verstanden werden kann, führt der Vizepräsident der US-Denkfabrik Brookings ("Quality. Independence. Impact"), Martin Indyk, auf seinem Twitter-Account vor: "Wären Sie zufrieden, wenn Assad weitere tausende politische Gefangene verbrennen darf?"

Tatsächlich geht es in der Anschuldigung Jones' aber um die Verbrennung von Leichen, nicht von Gefangenen. Dem Denkfabrik-Vize ist diese "Nuance" nicht sonderlich wichtig, ihm geht es vor allem darum, dass militärisch etwas unternommen wird: "Eine cruise missile könnte das Krematorium zerstören. Trump sollte Putin 24 Stunden geben, um es zu schließen, bevor es die USA tut."

Stuart Jones Vorwurf ist im Kern etwa so lang wie sein Titel (Acting Assistant Secretary of State for the Bureau of Near Eastern Affairs): In Assads Foltergefängnis werden Leichen verbrannt, um Spuren zu verwischen. Der Vorwurf macht Überschriften in großen US-Medien, in der Washington Post wie in der New York Times, beide Male mit dem Signalwort "Krematorium" im Titel, das eine Verbindung zwischen Nazi-Deutschland und der syrischen Regierung evoziert.

Alte Fotos, ein neuer politischer Angriff

Die politische Stoßrichtung ist evident, wie steht es mit Beweisen? Für die Existenz eines Krematoriums legt das Außenministerium eine Luftaufnahme des syrischen Militärgefängnisses Saydnaya im Winter vor. Anlage und Umgebung ist von Schnee bedeckt, nur das Dach eines Gebäudes nicht. Dort ist der Schnee geschmolzen, was als Hinweis auf das Krematorium gedeutet wird.

Das Satelliten-Foto, leider wie andere auch nur in AP-Berichten veröffentlicht, nicht auf der State-Department-Seite, stammt vom 8. Januar 2015. Warum hat die US-Regierung so lange mit der Veröffentlichung gewartet?

Man weiß es nicht. Die Verbrennung der Leichen soll die Spuren zu einem größeren Verbrechen tilgen: Massentötungen von Tausenden von Gefangenen, wie die AP von Jones' Präsentation berichtet. Jones erzählt es so:

Das syrische Regime hat die außergerichtliche Tötung von Tausenden von Gefangenen im Militärgefängnis Saydnaya bewilligt. Dazu wurden die Gefangenen in Massen erhängt. (…) Das Regime hält bis zu 70 Gefangene in Saydnaya in Zellen, die nur Platz für 5 Personen haben. Laut mehreren Quellen ist das Regime für das Töten von etwa 50 Personen täglich in Saydnaya verantwortlich. Glaubhafte Quellen sind davon ausgegangen, dass viele der Toten in Massengräber begraben wurden. Wir sind nun der Überzeugung, dass das syrische Regime ein Krematorium im Saydnaya-Gefängniskomplex installiert hat, das die Überreste der Gefangenen beseitigt ohne groß Spuren zu hinterlassen.

Stuart Jones, US-Außenministerium

Zur Erinnerung: Anfang dieses Jahres machte ein Bericht Amnesty International weltweite Schlagzeilen mit dem Vorwurf, dass Saydnaya ein "Schlachthaus" sei, wohin Gefangene ohne Gerichtsurteile hin verschleppt und gefoltert werden, oft bis zum Tode. Auch von den Massenhängungen war darin die Rede (siehe: Folter und Hinrichtungen: AI erhebt schwere Vorwürfe gegen syrische Regierung).

Dies ist, wie Jones selbst erwähnt, eine der "mehreren" und "glaubwürdigen" Quellen, die zu den "Fakten" beigetragen haben, die er präsentiert. Nicht erwähnt hat Jones, dass es zum Amnesty-Bericht eine ganze Menge begründeter Einwände gab (siehe Folter und Massen-Hinrichtungen: Vorwürfe gegen den Amnesty-Bericht), die darauf hinausliefen, dass die Grundlagen des Berichts, seine Zahlen und Quellen, sich bei genauerem Hinsehen als dünn, angreifbar und parteiisch herausstellten. Die syrische Regierung hatte damals die Anschuldigungen vehement zurückgewiesen.

Eine lange Liste

Jones kompensiert die dünne Beweisdecke mit der für solche Fälle üblichen Rhetorik: so dick auftragen wie möglich. Er hält dem Assad-Regime eine ganze Liste von Vergehen vor. "Seit 2012 regelmäßige Luftangriffe und Artilleriefeuer auf dicht besiedelte urbane Zentren, Fassbomben, (…), systematische, mehrfache Angriffe auf Krankenhäuser in Aleppo (…), dazu die Verschleppung und Folterung von Zivilisten, Prügel, Elektroschocks, Vergewaltigungen (…)".

Er erwähnt auch den Fotografen Caesar, über 100.000 Verschleppte laut NGOs und selbstverständlich auch den Giftgasangriff vom 4.April, den er der syrischen Regierung zuschreibt, was noch immer nicht erwiesen ist.

Der "Karriere-Diplomat", wie er häufig bezeichnet wird, lernte offensichtlich viel in seinen beiden Dienstjahren ab 1994 als spezieller Assistent bei Madeleine Albright, damals UN-Botschafterin. Später wurde er von George W. Bush in den Nationalen Sicherheitsrat geholt, Obama machte ihn zum Botschafter im Irak. Man könnte ihn wahrscheinlich einer bestimmten Gruppe im Außenministerium zuordnen.

Seine Pressekonferenz hatte eine eindeutige politische Botschaft: Assad wurde erneut als untragbarer Verbrecher geschildert und Russland wie auch Iran in die Verantwortung genommen, in einer Angelegenheit, die laut Jones die nationalen Sicherheitsinteressen der USA und ihrer Verbündeten bedrohen1.