Erdogan bei Trump: Im Westen nichts Neues?

Erdogan-Anhänger, darunter angeblich auch Leibwächter Erdogans, gehen mit brutaler Gewalt gegen Demonstranten vor der türkischen Botschaft vor. Screenshot aus dem VOA-Video

Erdogans Forderungen werden ignoriert, Gülen mischt sich ein

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat ein besonderes Talent dafür, unangenehme Bilder zu liefern. Sein gestriger Besuch bei US-Präsident Donald Trump machte da keine Ausnahme. Während die Staatschefs sich im Weißen Haus trafen, fand auf der Straße eine Demonstration gegen Erdogans Politik statt. Einige Männer aus Erdogans Entourage gingen auf die Demonstranten los und prügelten auf sie ein, bis die Washingtoner Polizei dazwischen ging (Video). Neun Personen wurden dabei verletzt.

Im Vorfeld des Treffens haben Erdogan und sein engster Kreis wie üblich große Schritte angekündigt. Man werde aus der Anti-IS-Koalition aussteigen, sollten die USA weiterhin den syrischen PKK-Ableger YPG bewaffnen und unterstützen. Ministerpräsident Binali Yildirim hatte den USA gar "negative Konsequenzen" angedroht.

Die AKP ist in einer schwierigen Lage. Zum einen hatte sie im Wahlkampf groß getönt, sie werden die IS-Hauptstadt Raqqa angreifen. Zum anderen hatte sie sowohl die USA als auch Russland immer wieder aufgefordert, die Kooperation mit kurdischen Milizen zu beenden. Das interessierte bislang aber weder Trump noch Putin. Im Gegenteil. Beide bekräftigten zuletzt ihre Unterstützung für die YPG.

Bild: Weißes Haus

Bei dem Treffen am Dienstag ignorierte Trump dieses Anliegen Erdogans gänzlich. Stattdessen verlor er sich wie üblich in inhaltsleeren Floskeln, bekräftigte aber den "gemeinsamen Kampf gegen den Terror". Ob beide Seiten darunter dasselbe verstehen, darf aber bezweifelt werden.

Auch die zweite Kernforderung Erdogans - die Auslieferung Fethullah Gülens - kam seitens Trump nicht zur Sprache. Die AKP macht den in den USA lebenden Fethullah Gülen für den Putschversuch von 2016 verantwortlich, hat dafür aber bislang keine Beweise vorgelegt. In den letzten Monaten waren immer wieder türkische Außenpolitiker nach Washington gereist, um Gülens Auslieferung zu erwirken.

Ein besonderer Affront muss es daher für Erdogan gewesen sein, dass Gülen pünktlich zum Staatsbesuch einen Artikel in der Washington Post veröffentlichte, in dem er Erdogan indirekt als Diktator bezeichnet. Die Türkei sei "dominiert von einem Präsidenten, der alles tut, um Macht anzuhäufen und Widerspruch zu unterdrücken". Das Land sei an die "demokratischen Normen der NATO" gebunden, schreibt Gülen und fordert die EU sowie die USA dazu auf, die Opposition zu unterstützen, um das Land "auf den demokratischen Weg" zurückzuführen.

Es ist ein moderater Kommentar, der aber konkrete Forderungen enthält. Die wichtigste Botschaft an Erdogan steht aber nicht im Text, sondern ist der Text selbst und der Zeitpunkt seiner Veröffentlichung. Mit einer Auslieferung dürfte Erdogan so bald wohl nicht rechnen. Er kehrt in jeder Hinsicht mit leeren Händen nach Ankara zurück. Im Gepäck hat er lediglich eine Forderung von Trump: Der erwartet, dass die Türkei den amerikanischen Pastor Andrew Brunson freilässt. Er war im Dezember 2016 unter dem Vorwurf der Gülen-Anhängerschaft verhaftet.