Mosul: Warten auf das Zeichen vom schiefen Turm

Das Minarett der Al-Nuri-Moschee, in der al-Bagdadi 2014 das Kalifat ausgerufen hatte. Screenshot, Twitter

Bis Beginn des Ramadan will die irakische Armee die Stadt zurückerobert haben. Die UN fürchtet weitere 200.000 Flüchtlinge. Bislang zählt sie fast 700.000

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ende Oktober letzten Jahres hat die militärische Offensive zur Befreiung Mosuls aus der Herrschaft des IS laut UN begonnen. Seither sind etwa 700.000 Menschen aus der Stadt geflohen, teilt Lise Grande, die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe im Iraq, mit. Allein aus West-Mosul seien 500.000 geflohen. Grande rechnet mit weiteren bis zu 200.000 Flüchtenden in der nächsten Zeit.

Geht es nach Informationen von Reuters, so haben die irakischen Streitkräfte die IS-Milizen aus dem allergrößten Teil des Stadtgebiets bereits vertrieben - bis auf immerhin 12 km2. Die Altstadt befinde sich noch unter der Kontrolle des IS. Dort werden demnach etwa 200.000 Einwohner vermutet.

Man weiß seit dem Krieg in Aleppo, wie ungenau solche Zahlen sein können. An der Situationsbeschreibung der UN-Koordinatorin dürfte es allerdings wenig Zweifel geben. Die Menge der Flüchtenden sei überwältigend, sie würden aus sehr schwierigen Umständen fliehen und die Helfer hätten größte Mühe, die wachsende Zahl der Geflüchteten ausreichend zu versorgen.

Die schwarze Flagge soll bis Ende Mai weg

Noch vor Beginn des heiligen Monats Ramadan, Ende Mai, will die irakische Armee die vollständige Eroberung Mosuls feiern, ist dem Reuters-Bericht zu entnehmen. Das wäre in weniger als zwei Wochen. Die Informationslage in Mosul ist schwierig. In der engen Altstadt wird anscheinend um jedes Haus gekämpft, die Rückeroberung geht nur sehr langsam vonstatten. Ein Bild über die Verhältnisse kann man sich bei diesem Video machen, das das schiefe Minarett der al-Nuri-Moschee zeigt, dazu die Umgebung und einen Ausschnitt der Kämpfe.

Auf dem Minarett weht noch immer die schwarze IS-Flagge. Seit mehreren Wochen schon wird das Aufpflanzen der irakischen Flagge an diesem hochsymbolischen Ort als ein Zeichen ausgerufen, das der Öffentlichkeit die Niederlage des IS dokumentieren soll (siehe: Mosul: Brutaler Häuserkampf). Seit Wochen ist sie gemäß den Videos, die auf Twitter von der aktuellen Lage berichten, stets in nächster Sichtweite.

Erfolge und Autobomben

Es werden Erfolge gemeldet, die dritte Brücke sei erobert worden. Auf der aktuellen Lage-Karte ist das Gebiet, das vom IS im Westteil der Stadt gehalten wird, auf einen ziemlich kleinen Flecken geschrumpft. Ein Drittel des noch vom IS kontrollierten Najjar-Distrikt sei in einem "Blitzkrieg" der irakischen Elitekräfte erobert worden, meldet Haidar Sumeri, einer der auffallendsten "Twitter-Berichterstatter" der militärischen Vorgänge in Mosul. Müßig darauf hinzuweisen, dass seine Nachrichten von außen nicht zu verifizieren sind und natürlich Parteinahmen mit im Spiel sind. Es gibt freilich auch Twitter-Accounts mit Sympathie für Erfolge des IS und andere Dschihadisten.

Sie zeigen demoralisierte irakische Soldaten und Bilder von Lastwagenbomben, die mit großer Wucht in den Straßen Westmosuls explodieren, während die andere Seite, zum Beispiel der Twitter-Account Iraqi Day Helden zeigt, die Sprengfallen vereiteln. Ein genaues Lagebild ist aus solchen Fragmenten und kriegspropagandistisch motivierten Kurzmeldungen nicht zu gewinnen.

"Noch 1.000 IS-Milizen"

Auch die englisch-sprachige Webseite Iraqi News hat ein moralisches Interesse daran, die Erfolge der irakischen Truppen herauszustreichen. Ihr jüngster Bericht über die Eroberung des "Washington Militärflughafens" in der westlichen Umgebung Mosuls deckt sich mit anderen Erfolgsmeldungen auf den genannten Twitter-Stationen, die darauf hindeuten, dass es den schiitischen Milizen, den sogenannten PMU, offizieller Teil der irakischen Armee, in den letzten Tagen gelungen ist viele Ortschaften im westlichen Umland von Mosul aus den Händen von IS-Milizen zu erobern.

Laut Aussagen des irakischen Generals Yahya Rasool, der den Beginn der Mosul-Offensive vor fünf Monaten ansetzt, haben die irakischen Streitkräfte und kurdische Verbündete in dieser Zeit 16.467 IS-Milizen getötet, meldet Rudaw. Dort heißt es unter Berufung auf die Aussage eines US-Sprechers der Anti-IS-Koalition, dass sich noch 1.000 IS-Milizen in Mosul aufhalten.