Der große Fischzug

EIRADO DO COSTAL im Heimathafen von Cangas. Der spanische Trawler fischt unter anderem im Rahmen des FPAs mit Grönland, das eine gewisse Sonderstellung einnimmt: ein Teil der innerhalb des Abkommens zugestandenen Quote nutzt die EU als Tauschobjekt, um den Zugang zu Fischgründen vor Norwegen und den Färöer-Inseln zu sichern. Bild: Bernd Schröder

Von den Besonderheiten der EU-Fischerei außerhalb ihrer eigenen Gewässer

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Während die Europäische Union in den Gewässern der Gemeinschaft offiziell darauf bedacht ist, die durch Überfischung beeinträchtigte eigene Meeresfauna wiederherzustellen, gehen ihre potentesten Fischereifahrzeuge auf Fangfahrten in andere Erdteile, um die Versorgung Europas mit essbaren Meerestieren sicherzustellen. Ein wesentlicher Anteil dieser Fänge entstammt partnerschaftlichen Fischereiabkommen der Europäischen Union mit Entwicklungsländern. In den Abkommen gewinnt der Fang tropischer Thunfische ständig an Bedeutung.

Als das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen 1982 in Kraft trat und immer mehr Küstenanlieger in der Folge die Souveränität über ihre auf nun 200-Seemeilen ausgeweitete ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) beanspruchten, kamen 90% der Fischbestände der Welt unter Kontrolle der Küstenstaaten. Fangflotten ferner Länder, die bisher hier fischten, waren nun gezwungen, mit den Anrainern in Verhandlungen um Zugangsrechte zu treten. Das galt auch für europäische Boote, die seit dem Aufkommen der Fischdampfer zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter anderem vor Afrika fischten. Europäischen Fangflotten fingen zwischen 1970 und 1980 allein vor Westafrika im Schnitt drei Millionen Tonnen jährlich.

Die Versorgung des europäischen Marktes wird heute durch EU-eigene Fänge, Aquakultur und Importe sichergestellt - nach Angaben der EU für die Jahre 2008 - 2012 mit einer Selbstversorgungsquote von 45%. Bei Fischereiprodukten hat das Handelsdefizit der EU 2015 mit 17.8 Milliarden Euro einen historischen Rekordwert erreicht. Heute stammen mehr als 70% der in der EU konsumierten Meereslebewesen aus Gewässern außerhalb der Union, oftmals aus denen von Entwicklungsländern.

Während die EU versucht, die Fauna der eigenen, als größtenteils überfischt geltenden Territorialgewässer wiederzubeleben, exportiert sie den Fischereidruck in andere Teile der Welt: durch bilaterale (oder neuer: partnerschaftliche) Fischereiabkommen zwischen der EU und Küstenanrainern (FPA - Fisheries Partnership Agreement), bei Fanggebieten auf hoher See durch Erwerb von Fischereirechten bei der jeweils zuständigen Regionalen Organisation für das Fischereimanagement, oder durch private Vereinbarungen zwischen Firmen der EU und Drittstaaten. Von Letzteren ist relativ wenig bekannt.

Aus den anfänglichen bilateralen Fischereiabkommen wie etwa mit dem Senegal (1979) oder Guinea-Bissau (1980) wurden mit der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik von 2002 partnerschaftliche Fischereiabkommen. 2011 wurde eine Menschenrechtsklausel eingearbeitet. Die Reform von 2014 fügte schließlich noch den Zusatz "nachhaltig" hinzu.

Etwa die Hälfte der von EU-Fischereifahrzeugen in der Ferne gefangenen Fische ist partnerschaftlichen Fischereiabkommen zu verdanken. Der Begriff FPA suggeriert eine gewisse Nähe zu den Freihandelsabkommen der EU mit Entwicklungsländern (EPA - Economic Partnership Agreement). Nicht von ungefähr, denn auch bei den FPAs geht es um die Sicherung des Zugangs zu Ressourcen, im konkreten Fall: zum Fisch.

Kursierende Zahlen zur EU-Fernflottengröße

Operieren EU-Fischereifahrzeuge außerhalb der gemeinschaftlichen Gewässer, benötigen sie im Rahmen der europäischen Fischerei-Autorisierungsverordnung eine Lizenz. Die Verordnung gilt hinsichtlich privater Fischerei-Abkommen als wenig transparent. Über die Anzahl europäischer Fischereifahrzeuge, die in ihrer Summe die Fernflotte bilden, gibt es unterschiedlichen Definitionen geschuldete, voneinander mitunter stark abweichende Angaben.

Zahlen der Europäischen Kommission gehen für 2013 beispielsweise von 298 Fischereifahrzeugen (länger als 24 Meter) in der Fernflotte aus. Gleichzeitig rät sie, das damit verbundene Zahlenmaterial mit Vorsicht zu genießen, da die Verfügbarkeit von Daten begrenzt sei, auch aufgrund von eingebauten Vertraulichkeitsklauseln. Wirtschaftlich sensible Daten werden geschützt, indem Boote in Datensammlungen vernachlässigt werden oder in anderen Flottensegmenten zusammengefasst auftauchen.

Diese Fernflotte hat einen Anteil von 15% am europäischen Gesamtfang von fast fünf Millionen Tonnen pro Jahr. 6000 europäische Fischer haben hier Arbeit, das sind 4% aller in der Fischerei Beschäftigten. Der Teil der EU-Fernflotte, der sich im Rahmen von FPAs auf Fangreisen befindet, wurde von der Europäischen Kommission für 2014 auf 245 Fischereifahrzeuge beziffert. Und obwohl dieses Flottensegment weniger als ein Prozent des Bootsbestands der europäischen Fischereiflotte ausmacht, vereint es hinsichtlich seiner Fangkapazität mit 18 % der Bruttoraumzahl und 7 % der Maschinenleistung Europas leistungsfähigste Fangschiffe.

Die 2015 von der Environmental Justice Foundation (EJF), Oceana und dem WWF ins Netz gestellte Datenbank "Who fishes far" will zu mehr Transparenz in der Fernfischerei beitragen. Sie listet unter anderem 22085 EU-Fischereifahrzeuge aller Größen auf, die zwischen 2008 und 2015 zum Fischen in den Außengewässern autorisiert waren.

Spanien betreibt die wirtschaftlich wichtigste europäische Fernfischerei

Die EU-Kommission vermengt die Daten noch in einer weiteren Kategorie, die der "anderen Fischereiregionen". Hier sind die Fernflotten zusammengefasst, die die offene See befischen, im Rahmen von bilateralen Abkommen unterwegs sind oder in den sieben "EU-Außengebieten" arbeiten. Zu letzteren zählen die Gewässer der französischen Übersee-Departments, der Kanarischen Inseln sowie die der Azoren und Madeira.

Spanien hält rund zwei Drittel aller EU-Lizenzen zum Fernfischen. 2.724 spanische Boote waren 2013 in den "anderen Fischereiregionen" tätig, darunter 110 Fischereifahrzeuge länger als 40 Meter, die das einträglichste Segment bilden - vor allem die großen Thun-Ringwadenfänger und Grundschleppnetz-Trawler. Im gleichen Jahr gingen den 16.400 Fischern der spanischen Auslands-Armada in "anderen Fischereiregionen" der Welt über 753.000 Tonnen Meerestiere ins Netz, geschätzter Wert: 1.6 Milliarden Euro.

Fangreviere der spanischen Fischerei-Armada 2010. Die vom Sea Around Us-Projekt gesammelten Daten machen das Ausmaß der Expansion der Fischfangflotten in neue Fanggründe in den vergangenen 60 Jahren sichtbar. Für die Spanier heute besonders lukrativ: der Thunfischfang im Westindischen Ozean und vor Westafrika. Bild: Sea Around Us.