US-Luftangriffe auf syrische Truppen

Bild: Operation Inherent Resolve

At-Tanif: Die US-Koalition beruft sich auf ein Verteidigungsrecht in einem fremden Land - im Namen des "Kampfes gegen den IS"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im Namen des Kampfes gegen den IS geschehen seltsame Dinge. Die USA haben am Donnerstag Luftangriffe auf syrische Truppen und deren Verbündete auf syrischem Territorium geflogen und stellen dies als Verteidigungsaktion dar. Die USA und ihre Partner seien bedroht gewesen. Der Anlass ihres illegalen Aufenthalts auf dem syrischen Staatsgebiet? "Engaged in the fight against ISIS", laut einer offiziellen Erklärung seitens der Operation Inherent Resolve.

Dass die Präsenz von US-Truppen und Anti-Assad-Milizen in der Grenzstadt al-Tanf (oder korrekt: at-Tanf) im Gegensatz zur Präsenz und auch der Bewegungsfreiheit der syrischen Truppen keinerlei rechtliches Fundament hat, erwähnt das Statement der US-geführten Operation nicht. Ebenso wenig, ob der Angriff Tote oder Verletzte zur Folge hatte.

Die Rede ist im Statement von "Warnschüssen" und davon, dass Russland zuvor versucht habe, die Regierungstruppen von ihrem Vormarsch in Richtung at-Tanf abzubringen und im Weiteren, dass es in at-Tanf eine vereinbarte "de-confliction zone" gebe, die wirksam bleibe.

Scharfe Reaktionen von Russland und Syrien

Russlands Außenminister verurteilte den Angriff scharf. Die USA würden mit dem Angriff gegen Gesetze und Regeln verstoßen und erneut zeigen, dass sie mit der Opposition und Terroristen paktieren, warf ihnen Lawrow vor - und zudem eine Lüge: Russland habe keine Warnung erhalten, keine Vorab-Information darüber, dass die US-Luftwaffe einen Angriff vorhabe. Womit auch die Einflussnahme Russlands auf vorrückende Regierungstruppen eine Mär wäre. Sein Stellvertreter Gennady Gatilow sprach von einer Verschärfung der Situation in Syrien.

Die Meldung der syrischen Nachrichtenagentur Sana berichtet von einer "Anzahl Toter", ohne die Zahl und die Quelle der Meldung näher zu präzisieren. Der syrische UN-Botschafter Jaafari bezeichnete den Angriff als "Massaker".

"De-confliction zone"

Im den Vereinbarungen, die in Astana zu Deeskalationszonen getroffen wurden, wird der Grenzübergang bei at-Tanf nicht als solche ausgewiesen. Ein CBS-Bericht spricht davon, dass dort eine sogenannte "de-confliction zone" zwischen Russland und den USA im Zusammenhang mit Flugregelungen vereinbart worden sei. Der Bericht bleibt in der Sache und den Verweisen allerdings vage.

Das berührt einen brisanten Punkt: Wenn die Vereinbarungen über den Austausch von Informationen über Flugzeugeinstätze in Syrien zwischen den USA und Russland intakt sind, dann hätte Russland Bescheid wissen müssen. Lawrows Statement verneint dies.

Eine sehr verquere Sicht

Deutlich wird nur die von der US-Regierung verbreitete Auffassung: "Das syrische Regime hat die Zone zweimal in den letzten Tagen verletzt", wie der eingebettete CBS-Korrespondent wiedergibt.

Dies ist eine sehr verquere Sicht der Dinge. Die syrischen Truppen kämpfen dort gegen den IS. Als verbündete Milizen werden schiitische Kampftruppen genannt die Saraya Al-‘Areen, das Imam Al-‘Ali Regiment und die Nationalen Verteidigungskräfte.

Dass die syrische Armee und Verbündete in der syrischen Wüste gegen den IS und al-Nusra kämpfen, hängt damit zusammen, dass ihnen die Waffenruhe in den "Deeskalationszonen" den Freiraum gab, um Offensiven in diesem Gebiet zu unternehmen. Damit verbunden ist die Befreiung von Deir ez-Zor, was ein bedeutender Schritt für die Befreiung des Landes vom IS wäre.

At-Tanf liegt an der Grenze zu Jordanien. "Es ist eine Straße, nichts weiter", schreibt Elijah J. Magnier, der den Ort kennt. Für die USA ist es mehr: Dort ist seit längerem die von ihnen geschaffene "neue syrische Armee" stationiert, eine Oppositionsmiliz namens Maghaweir Al-Thowra oder "Kommando der Revolution", die von US-Spezialtruppen unterstützt wird.

Risiko einer Konfrontation mit Russland

Sie leben mehr oder weniger zusammen, wie aus einem kürzlich erschienenen Buzzfeed-Bericht hervorgeht, ebenfalls ein "geprüfter" ("vetted") Partner, ist eine Miliz namens Shuhada al-Qaryatayn. Im Bericht ist auch zu erfahren, dass der Aktionsbereich bis nach Albu Kamal (an der irakischen Grenze) reicht, wo ebenfalls von einem Luftangriff der US-geführten Koalition berichtet wird.

Erwähnt wird im Buzzfeed-Bericht, dass auch das militärische Ziel der von US-Elitesoldaten beratenen und begleiteten Milizen Deir-ez-Zor sei - und dass Konfrontationen mit syrischen Regierungseinheiten jederzeit möglich sind. Man operiere sehr nah.

Im großen Bild fügt sich dies mit Analysen des genannten Elijah Magnier, der die Interessen der USA beschreibt, in dieser Zone ihren Einfluss auszubauen, letztendlich mit dem Risiko einer militärischen Konfrontation mit Russland.

Nach Informationen des Blogs Moon of Alabama sind auch britische Eliteeinheiten mit im strategischen Game in dieser Zone.