Trump-Berichterstattung: Überwiegend negativ, nur ein Drittel der Beiträge neutral

Richtigstellung eines Artikels zu einer Studie des Shorenstein Center

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Für Medien sind Studien oft eine feine Angelegenheit. Schließlich kann man davon ausgehen, dass sich Wissenschaftler intensiv mit einem Thema oder Sachverhalt auseinandergesetzt haben, um dann, so könnte man meinen, wissenschaftlich fundiert, ihre Forschungsergebnisse zu präsentieren. Wenn die Studienergebnisse dann auch noch quadratisch, praktisch, rund aufbereitet veröffentlicht werden, freut sich der Journalist, denn: Im oft stressigen Redaktionsalltag, der häufig genug kaum Zeit bietet, um sich tiefer mit einem Thema zu beschäftigen, sind sie ein sehr willkommener Happen, der sich gerne aufnehmen lässt.

Zwischen drei Telefonaten und einer Redaktionskonferenz quer durch die veröffentlichten Daten gelesen, eine kurze Zeit zum Schreiben investiert, eine flotte Überschrift gewerkelt und schon steht ein Artikel, der, wenn die Studie auch journalistische Vorstellungen bedient, eine pointierte Aussage bietet.

Dass beim Umgang mit Studien Vorsicht geboten ist, Journalisten besser daran täten, sich mit ihnen auf eine Weise zu beschäftigten, als müssten sie ein Boot auf einem Wasserweg bewegen, der von vielen Untiefen und Riffen durchzogen ist, zeigt eine aktuelle Harvard-Studie, über die auch Telepolis falsch berichtet hat.

In der Studie, die sich mit der Berichterstattung zentraler US-amerikanischer und europäischer Medien beschäftigt, geht es um die Berichterstattung der Leitmedien zu Donald Trump. Die Macher der Studie wollten wissen, wie sich das Verhältnis zwischen negativer und positiver Berichterstattung im Hinblick auf den US-Präsidenten während der ersten 100 Tage im Amt zueinander verhält.

Das Shorenstein Center on Media, Politics and Public Policy der Harvard Kennedy School informierte über die Studie. Das Ergebnis: Die untersuchten "Medien" (genauer müsste es heißen: einzelnen Nachrichtenformate; dazu gleich mehr) berichteten größtenteils negativ über Trump.

Wenn nun das Shorenstein Center eine Grafik veröffentlicht, in der zu sehen ist, dass "die ARD" zu 98 Prozent, "CNN" zu 93 Prozent oder etwa die "New York Times" zu 87 Prozent negativ über Trump berichtet hat, dann scheinen die Ergebnisse eine klare Sprache zu sprechen.

Auch wenn in der Studie davon die Rede ist, dass sie nicht erlaube, Rückschlüsse darauf zu ziehen, ob die Berichterstattung "fair und ausgewogen" war, weil man sich hierzu erst einmal auf eine Form der Wirklichkeit einigen müsste, schreit die Untersuchung förmlich nach dem Gedanken, dass hier auch ein nichtausbalancierter Journalismus sichtbar wird.

Missverständnisse und Fehlinterpretationen liegen nahe. Doch das Problem der Studie findet sich zunächst nicht so sehr in ihren Tiefen, es liegt bereits an einer oberflächlichen Stelle.

Die Untersuchungsergebnisse beziehen sich nicht, wie in der Grafik dargestellt, auf "die ARD", sondern nur auf eines der Nachrichtenformate, das der Sender anbietet. Nämlich die Tagesthemen - das erfuhr der Medienjournalist Stefan Niggemeier, der die Studienergebnisse hinterfragt hat. Außerdem bestätigte dies Professor Thomas Patterson, der für die Studie verantwortlich ist, gegenüber Telepolis.

Während Telepolis zunächst noch davon schrieb, dass "die Journalismusforscher auch die ARD mit ihren Nachrichtenformaten in den Blickpunkt" rückten, war im weiteren Verlauf des Artikels nur noch von "der ARD" bzw. dem "Ersten" die Rede. Das ist eine Verallgemeinerung, die die Studie, wie nun in Erfahrung gebracht, nicht zulässt und daher falsch ist. Außerdem: Die Untersuchung bezieht sich nicht auf alle Beiträge in den entsprechenden Nachrichtenformaten zu Trump, sondern nur auf die Beiträge, in denen eine Wertung vorgenommen wurde.

Niggemeier, der sich in einem Beitrag auf Übermedien mit der Berichterstattung zu der Studie auseinandersetzt, und dabei auch Telepolis vorwirft, "zumindest irreführend" berichtet zu haben, verweist außerdem darauf, dass die Studie nicht nur negative und positive Berichte identifizieren konnte, sondern auch "neutrale" - auch von den Tagesthemen. Darauf wird unter der Grafik kleingedruckt hingewiesen. Genauer gesagt heißt es: "Die Prozentangaben beinhalten nicht jene Nachrichten, die im Ton neutral waren und die etwa ein Drittel der Nachrichten ausmachten."

Telepolis hat diese Anmerkung übersehen. Der Hinweis hierauf ist wichtig, weil so der falsche Eindruck entstehen kann, dass es keinerlei "neutrale" Berichte zu Trump gab.

Gegenüber Telepolis erklärte Patterson, dass die Nachrichten, die im Ton neutral waren, herausgenommen wurden, um einen Vergleich zu früheren Untersuchungen zu ermöglichen, bei denen ebenfalls die neutralen Berichte nicht einbezogen wurden.

Der Anteil der neutral gehaltenen Berichte sieht wie folgt aus:

  • Januar: 30.00 Prozent
  • Februar: 33.73 Prozent
  • März: 30.19 Prozent
  • April: 53.85 Prozent (in dem Monat ordnete Trump den Abschuss von Cruise Missiles auf eine syrische Luftwaffenbasis an)

Wirklich problematisch wird die Studie an der Stelle, an der zum Vorschein kommt, was ihre Macher zur "negativen Berichterstattung" zählten. Dazu gehörten nämlich auch Nachrichten, die sich auf Vorfälle bezogen haben, die man "objektiv" als negativ für Trump bezeichnen kann.

Der geneigte Leser dürfte wissen, dass unabhängig davon, ob sich ein Medium schnell und oberflächlich oder tiefergehend mit einer Studie beschäftigt, er selbst immer auch gut daran tut, Studien oder Statistiken so zu hinterfragen, wie es ein kritischer Mediennutzer mit der gesamten Berichterstattung tun sollte. Fehler, Falschdarstellungen, eine irreführende Berichterstattung usw. können viele Ursachen haben. Sie können in den Rahmenbedingungen zu finden sein, unter denen Journalismus entsteht. Sie können mit persönlichen Defiziten des Journalisten zu tun haben. Sie können aber auch auf bewusste Manipulation (aus welchen Gründen auch immer) oder Propaganda zurückzuführen sein.