Incirlik: "Dann werden wir ihnen freundlich auf Wiedersehen sagen"

Tornado der Bundeswehr. Bild: Julian Herzog/CC BY-4.0

CDU und SPD können sich nicht zu einer Abstimmung über die Verlegung der Bundeswehreinheiten entschließen

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Außenminister Gabriel wird am 5. Juni zu Gesprächen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu in die Türkei reisen. Thema soll die Besuchserlaubnis für Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen auf dem Militärstützpunkt Incirlik sein. In Brüssel erteilte die NATO Erdogan eine Absage, den nächsten NATO-Gipfel in der Türkei stattfinden zu lassen. Man möchte den Türken keine Bühne mehr für Inszenierungen geben.

Die Besuchsverweigerung von deutschen Politikern auf dem Militärstützpunkt dürfte bei dieser Entscheidung ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Aber die türkische Regierung ist nach wie vor der Meinung, das Drehbuch in der Hand zu haben. Außenminister Mevlüt Cavusoglu stellte im Vorfeld des Gespräches Bedingungen. Er erwarte von Deutschland "positive Schritte in Richtung Türkei".

Damit meint er vor allem die Auslieferung von Militärangehörigen und Beamten, die in Deutschland Asyl beantragt haben. Schließlich wollten die Deutschen ihre Bundeswehrsoldaten in Incirlik stationieren, sie wurden nicht darum gebeten, äußerte Cavusoglu.

Wir haben sie willkommen geheißen, als sie kamen, und wenn sie gehen, dann werden wir ihnen freundlich auf Wiedersehen sagen.

Mevlüt Cavusoglu

Die Erwartung der Türkei

Die türkische Regierung erwartet zudem Unterstützung der Bundesregierung bei der Verfolgung derjenigen Personen, die auf der Liste des türkischen Geheimdienstes MIT stehen und die dem Bundesnachrichtendienst ausgehändigt wurde. Hunderte von Namen standen darauf, zum Teil mit Fotos aus Überwachungskameras.

Die Personen, die auf der "Gülen-Liste" stehen, wurden vom Verfassungsschutz oder LKA informiert. Ein ungenannter Sprecher des LKA sagte, man müsse diese Listen sehr ernst nehmen:

Deswegen war für uns wichtig, diese Menschen zu warnen, damit sie wissen, wenn sie in die Türkei reisen, wenn sie türkisches Hoheitsgebiet betreten, dass möglicherweise Repressalien auf sie warten.

LKA-Sprecher

Mit Repressalien sind drohende Gefängnisstrafen gemeint, die Einführung der Todesstrafe steht ebenfalls im Raum. Die türkische Regierung legte bezüglich der Auslieferung von Gülen-Anhängern nochmals nach: Der türkische Justizminister kündigte an, dass alle Gülen-Verdächtigen, die sich im Ausland befänden und nicht innerhalb von drei Monaten zurückkehren würden, ausgebürgert würden.

"Doppelmoral"

Das gab es auch schon in den achtziger Jahren. Damals hatte das türkische Militär, das im September 1980 selbst putschte, ebenfalls tausende Menschen ausgebürgert. Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Ulla Jelpke wirft der Bundesregierung "schmutzige Doppelmoral" im Umgang mit den Listen vor:

Nach Angaben der Bundesregierung wurden - anders als im Falle der Gülen-Anhänger - die linken kurdischen oder türkischen Oppositionellen nicht davor gewarnt, dass sich ihre Namen auf Fahndungslisten des türkischen Geheimdienstes befinden.

Ulla Jelpke

Stattdessen wird deren Kriminalisierung weiter aktiv betrieben. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere will sogar mit der Türkei bei der Verfolgung kooperieren. Kein anderes europäisches Land geht so hart gegen vermeintliche PKK-Organisationen vor wie Deutschland. Allein schon für die Mitgliedschaft in einem vermeintlich PKK-nahen Verein - und das scheint für fast alle linken kurdischen Vereine zu gelten -, drohen harte Strafen.

Besänftigendes Verhalten

Tausende Verfahren gegen kurdische Aktivisten liefen und laufen immer noch mit der Anklage nach Paragraf 129b, wonach terroristische Vereinigungen verfolgt werden können, die im Ausland aktiv sind. Konkrete Taten müssen den Angeklagten nicht nachgewiesen werden. Dies bestätigen sowohl Fahnder wie auch Anwälte in Deutschland.

Nun hat de Maiziere auch das Zeigen von den Symbolen syrischer kurdischer Organisationen wie die führende Partei der demokratischen nordsyrischen Föderation und deren kurdische Selbstverteidigungseinheiten YPG und YPJ verboten, jene Einheiten, die von den USA mit Waffen für den Kampf gegen den IS ausgerüstet werden.

Konkret heißt das, dass die Bundesregierung Bürger, die auf der Fahndungsliste des MIT als linke, türkische oder kurdische Oppositionellen stehen, wissentlich Gefängnis, Folter oder Mord in der Türkei ausliefert. Denn Beweise für die Anschuldigungen liefert die Türkei bekanntlich nicht mit. Es reicht schon ein Tweet auf Twitter, um auf einer solchen Liste zu landen. Oder die Angaben von DITIB oder anderen AKP-nahen Organisationen wie z.B. der UETD.

Mit den islamischen Gülen-Organisationen scheint die Bundesregierung hingegen weniger Probleme zu haben, sie vor dem Zugriff der türkischen Justiz zu bewahren. Auch nach dem Bruch zwischen Erdogan und Gülen fanden im Auswärtigen Amt mehrere Gespräche mit Vertretern der als offizieller Ansprechpartner der Gülen-Bewegung firmierenden Stiftung "Dialog und Bildung" sowie des Gülen-nahen Bundesverbandes der Unternehmerverbände (BUV) statt. Noch im Dezember 2016, also 4 Monate nach dem Putschversuch, gab es Treffen mit Stiftungsvertretern "auf Arbeitsebene" im Bundesinnenministerium, so Ulla Jelpke.

Auch wenn der Ton der Bundesregierung gegenüber der Türkei rauer geworden zu sein scheint, wird weiterhin auf Besänftigung gesetzt. In den Medien wurde den Bundesbürgern verkauft, es gäbe Verhandlungs-Spielräume, schließlich dürften unsere Politiker immerhin den NATO-Stützpunkt in Konya besuchen. Allein, der Stützpunkt in Konya ist NATO-Hoheitsgebiet, da kann die Türkei keine Besuche verbieten.