Wir Migranten aus dem Nahen Osten

Die Germania in der Paulskirche aus dem Jahr 1848. Bild: gemeinfrei

Warum es keine Biodeutschen gibt

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Als "biodeutsch" bezeichnen Linke wie Rechte Deutsche ohne Migrationshintergrund. Die einen wollen auf weiße Privilegien aufmerksam machen, die anderen diese biologisch rechtfertigen. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen zeigen allerdings: eine biodeutsche Urgemeinschaft hat es nie gegeben.

Zuerst eine gute Nachricht: Die Populationsgröße jener Spezies, die sich hierzulande immer noch als "Arier" definiert und von der Vernichtung der "weißen Rasse" warnt, ist glücklicherweise auch in migrationskritischen Kreisen sehr gering. Ganz ausgestorben sind jene, die bei ihrem Kampf gegen die "Überfremdung des deutschen Volkes" auch an Gene und Abstammungslinien denken, dennoch nicht.

Vergangenen Monat wurde so ein selten gewordenes Exemplar zum Beispiel gesichtet. Auf seiner Facebook-Seite wandte sich der Greifswalder AfD-Politiker und Rechtsprofessor Ralph Weber gegen "alle Versuche, unser Volk durch Überfremdung mittels Zuwanderung auszutauschen" und forderte alle "Biodeutschen" auf, sich für die "deutsche Leitkultur" einzusetzen.

Biodeutsch. Was soll das sein? Eine Art reinrassige Kartoffel, in guter deutscher Erde gewachsen, frei von dem Befall durch invasive Arten? Das Weißkraut unter den Völkern? Der aktuelle Euphemismus für alle, die sich nicht trauen "Arier" zu sagen?

"Biodeutsch" sollte das Etikett für alle Etikettlosen sein

Der Begriff findet nicht nur in rechten Kreisen zunehmend Verbreitung. "Biodeutsch" findet sich genauso auf Antifa-Flyern wie auf Grünen-Parteitagen. Erfunden hat ihn vermutlich der Ulmer Kabarettist Muhsin Omurca. Populär wurde er allerdings erst durch eine Rede des Grünen-Politiker Cem Özdemirs, der ihn in im Jahr 2009 erstmals für Deutsche ohne Migrationshintergrund verwendete.

Die ursprüngliche Verwendung von "biodeutsch" war also gar keine rassistische. Im Gegenteil: Der Begriff sollte das "Privileg der Etikettenlosen" sichtbar machen, schrieb die taz-Kolumnistin Hilal Sezgin einmal. Wer bisher das Glück hatte, ohne Beinamen wie "mit Migrationshintergrund", "Deutsch-Türke" oder "Wo kommst du eigentlich her" durchs Leben laufen zu können, bekam nun durch "biodeutsch" ein Label verpasst, das seinen Status als Nicht-Diskriminierter erkennbar machte.

Heute besitzt der Begriff längst einen Doppelstatus: Verwenden die einen "biodeutsch", um Diskriminierung kenntlich zu machen, nutzen ihn die anderen, um Diskriminierung biologisch zu rechtfertigen.