Saudi-Arabien: Weißwaschung und Machtanspruch

News-Room-Kampfzone al-Jazeera. Bild: Wittylama / CC BY-SA 3.0

"Katar als Sündenbock" - Der Streit der Golfstaaten über Terrorunterstützung hat Dimensionen, die auch Deutschlands Waffenlieferungen betreffen

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Das 110-Milliarden-Waffengeschäft zwischen den USA und Saudi-Arabien, von dem seit dem arabischen-islamischen-amerikanischen Gipfeltreffen in Riad so viel die Rede ist, gibt es nicht, schreibt Bruce Riedel. "Fake News", sei das, oder "alte News, neu verpackt".

Riedel sprach mit seinen Kontakten im Waffen- (Defense)-Business, mit politischen Zirkel in Washington ("on the Hill"), alle hätte sie ihm das Gleiche gesagt. Es gebe eine Menge Absichtserklärungen, aber keine Verträge, Angebote aus der Waffenindustrie, aber nichts, was reif oder ernst genug wäre, damit der Senat eingeschaltet wird, um sich die Abmachungen anzuschauen.

Laut der Defense Security Cooperation Agency, einer Regierungsbehörde, die im Verteidigungsministerium für Waffengeschäfte zuständig ist, gehe es um "beabsichtigte Verkäufe". Keines der beabsichtigten Geschäfte sei neu, so Riedel, alle seien sie schon unter Obama angeleiert worden.

So etwa der Verkauf von vier Fregatten, die in der zum Verkauf geplanten Version noch gar nicht gebaut seien, auch das Interesse Saudi-Arabiens am THAAD-System gebe es seit Jahren, aber eben nicht in Vertragsform. Der Verkauf sei schon 2015 von Obama prinzipiell bewilligt worden. Ganz ähnlich sei die Situation beim anvisierten Verkauf von 150 Black-Hawk-Hubschraubern:

Was die Saudis und die US-Regierung machten, bestand darin, eine saudische Wunschliste möglicher Deals in ein fiktives Paket zu packen und dies als Geschäft zu darzustellen. Aber selbst in der Fiktion passen die Zahlen nicht. Es ist Fake News.

Bruce Riedel

Der PR-Info-Krieg

Diejenigen, die sich genauer für Hintergründe interessieren, wird diese "Enthüllung" nicht überraschen. Beachtlich ist aber der Zeitpunkt der Veröffentlichung und der Autor. Der Artikel mischt sich in einen Streit innerhalb des Golfkooperationsrates (GCC), bei dem Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Katar den Vorwurf machen, aus der Anti-Terror-Front auszuscheren.

Der Autor des "Waffendeal ist eine Fake News"-Artikels ist Mitglied des Think Tanks Brooking Institution, das von Katar kräftig mitfinanziert wird. Das enge Verhältnis spiegelt sich auch in der Brookings Dependance in Doha wieder.

Es gibt noch mehr US-Think Tanks, die vom Geld aus Katar profitieren. Ein Bericht der New York Times gibt einen Überblick. Genannt wird auch das Atlantic Council, dessen Mitarbeiter im Syrien-Konflikt sich mit wohlmeinenden Äußerungen zur bewaffneten syrischen Opposition hervortaten.

Schaut man genauer hin, so erfährt man, dass auch Saudi-Arabien und die VAE das Atlantic Council und andere Einfluss- und politische Script-Fabriken wie das Center for Strategic and International Studies mit viel Geld füttern. Auch Haaretz berichtet aktuell über solche Finanzhilfen aus Golfländern für die Denkfabriken.

Beide gegenwärtige Streitparteien, Saudi-Arabien wie Katar, gaben Geld an Think Tanks, die sich dadurch auszeichnen, dass sie mit der al-Nusra-Front in Syrien und anderen Gruppen, die beim Dschihad im land Assad al-Baschars mitwirken, nicht gerade hart ins Gericht gingen.

Beiderseitige Unterstützung von "terroristischen Gruppen"

Der Streit zwischen Saudi-Arabien, den VAE und Katar, ist ein lancierter, aller Wahrscheinlichkeit nach geplanter Streit. In ihm spielt die Öffentlichkeitsarbeit, die Darstellung des Konflikts in Medien, eine überragende Rolle. Saudi-Arabien verfügt durch al-Arabiya, andere Sender und diverse Tageszeitungen über sehr große Medienmacht in den arabischen Ländern. Katar steht dem hinten nach, doch selbst wenn al-Jazeera viel Einfluss verloren hat, so ist es noch ein Sender mit einem bekannten Namen. Zudem verfügt Katar über sehr gute Beziehungen zur politischen Szene in Washington.

Der Hauptanklagepunkt "Unterstützung terroristischer Gruppen" trifft nicht nur auf Katar zu, sondern auch auf Saudi-Arabien. Die Unterstützung geschieht auf vielen Ebenen, von Waffen- und Finanzhilfen bis zur eben angedeuteten PR-Arbeit, die beispielsweise Beteiligte des syrischen Dschihad wie die al-Nusra-Front, die nun unter dem Kosmetiknamen Hayat al Tahrir al-Sham agiert, im täuschend freundlichen Licht als Opposition des syrischen Volkes darstellt.

Saudi-Arabien nutzt die Darstellung Katars als Schurkenstaat, um es zu isolieren und den Blick von eigenen Verwicklungen in dschihadistische Bewegungen und Gruppen abzulenken. Katar wird als Sündenbock auf der internationalen Bühne platziert.

Möglich war dies durch Trumps aufsehenerregenden Schulterschluss mit Riad, der mit dem Milliarden-Waffendeal sein Siegel für die internationale Öffentlichkeit bekam. Dass sich Katar-affine Öffentlichkeitsarbeiter nun daran machen, diese "Trophäe" zu zerlegen, ist nur eine Facette des Info-Wars zwischen den Kontrahenten. Neben sensationellen Enthüllungsgeschichten gehören im Jahr 2017 auch Hacks und Leaks dazu.