IS bekennt sich zu den Anschlägen in Teheran

Screenshot, Amaq-Bekenner-Video, Twitter

Bisherige Bilanz: 12 Tote und 42 Verletzte. Es ist der nächste Angriff auf die Hauptstadt eines Landes, das den IS in Syrien bekämpft

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Die Angreifer im iranischen Parlament hatten erste weltweite Schlagzeilen gemacht (siehe Anschläge in Teheran), die Situation im Gebäude war noch unklar, da schickte der IS über Amaq schon die erste Erklärung in die Nachrichtenzirkel, dass man für die Aktion verantwortlich sei - in verschiedenen Sprachen und mit einem Video, das von den Angreifern als live feed offenbar direkt an die IS-Medien-Agentur gesendet wurde.

Gezeigt werden die mutmaßlichen Angreifer, die sich von Raum zu Raum bewegen, so die New-York-Times-Journalistin Rukmini Callimachi, die dort auf das Thema "IS/Terrorismus" spezialisiert ist. Vorsichtig fügt sie an, dass das Video selbst noch nicht authentifiziert sei. In Zeiten, wo katarischen Emiren Botschaften mit großer Wirkung angeblich per Hack eines Nachrichtensenders in den Mund gelegt werden, ist dies ein angebrachter Vorbehalt, den sich allerdings ihr französischer Kollege Wassim Nasr bei seinem Video-Verweis erspart.

Sollten die Amaq-Botschaften stimmen, so war es für den IS augenscheinlich von Bedeutung, dass die internationale Öffentlichkeit keinen Zweifel daran hat, wer für die Anschläge in der iranischen Hauptstadt verantwortlich ist. Nach London und Paris ist dies der nächste vom IS reklamierte Anschlag, der in einer Hauptstadt eines seiner Kriegsgegner in Syrien und im Irak durchgeführt wurde.

Attentäter im Parlament waren als Frauen verkleidet

Laut Informationen des staatlich finanzierte iranische Fernsehsender Press-TV gab die Anti-Terror-Abteilung des iranischen Geheimdienstministeriums bekannt, dass am heutigen Mittwoch mehrere Teams von Terroristen am frühen Morgen nach Teheran gekommen seien. Ein Team sei vorzeitig abgefangen worden, von den beiden anderen attackierten vier Personen das Parlament und mutmaßlich weitere vier Angreifer das Mausoleum von Khomeini, einem Symbol der iranischen Revolution.

Die iranische Nachrichtenagentur Irna meldet 12 Tote und 42 Verletzte als Zwischenbilanz. Man geht von abgestimmten Aktionen der Terroristen aus. Die Angreifer im Parlament hätten sich als Frauen verkleidet und seien über den Besuchereingang in das Gebäude gekommen, wo sie sofort losgefeuert hätten, äußerte der stellvertretende Innenminister Zolfaqari gegenüber FarsNews.

Die Nachrichtenagentur berichtet, dass drei Angreifer am Khomeini-Mausoleum ebenfalls um sich geschossen hätten und offensichtlich Besucher getroffen haben, eine vierte Angreiferin soll sich mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft gesprengt haben.

Dass sich mindestens - manche Berichte lassen offen, ob es noch weitere gab - eine Frau unter IS-Terroristen befand, wird von Dschihad-Experten, wie dem oben genannten französischen Journalisten Wadim Nasr, als "rar" bezeichnet, aber nicht ausgeschlossen.

Der Streit mit Saudi-Arabien

Andere deuten dies als Hinweis, dass die MEK mit im Spiel sein könnte. Mit MEK, Mudschahedin-e-Kalq, sind die Volksmudschahedin gemeint, die Fundamentalopposition zur iranischen Regierung stehen und schon mehrere Anschläge ausgeübt haben. Der Verweis auf die MEK ist allerdings auch ein häufig gebrauchter Schuldverweis, so dass die dahin gehende Spekulation im Bericht der iranischen Publikation Iran's View mit sehr großer Vorsicht zu handhaben ist. Zumal, wie die genannten New-York-Times-Journalistin berichtet, auf den Videos typischer IS-Sprachgebrauch zu hören sei.

Die Spekulation von Iran's View gründen sich auf die Beobachtung, dass beim MEK im Gegensatz zum IS öfter Frauen bei terroristischen Aktionen mitmachen. Bemerkenswert ist die politische Stoßrichtung, die gegenwärtug ganz eigenen Zündstoff bereithält: Die Publikation beruft sich auf ungenannte "Sicherheitsexperten und - analysten", um eine politisch aufgeladene Auslegung des Anschlags zu präsentieren: als Hintergrund-Strippenzieher, die mit der MEK arbeiten, wird der saudi-arabische Geheimdienst genannt.

Im Streit zwischen den Golfstaaten und Katar, bei dem auch das Verhältnis des Halbinsel-Emirats zum anderen großen Nachbarn Iran eine Rolle spielt, erreicht die Erregung zwischen den beiden regionalen Mächte ziemliche Ausmaße.

Der saudi-arabische Außenminister al-Jubeir, der eine Vorliebe für markige Töne hat, wurde am Mittwoch vom saudi-finanzierten Sender al-Arabyia damit zitiert, dass Iran für seine Einmischungen in der Region bestraft werden müsste. Er warf Iran vor, dass es al-Qaida-Mitglieder und andere Kommandeure von anderen Terrororganisationen beherberge.

IS-Propaganda in Iran

Aus einem gestern erschienenen RFE/RL-Bericht von Golnaz Esfandiari über die IS-Propaganda, die auf Sunniten in Iran zielt - das sind etwa 5 bis 10 Prozent von 81 Millionen Einwohnern -, geht hervor, dass der Geheimdienstminister im August 2016 bekanntgab, dass 1.500 junge Iraner davon abgehalten wurden, sich dem IS anzuschließen. Das ist, sollte sie stimmen, eine beachtliche Zahl.

Zu erfahren ist darüber hinaus, dass es bereits mehrere Anschlagversuche in Iran vereitelt wurden, worauf heute auch von iranischen Vertretern hingewiesen wurde. Ob der Zusammenhang mit dem IS erwiesen war oder ob das nur Verdacht stand, ist nicht immer deutlich. Laut Esfandiari rekrutiert der IS vor allem im Westen Irans in der Provinz Kermanschah, die an den Irak grenzt.

Der IS habe kürzlich ein Video in Farsi gepostet, in dem er die sunnitische Minderheit zum Aufstand gegen das schiitische Establishment auffordert, zudem seien die letzten vier Ausgaben des IS-Propagandamagazins Rumiya ebensfalls in Farsi erschienen, berichtet Esfandiari.