Alt-Bundeskanzler Kohl gestorben

Der Vorsitzende des DDR-Ministerrates Hans Modrow, Bundeskanzler Helmut Kohl, der Regierende Bürgermeister (West-Berlin) Walter Momper und im Hintergrund zwischen Kohl und Momper der Oberbürgermeister (Ost-Berlin) Erhard Krack während der Öffnung des Brandenburger Tores am 22. Dezember 1989. Foto: SSGT F. Lee Corkran / gemeinfrei

Der CDU-Politiker war von 1982 bis 1998 Regierungschef und prägte eine Ära

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Mich fasziniert bei den Fernsehauftritten Helmut Kohls immer wieder, dass der den Eindruck erweckt, jeder könne Bundeskanzler werden!

Franz-Josef Strauß, 1985

Im Alter von 87 Jahren ist heute Morgen der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl in seinem Haus in Ludwigshafen gestorben, berichtet die Bildzeitung. Der CDU-Politiker aus Rheinland-Pfalz war von 1982 bis 1998 Bundeskanzler, vier Legislaturperioden hintereinander. Dass von einer "Ära Kohl" gesprochen wird, zeigt, dass er der Politik der Bundesrepublik einen Prägestempel aufgedrückt hat.

Für nicht wenige derjenigen, die damals jung waren, wollte die Zeit der Regierung Kohl kein Ende nehmen und "Keep Kohl", wie die CDU im Bundestagswahlkampf 1998 plakatierte, das war für sie kein schöner Gedanke. Es gibt Parallelitäten zu Merkel, die am Anfang ihrer politischen Karriere in Kohl eine Art Ziehvater fand, der ihr das Aussitzen von Problemen als eine in Deutschland erfolgreiche Strategie beibrachte.

Man darf, bis es einem dann zu viel des Guten wird, neugierig auf eine Lawine von Nachrufen sein, die eine Neubewertung dieses prägenden politischen Hauptdarstellers im Licht einer Gegenwart versuchen, die von einer verwirrenden Zukunft und Umwälzungen gekennzeichnet ist. Kohl stand für Stabilität, für eine provinzielle Basis und für eine Grundausrichtung, die mit Erfahrungen des 2. Weltkriegs und den Nachkriegsjahren eng verknüpft war. Sein Einsatz für die europäische Gemeinschaft war darin verwurzelt.

Die Geschichte meinte es gut mit Kohl. In seine Regierungszeit, und zu diesem Zeitpunkt war er politisch angeschlagen, fiel die damals überraschende Gelegenheit zur Wiedervereinigung, die er zusammen mit seinem Außenminister Genscher zu nutzen wusste.

Seine Strickwesten-Freundschaft mit Gorbatschow, dessen Glasnost-Politik den Weg für die sogenannten sanften Revolutionen im Machtbereich der Sowjetunion freigemacht hatte, wurde zur Legende. Sie half beim größten politischen Erfolg in der Karriere Kohls. Er bekam dadurch, was sich viele Politiker wie sonst nichts wünschen, einen bedeutenden Platz in der Geschichtsschreibung.

Ganz praktisch führte die große Anhängerschaft in der ehemaligen DDR, die Kohl genoss, dazu, dass er für zwei weitere Legislaturperioden zum Kanzler gewählt wurde, in einem größeren Deutschland. Später machte er noch einmal große Schlagzeilen durch eine Spendenaffäre, die dafür sorgte, dass er im Jahr 2000 den Ehrenvorsitz seiner Partei verlor. Man darf gespannt sein, wie dieser Aspekt nun vonseiten der CDU in den Rückblicken auftaucht.

Beinahe zeitgleich mit Helmut Kohl ist auch sein Biograph, der Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz, verstorben. Dessen Buch holt, und das mag typisch für das Befassen mit Kohl sein, "fast nebenbei die alte Bundesrepublik noch einmal hervor", wie der Rezensent Gregor Keuschnig anmerkt: "Im Gegensatz zu vielen anderen Büchern, die die politischen Vorgänge dieser Jahre reflektieren und eine gewisse politische Idylle erzeugen, entsteht beim Leser eine veritable Desillusionierung."