Vermeidbares Inferno?

Screenshot aus YouTube-Video

Wie Austerität und kapitalistischer Klimawandel die mörderischen Waldbrände in Portugal zusätzlich anfachen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Ausmaß der Verheerungen, das die derzeitige Feuersbrunst in Portugal anrichtete, ist noch nicht überblickbar. Bislang fielen mindestens 60 Menschen den Flammen zum Opfer, die an mehreren Fronten in der dünn besiedelten, zentralportugiesischen Region Pedrogao Grande toben. Das Land durchleidet somit die bislang mörderischste Feuerkatastrophe seiner Geschichte. Den bisher verheerendsten Brandsturm verzeichnete das südeuropäische Land 1966, als 25 Menschen - durchweg Soldaten - bei einem Großfeuer umkamen.

Das Ausmaß solcher Katastrophen, die sich unweigerlich wetter- oder zufallsbedingt ereignen, hängt auch von sozialen Faktoren ab. Gesellschaftliche Strukturen und Naturgewalten treten hierbei ja in Wechselwirkung. Was für eine Art von Gesellschaft wird von einer Naturkatastrophe getroffen? Ist sie diesem Ereignis gewachsen, werden dessen Folgen verstärkt oder gemindert? Mehr noch: Es lässt sich durchaus auch fragen, ob die Form der Reproduktion einer gegebenen Gesellschaft nicht indirekt die Naturkatastrophen verstärkt oder gar erst verursacht, die sie heimsuchen.

In der Naturkatastrophe als einer gesellschaftlichen "Stresssituation" lässt sich somit auch der Zustand und der Reifegrad der betroffenen Gesellschaft ablesen: Wird die Krise souverän gemeistert oder überfordert sie deren Institutionen? Die Naturkatastrophen und Klimaumschwünge der Antike und des Mittelalters trafen ständische und statische Mangelgesellschaften, sie führten zumeist zu Hungersnöten oder gleich zum gesellschaftlichen Kollaps, wie im Fall der mesoamerikanischen Hochkulturen.

Katastrophenkapitalismus

Im Fall des dynamisch-instabilen, zur Autodestruktion neigenden kapitalistischen Weltsystems verhält es sich ganz anders. Hier, im Katastrophenkapitalismus, ist es gerade der uferlose Wachstumszwang des Kapitals, der sowohl die Ursachen wie auch die Folgen der sich häufenden Naturkatastrophen und Klimakrisen hervorruft. Beispielhaft hierfür steht die Figur des Brandstifters, der zumeist in Auftrag von Spekulanten oder sonstigen Profiteuren das Feuer legt. Die Brandstiftung fungiert hier als eine Art verwilderte Raubform der kapitalistischen Landgewinnung, des Ressourcenklaus oder der Immobilienspekulation.

Offensichtlich ist dies aber auch im Großen und Ganzen auf der globalen Ebene so: bei der Wechselwirkung von fossilem Wachstumszwang, der die kapitalistische Weltwirtschaft antreibt, und der sich immer weiter zuspitzenden Klimakrise. Insbesondere semiaride Regionen wie das Mittelmeer und Kalifornien werden aufgrund der steigenden Temperaturen und der zunehmenden Trockenheit von häufigeren und intensiveren Brandkatastrophen heimgesucht.

Letztendlich wird durch diese sich häufenden Wetterereignisse nur der Klimawandel exekutiert. Die häufigeren Trockenperioden und Hitzewellen schaffen die idealen Bedingungen für verheerende Großbrände, die so lange wüten werden, bis die Vegetation sich den neuen klimatischen Bedingungen angepasst hat. Im Endeffekt beschleunigen die Waldbrände binnen weniger Jahrzehnte den Prozess der Verwüstung, der in vielen semiariden Regionen aufgrund des Klimawandels eingesetzt hat.

Dies gilt für Kalifornien wie für das Mittelmeer: Nur wenige Monate vor der gegenwärtigen Brandkatastrophe publizierten Wissenschaftler der Universität Barcelona eine entsprechende Studie, die vor einer drastischen Zunahme von Waldbränden insbesondere in der nördlichen Mittelmeerregion warnte. Die Autoren der Studie nutzten das langjährige empirische Material des European Forest Fire Information System (EFFIS), um eindeutige, "statistisch signifikante Zusammenhänge" zwischen der Häufigkeit von Dürren und der Intensität von Waldbränden zu konstatieren.

Zudem wurde festgestellt, dass gerade in den nördlichen Regionen die Relation zwischen zunehmenden Dürren und Feuersbrünsten weitaus stärker ausgeprägt sei als im südlichen Mittelmeer, wo die Vegetation eher an längere Tockenperioden angepasst sei. Zudem mahnten die Autoren der Studie, dass die bisherigen Strukturen und Methoden der Feuerbekämpfung absolut unzureichend seien: "Die existierenden Maßnahmen zur Feuerprävention werden inadäquat sein, sodass eine Änderung der Strategie notwendig ist."

Doch genau davon - von einer kostspieligen Umstrukturierung der Maßnahmen zur Feuerbekämpfung - können die meisten der krisengebeutelten südeuropäischen Eurostaaten, die von Schäuble auf neoliberale Hungerdiät gesetzt wurden, nur träumen. Im Gegenteil: Die Feuerprävention ist im Rahmen der Schäublerischen Austeritätsmaßnahmen ebenfalls in vielen Mittelmeerländern brutal zusammengestrichen worden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.