Spitzensatz anheben und Kindertagesstättengebühren streichen

Scholz, Schulz und Schäfer-GümbelSchäfer-Gümbel Bild: Phoenix

Schulz, Scholz und Schäfer-Gümbel haben ihr Steuerkonzept vorgestellt

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Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz stellte heute Mittag sein Steuerprogramm vor, das seine Partei unter Führung des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz und des hessischen Landesvorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel ausarbeiten ließ. Danach will die Partei den Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent anheben, aber nicht (wie bislang) schon ab einem Einkommen von 54.000, sondern erst ab einem von 76.200 Euro gelten lassen. Den bisherigen Spitzensatz von 42 Prozent sollen aber schon Bezieher von einem Einkommen ab 60.000 Euro zahlen.

Außerdem will die SPD den Solidaritätszuschlag nun doch nicht für "notleidende Kommunen" in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern verwenden, sondern ab 2020 abschaffen - aber vorerst nur für Bezieher "niedriger und mittlerer" Einkommen, die jährlich mit insgesamt 15 Milliarden Euro entlastet werden sollen. Ab einem Jahreseinkommen von 250.000 Euro sollen dagegen drei Prozent Reichensteueraufschlag anfallen; die Abgeltungssteuer will man durch eine regulär berechnete Kapitalertragssteuer ersetzen.

Die Einnahmen, die die SPD durch dieses "Ankurbeln der Binnenkonjunktur" erwartet, sollen in 30 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen in den nächsten vier Jahren gesteckt werden. Konkret schweben der Partei unter anderem eine Abschaffung der Gebühren für Kindertagesstätten, ein Ausbau dieser Einrichtungen über Zuschüsse an die Länder, und ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter vor. Die dadurch begünstigte Klientel der Bildungs- und Sozialberufe locken die Sozialdemokraten darüber hinaus mit der heute von Arbeitsministerin Nahles vorgetragenen Forderung, höhere Löhne in diesem Bereich über Gesetze zu erzwingen, wenn sie sich tariflich nicht erreichen lassen (vgl. Über 20 Prozent Gehaltssteigerung in der häufigsten Entgeltgruppe).

Keine Vermögenssteuer, aber eine Erbschaftssteuerreform

Die Grenze für Geringeinkommen, die sozialversicherungstechnisch aus der Steuerkasse bezuschusst werden, wollen die Sozialdemokraten von 800 auf 1.300 Euro anheben - Erst ab diesem Einkommen sollen dann Beiträge zur Rentenversicherung abgezogen werden. Hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung möchte man erreichen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder gleich viel einzahlen. Eine Vermögenssteuer, wie sie das SPD-Grundsatzprogramm enthält, steht in den nächsten vier Jahren nicht auf der Tagesordnung. Stattdessen will man einige dazu anstehende Gerichtsentscheidungen abwarten und danach ersatzweise bei der Erbschaftssteuer zuschlagen.

Rechnung ohne Koalitionspartner

Am Wochenende soll das SPD-Steuerkonzept zusammen mit dem bereits vorher vorgestellten Rentenkonzept (das vor allem die Umleitung von Steuergeldern in die Rentenkasse vorsieht) offiziell als Teil des SPD-Bundestagswahlprogramms beschlossen werden (vgl. SPD verschiebt Wahlprogrammpräsentation). Schulz sagte bei der Präsentation des Konzepts heute, die SPD verspreche "nichts, was wir nicht halten können".

Eine Alleinregierung seiner Partei ist mit Umfragewerten von derzeit gerade einmal 25 Prozent allerdings eher unwahrscheinlich - und potenzielle Koalitionspartner wie die Grünen haben ihre eigenen Vorstellungen, die aus einer Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen recht schnell eine Belastung machen könnten: Auf ihrem Parteitag am Wochenende beschloss die Ökopartei unter der nicht unbedingt gut durchkalkuliert wirkenden Nena-Sloganadaption "Zukunft wird aus Mut gemacht" unter anderem ein Verbot der Zulassung von Verbrennungsmotoren ab und ein Schließen der Kohlekraftwerke bis 2030, eine "CO2-Bepreisung", ein "Ende der industriellen Massentierhaltung" bis 2037 (die Fleisch, Eier und Milchprodukte deutlich verteuern dürfte) sowie ein Verbot des Pflanzenschutzmittels Glyphosat.

Konzepte von CDU, CSU und FDP

Das Steuerkonzept der CDU verspricht zwar "keine Steuererhöhungen", lässt aber außen vor, dass für die nächste Legislaturperiode bereits mindestens eine Steuererhöhung schon beschlossen ist: Ein ab 2018 greifender Systemwechsel bei Investmentfonds, die Bestandteil vieler Altersvorsorgesysteme sind. Für sie gibt es zukünftig eine jährliche Mindestbesteuerung auch dann, wenn ein Ertrag fehlt.

Die "Wirkungen der kalten Progression" (also des Effekts, dass "automatische" Steuererhöhungen und die Inflation Lohn- und Gehaltssteigerungen auffressen oder übersteigen), will die CDU "weiterhin regelmäßig ausgleichen", sagt dabei aber nicht, dass der (praktisch nicht vorhandene) "Ausgleich" in der Vergangenheit nicht verhinderte, dass ein Arbeitnehmer, dessen Gehalt zwischen 2005 und 2015 mit dem im öffentlichen Dienst stieg, von seiner Kaufkraft her gesehen mit einem praktisch stagnierenden Einkommen zurechtkommen musste, während Bundestagsabgeordnete im selben Zeitraum einen realen Einkommenszuwachs von 2.628 Euro für sich verbuchen konnten.

Die nur in Bayern wählbare aber im Bund mitregierende CSU wirbt in ihrem Steuerkonzept zwar mit einer "Entlastung" der Bürger in der letzten Legislaturperiode um "insgesamt 10 Milliarden Euro" - dem Berliner Rechtsanwalt und Steuerberater Ansgar Neuhof nach ist das aber eine "Fake News", weil die Gesamteinnahmen aus der Einkommensteuer zwischen 2013 und 2017 um satte 19,5 Prozent von 226,4 auf 270,5 Milliarden Euro stiegen, was die Lohnsteigerungen "beträchtlich" übertrifft. Die "Verschiebung des Spitzensteuersatzes auf 60.000 Euro" stand bei der CSU (wie Neuhof nachgelesen hat) bereits 2009 im Wahlprogramm - ebenso wie der Abbau der kalten Progression, bei der die Partei erneut offen lässt, wie sie geschehen soll.

Etwas konkreter wird die FDP, die den Bürgern Steuersenkungen in Höhe von "von mindestens 30 Milliarden Euro" in den nächsten vier Jahren verspricht, dabei aber von einem zusätzlichen Steueraufkommen von über 110 Milliarden Euro ausgeht. Manche Beobachter halten das für ähnlich optimistisch (oder ähnlich realitätsfern) wie die "aus Mut gemachte Zukunft" der Grünen.

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