Haus "Kommune Nr. 1": Leben im Offenen

Schuchow Radioturm im konstruktivistischen Wohnviertel. Bild: Aantgarde-Museum an der Schablowka

Die kleinen Erfolge der Liebhaber revolutionärer konstruktivistischer Baukunst in Moskau, Anfang Juni wurde in Moskau ein Avantgarde-Museum eröffnet

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Diese Frau sprüht vor Energie. Die Rede ist von Alexandra Selivanova. Die Leiterin des Moskauer Zentrums für Avantgarde hat ihren Traum verwirklicht. Am 7. Juni eröffnete sie südlich des Moskauer Stadtzentrums das "Museum der Avantgarde an der Schablowka". Ihr Traum sei es, so erzählt sie dem Autor dieser Zeilen, das Wohnviertel an der Schablowka- Straße zu einem Touristenmagneten zu machen.

In dem Stadtviertel - so die Architekturhistorikerin - stehen um den berühmten, 1919 gebauten Schuchow-Radio-Turm 70 Wohnhäuser und andere Gebäude, die in den 1920er Jahren im Stil des Konstruktivismus gebaut wurden. Es war eine der Modell-Siedlungen, mit denen unmittelbar nach der Oktoberrevolution eine neue Epoche des gemeinschaftlichen Wohnens begann. An der Moskauer Schablowka-Straße entstanden das erste "Kommune-Wohnhaus", das erste "Kommune-Studentenwohnheim", der erste von der Komintern betriebene Schuchow-Radio-Turm und das erste Moskauer Krematorium.

Der Besucher-Andrang bei der Eröffnung des Avantgarde-Museums war groß. Die Menschen beugten sich über Vitrinen, in denen persönliche Gegenstände der Bewohner von konstruktivistischen Wohnhäusern gezeigt wurden. Man sah Fotos und Interviews der Haus-Bewohner und Architekten des Wohnviertels.

Heute haben Kommune-Wohnformen in Russland kaum noch Anhänger. Doch das Interesse an den Gebäuden des Konstruktivismus, die in Moskau jetzt langsam verfallen, ist groß. Das kleine neue Museum soll noch räumlich noch erweitert werden. Wie es finanziert wurde? Man habe einen Wettbewerb des privat finanzierten "Zentrums für soziale Technologien 'Garant'" gewonnen, erklärt die Museumsgründerin und Architekturhistorikerin Selivanova.

"Wir wollen Touristen anlocken!"

Das neue Museum ging hervor aus dem Avantgarde-Zentrum. Ziel des Zentrums - so Selivanova - sei es, alle Häuser im Viertel vor dem Abriss zu schützen. Für Touristen will man gekennzeichnete Wege und kleine Museen in einzelnen Gebäuden schaffen.

Ein positives Beispiel sei die Stadt Perm. Dort hätten die Bewohner eines Wohnviertels, das im Stil des Konstruktivismus entstand, eine Genossenschaft gegründet und die Renovierung ihrer Häuser in die eigene Hand genommen. Sie hätten Originalfenster anfertigen und einbauen lassen.

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Atelier Nr. 1 im Haus des Architekten Konstantin Melnikow. Bild: Ulrich Heyden

Alexandra Selivanova hat Erfolge. Zusammen mit Anwohnern und Architektur-Liebhabern in Moskau hat sie sich auch für den Erhalt des berühmten Schuchow-Radio-Turms eingesetzt. Der 160 Meter hohe Turm aus Stahlgeflecht wurde 1919 auf Anweisung von Lenin gebaut. 2014 wollte das russische Post-Ministerium den Turm abreißen lassen. Es hieß, er stehe nicht mehr sicher und gefährde benachbarte Gebäude. Nachdem gegen den Abrissplan nicht nur eine Anwohnerinitiative, sondern auch Architekten aus aller Welt protestierten, ordnete das Moskauer Kulturministerium an, den Turm durch ein provisorisches Stützgerüst von Innen zu sichern.

Der Radio-Turm war ein Pionier-Projekt internationalen Maßstabs. Die Historikerin Selivanova erklärt: "Der Turm wurde ohne Kräne wie ein Teleskop gebaut. Jede Sektion baute man innerhalb der vorherigen Sektion. Mit einfachen Winden wurde die Sektion dann noch oben gehoben."

Direkt unter dem Radio-Turm entstand das Haus "Kommune Nr. 1". "Die Konzeption des Hauses war das modernste, was damals erfunden wurde", erklärt die Historikerin. Es wurde 1927 von dem Architekten Georgi Wolfenson entworfen. Die Idee sei gewesen, dass die Menschen lernen, den Alltag gemeinsam zu verbringen. Der Platz für den Schlaf sollte das Einzige sein, was der Mensch für sich allein hat. Alles andere sollte absolut offen sein.