Zahl der Toten in Venezuela steigt weiter

(Bild: Demonstration in Venezuela. Screenshot, YouTube)

Zunehmend Angriffe auf die Infrastruktur des Landes. Darstellung in internationalen Medien gibt verzerrtes Bild der Lage wieder

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In Venezuela spitzt sich nach einer weiteren Woche regierungsfeindlicher Ausschreitungen die Debatte über die Schuldfrage zu. Während die Opposition der Regierung von Präsident Nicolás Maduro und ihr nahestehenden Milizen die Schuld für die Toten gibt, vermittelt ein genauerer Blick auf die Lage vor Ort oft ein andres Bild. Demonstranten gehen demnach zunehmend gewalttätig gegen politische Gegner, Unbeteiligte und die Infrastruktur vor. In Lateinamerika wächst die Sorge vor einer unkontrollierten Eskalation der Auseinandersetzung.

Boliviens Präsident Evo Morales forderte die Regierungsgegner über den Kurznachrichtendienst Twitter nun dazu auf, dem Appell von Papst Franziskus zu folgen, um in einen Dialog mit der Regierung einzutreten. Dies sei notwendig, um die Kultur des Friedens in Lateinamerika zu wahren, so Morales.

Zugleich warf der linksgerichtete Staatschef den USA vor, die Lage in Venezuela zu destabilisieren. Dabei täte Washington gut daran, sich zunähst für die vergangenen Putsche in Lateinamerika zu entschuldigen, so Morales weiter.

In Venezuela dauern die Proteste gegen die Regierung seit Anfang April an. Seither wurden über 80 Menschen getötet und mehr als 1.300 verletzt. Das oppositionelle Bündnis Tisch der demokratischen Einheit (MUD) tritt inzwischen offen für den Sturz der Regierung ein und fordert Armee und Polizei zum Handeln gegen Präsident Maduro auf.

Bei der Frage der Schuld an der Eskalation in Venezuela gibt es indes eine wachsende Diskrepanz zwischen der Darstellung in internationalen Medien und der Lage vor Ort. So berichtete in Deutschland die Wochenzeitung Die Zeit auf ihrer Internetseite am Sonntag über vier Tote in der Stadt Barquesimeto. "Der Bürgermeister der Stadt machte bewaffnete Kämpfer, die die sozialistische Regierung unterstützen, für die Todesfälle verantwortlich", heißt es in der Meldung, die sich auf Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP stützt.

Nach Angaben venezolanischer Medien sind im Laufe der Proteste vergangene Woche offenbar sechs bis acht Menschen ums Leben gekommen. Die Aufstellung vermittelt aber ein erheblich anderes Bild:

- Der Tod von drei Personen sei bei den Protesten am Dienstag und Mittwoch vom Innenministerium bestätigt worden;

- zwei weitere Tote seien offiziell noch nicht bestätigt;

- eine Person sei bei Plünderungen in der Stadt Barcelona ums Leben gekommen;

- ein Motorradfahrer sei an einer Barrikade überfahren und seine Leiche verbrannt worden;

- ein 20-Jähriger wurde bei der Beseitigung einer Barrikade durch einen Kopfschuss getötet.

Das Portal Aporrea weist darauf hin, dass "keines dieser Opfer durch staatliche Sicherheitskräfte starb". Bei den ungeklärten Todesfällen geben Vertreter der Opposition in der Regel bewaffneten Strukturen der Chavisten, den sogenannten Colectivos, die Schuld; eine These, die gemeinhin schwer zu verifizieren ist.

Nach Angaben des Gouverneurs des Staates Anzoátegui haben Demonstranten indes ein Lebensmittellager der staatlichen Supermarktkette Mercal mit Brandsätzen angegriffen. Dabei seien rund 40 der 100 Tonnen Lebensmittel verbrannt. Im Teilstaat Aragua attackierten Demonstranten mit Molotowcocktails ein Umspannwerk.