De Maizière: Hart Durchgreifen beim G 20

Survivor R, Polizeifahrzeug, das beim G-20-Gipfel zum Einsatz kommen soll. Bild: Rheinmetall Defence / CC BY-SA 4.0

Martialische Ansagen kennzeichnen das Vorfeld des Gipfel-Treffens in Hamburg

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Heute in einer Woche reisen die letzten Staatsgäste wieder aus Hamburg ab, dann können die Einwohner zurückkommen. Ungefähr die Hälfe der vom G-20-Gipfel "direkt betroffenen Hamburger will die Stadt noch vor dem Gipfel verlassen", berichtet die Frankfurter Sonntagszeitung heute. Man kann sie verstehen. Sogar ein Gefangenenlager soll eingerichtet werden.

(…) zwischen Baumarkt, Güterzügen und Stadtautobahn hat die Polizei eigens für G 20 eine Gefangenensammelstelle, kurz "Gesa" genannt, eingerichtet. Bis zu 400 Menschen können in den 120 Einzel- und Sammelstellen eingesperrt werden. Verwahrt. Auch das Amtsgericht hat hier, auf dem Gelände eines ehemaligen Großmarktes eine Außenstelle eingerichtet. Identifizieren, wegschließen, Haftbefehl ausstellen oder freilassen. Maximal zehn Stunden soll dieses Verfahren dauern. Welt am Sonntag, Printausgabe, 2.Juli 2017

Es ist eine gigantische Live-Performance, die sich für das kommende Wochenende ankündigt, bei der jede Teilnehmerseite zeigen wird, was derzeit der letzte Stand der Technik ist. Es müsse mit "neuen kreativen Aktionsformen" der linksextremen Szene gerechnet werden, schätzt das BKA die Lage ein. Auf linksunten warnen Aktivisten vor einem "kreativem" Vorgehen der Polizei.

Gemeint ist, dass diese sich nicht an Regeln halten werden. Man freut sich dort, dass laut Gerichtsentscheidung ein antikapitalistisches Protestcamp eingerichtet werden darf, fürchtet aber zugleich, dass die Polizei einmal mehr demonstriert, "wie wenig sie von gerichtlichen Urteilen und Versammlungsrecht hält".

Daher erwarten wir nicht, dass der Aufbau ungestört von statten gehen kann. Wir brauchen also richtig, richtig viele Menschen!

g20camp.noblogs.org

Demonstrationsverbote

Es gibt noch eine weitere Entscheidung des VG Hamburg, das eine Demonstration von Attac "Gutes Leben für alle statt Wachstumswahn" verboten hat. Dem folgte eine Entscheidung des gleichen Gerichts zum Verbot von Versammlungen unter dem Titel "Freihandel Macht Flucht", die ebenfalls von Attac angemeldet worden waren.

Als Begründung in beiden Fällen führt das Verwaltungsgericht ein Versammlungsverbot für den Zeitraum vom 7. Juli 2017, 6:00 Uhr bis zum 8. Juli 2017, 17:00 Uhr, in einem räumlich begrenzten Bereich der Hamburger Innenstadt an.

Ob es welche aus der großen Menge derer geben wird, die zum Protest nach Hamburg kommen und die es der Polizei gleichtun und zeigen, wie "wie wenig sie von gerichtlichen Urteilen halten"?

Enormes Polizeiaufgebot

Dem steht enormes Polizeiaufgebot entgegen: 20.048 Polizeibeamten laut WamS. Dazu 3.000 Fahrzeuge, 150 Diensthunde, 60 Pferde und elf Hubschrauber, laut FAS. Doch auch das Aufgebot der Gipfelgegner klingt gigantisch: Laut der Frankfurter Sonntagszeitung werden 100.000 Gipfelgegner erwartet, darunter etwa "8.000 gewaltbereite".

Wir erwarten eine massive Militanz.

Polizeipräsident Ralf Martin Meyer

Experten schätzen, dass für die Ausrichtung des Gipfels ungefähre Kosten von mindestens 130 Millionen Euro gerechnet werden muss; das sind Steuergelder.

Präventivmaßnahmen

Justizminister Maas und Bundesinnenminister de Maizière legten viel Wert auf die Botschaft, dass gewalttätige Demonstranten mit harten Konsequenzen zu rechnen haben. "Wenn Autoreifen in Brand gesteckt oder Polizisten verletzt werden, sind das Straftaten", klärte Maas auf und de Maizière betonte: "Die Linie ist klar: friedlicher Protest ja, gewalttätiger Protest nein. Gewalt, egal von wem, muss von Anfang an im Keim erstickt werden."

Dazu gab es Berichte über neue Präventivmaßnahmen:

Kurz vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs wird es demnach gezielte Gefährderansprachen geben; zudem sollen Meldeauflagen und Betretungsverbote verhängt werden. Besprochen wurden auch Observationsmaßnahmen und Telefonüberwachungen.

Der Spiegel

"Welcome to hell"

Begleitet wird dies von Kontrollen an den Grenzen, auf Autobahnen und in den Zügen. Am heutigen Sonntag findet die erste Versammlung der Gipfel-Proteste statt. Nach Angaben des NDR versammelten sich zwischen 8.000 (Polizei) und 18.000 (Veranstalter) zur "Protestwelle" bei Nieselregen auf dem Rathausmarkt. Es geht, wie es dieser Veranstaltung entspricht, um das ganz Große:

Die Veranstalter wollen sich mit ihrer Protestaktion dafür einsetzen, Hungersnöte, Ungleichheit, Klimawandel, Kriege und Vertreibungen zu bekämpfen.

NDR

Ob man da nicht "in Watte hineinspricht" (Max Frisch)? Die Medienöffentlichkeit wird sich beim Gipfel für anderes interessieren als solche gut gemeinten Absichten, das Martialische gibt dort den interessanteren Bühnenstoff. Das wissen auch die Gegner. Manche machen eine eigene politische "Area" auf, um nicht in Watte hineinzusprechen. Die WamS zitiert die Sprecherin der "interventionistischen Linken" mit der Aussage:

Wir werden uns nicht geschlossen von Gewalt und brennenden Autos distanzieren.

Emily Laquer, laut WamS, Printausgabe, 2.Juli 2017

Für Donnerstag sollen Autonome eine Demonstration angekündigt haben, die "Welcome to hell" heißt. Die Hamburger, die abreisen, haben Gründe dafür.