Trump, Putin und die Politpyromanen

Donald Trump und Wladimir Putin. Foto: Bundesregierung/Kugler

Nach dem ersten G20-Tag in Hamburg

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Nachdem die Bürger 2015 einer geplanten teuren Olymbiabewerbung in einem Volksentscheid einen Riegel vorschoben (vgl. Hamburger sparen 1,2 Milliarden - oder deutlich mehr), suchten Hamburger Politiker nach einem Ersatz-Prestigeprojekt und fanden es in einem Gipfeltreffen der "G20", der 20 größten Wirtschaftsnationen der Welt. Deshalb trafen sich gestern in der Hansestadt Spitzenvertreter dieser Länder, während Brandstifter Autos anzündeten und vermummte Verbrecher Anwohner verprügelten (vgl. Das Klirren der Dinge als Beifall).

International mit der größten Spannung erwartet wurden allerdings weder das reguläre Programm noch die Politpyromanie, sondern das erste persönliche Aufeinandertreffen des inzwischen schon nicht mehr ganz so neuen US-Präsidenten Donald Trump mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Die beiden hatten selbstbewusst einen persönlichen Termin mit ihren Außenministern und Dolmetschern angesetzt, während sich die anderen Staatsoberhäupter und Minister auf Wunsch der verwirrt wirkenden deutschen Kanzlerin hin darüber unterhielten, wie sich die Welt "dekarbonisieren" lässt.

Nichtssagende Floskeln und eine neuer Waffenruhe in Syrien

Vor dem Gespräch, das statt der angesetzten 30 Minuten zweieinhalb Stunden dauerte, gaben sich die beiden für ein gemeinsames Foto freundlich die Hände, schwiegen aber weitgehend über Inhalte. Die eher nichtssagenden Floskeln reichten von "hocherfreut, Trump persönlich zu treffen, [denn] Telefonate reichen nie aus" (Putin) über "Ich freue mich auf viele positive Dinge, die für Russland und die USA passieren werden" bis hin zu "ich glaube, es läuft sehr gut" (Trump).

Später teilte US-Außenminister Tillerson noch mit, man habe sich auf einen neuen Waffenstillstand für den Südwesten Syriens geeinigt, der ab Sonntag gelten und von Jordanien unterstützt werden soll. Der Südwesten Syriens wird in Teilen von der syrischen Regierung und drusischen Milizen und in anderen Teilen vom IS und von der al-Qaida-Filiale Fatah asch-Scham beherrscht. Tillerson hofft, dass diese Waffenruhe später auf weitere Teile Syriens ausgedehnt wird. Zum syrischen Staatspräsidenten Assad hege man weiterhin unterschiedliche Meinungen. Außerdem habe man über die Ukraine und den Kampf gegen den Terror gesprochen.

Weitere Details verriet auch Tillerson nicht. Sollte es später noch Verlautbarungen dazu geben, ist fraglich, ob sie adäquat wiedergeben, worüber bei dem Treffen tatsächlich geredet wurde. Das liegt auch daran, dass Trump im Umgang mit Russland eine Heimatfront berücksichtigen muss, an der die Demokratische Partei und ihr zuneigende Medien ein Bild von Russland zeichnen, dass sich wenig von dem im Kalten Krieg unterscheidet.

Sie werfen Trump vor, er und sein Team hätten im Wahlkampf von illegitimen Kontakten zu Moskau profitiert. Deshalb ist es für den US-Präsidenten potenziell sinnvoll, das Verhältnis mit Russland in der Öffentlichkeit nicht zu entspannt erscheinen zu lassen und mit ein paar markigen Sprüchen abzulenken.

Pawlowsche Medien

Als er den Russen am Donnerstag in Warschau "destabilisierendes Verhalten" vorwarf, sprangen die US-Medien darauf an wie ein Pawlowscher Hund beim Glockenton und speichelten von einer "schönen Rede" (National Review), einer "guten Ansprache" (CNN) und einer "warmen Körpersprache" (New York Times). Die traditionell Trump-freundlichere New York Post fühlte sich sogar an John F. Kennedys "Ick-bin-ein-Berliner"-Rede von 1963 erinnert.

Demokraten wie dem Repräsentantenhausabgeordneten Adam Schiff blieb da wenig anderes übrig, als vom US-Präsidenten mit Fallenstellerwortwahl zu fordern, er müssen Putin nun auch das Versprechen abringen, dass es nie wieder eine Wahlbeeinflussung gebe - obwohl der russische Präsident solche Vorwürfe stets weit von sich wies. Das tat er Tillerson zufolge auch gestern, als Trump ihn darauf ansprach.

Nordkorea und Handelsbeschränkungen

Putin sprach gestern nicht nur mit Trump, sondern auch mit dem neuen südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In, der nach dem Gespräch meinte, er hoffe, dass Russland dabei helfen könne, im Konflikt mit Nordkorea (das am Dienstag erneut mit einem verbotenen Raketentest Aufsehen erregte) zu deeskalieren. Während Trump nach diesem Test vor einer "ziemlich harten" Antwort gewarnt hatte, rief Putin gestern dazu auf, "nicht die Selbstbeherrschung zu verlieren" und einen "pragmatischen Ansatz" zu verfolgen.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der sich zumindest tagsüber nur mit Wassergläsern fotografieren ließ, gesellte sich kurz an einem mit braunen Naschereien bestückten Stehtisch zu Trump und Putin. Zur Presse meinte er im Hinblick auf mögliche Handelsbeschränkungen durch den US-Präsidenten: "Ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir innerhalb von wenigen Tagen [...] mit Gegenmaßnahmen reagieren werden." Putin kritisierte ebenfalls Handelseinschränkungen, spielte dabei aber auf die EU-Sanktionen an, die Juncker mit zu verantworten hat.

400 Millionen Euro Kosten und touristische Negativwerbung

Ohne die privaten Sachschäden (mit deren Erstattung Fahrzeughalter nur dann rechnen können, wenn sie neben ihrer Haftpflichtversicherung eine entsprechend umfassende Teil- oder Vollkaskoversicherung abgeschlossen hatten) belaufen sich die geschätzten Kosten für die nur zwei Tage dauernde Veranstaltung auf etwa 400 Millionen Euro. Etwa die Hälfte davon fällt für den Polizeieinsatz an, den die Hamburger Steuerzahler alleine bezahlen müssen.

Hinzu kommt weltweite touristische Negativwerbung, weil internationale Medien beim Zeigen der vielen Rauchsäulen und Zerstörungen weniger zurückhaltend waren als die ARD. Eine viele hundert Millionen teure Elbphilharmonie, in der sich die Staatsgäste gestern Abend Musik anhörten (während die vermummten Verbrecher zum Plündern von Läden übergingen), sieht gegen solche wirkmächtigen Bilder eher blass aus. Hamburger Geschäfte wurden teilweise schon lange vor dem Gipfelbeginn am Freitag geschlossen und auf Kosten der Inhaber verbarrikadiert. Die, die offen hatten, machten weniger Umsatz, weil ein Großteil der Innenstadt für private Kraftfahrzeuge gesperrt war und weil der HVV seinen Betrieb im "Sicherheitsbereich" stark einschränkte - ohne Entschädigung für Dauerkartenbesitzer, versteht sich.