Macron: Erleichterungen für Reiche und Investoren

Screenshot aus der G-20-Pressekonferenz von Macron. Video, YouTube

Der französische Präsident geht auf Abstand zur Finanztransaktionssteuer und ermahnt afrikanische Länder, auf ihre Geburtenrate aufzupassen

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Das "Wunderkind" (ZDF) hat ausgewachsene Pläne. Der Macronismus will eine Gesellschaft aufbauen, die sich zuallererst am Interesse der Unternehmen orientiert, auf Französisch "une société 'pro-entreprise'".

Der Starpolitiker mit dem Faible fürs Deklamieren redet gerne viel, wie Macron in aktuellen Interviews vor Beginn des deutsch-französischen Ministerrats erneut demonstriert. Seine meist mehrere Absätze umspannenden Antworten sind gefüllt mit Phrasen, die allerlei Hoffnungen bedienen oder beflügeln. Da fällt es manchmal schwer, den Kern herauszuschälen.

Baldige Einführung von Steuererleichterungen für die Wohlhabenden

Das ist auch France Culture aufgefallen. Dort verweist man auf einen Artikel der Financial Times, wo sich die wirtschaftspolitischen Ziele präzise und ohne überflüssige Girlanden wiederfinden. Es ist ein Interview mit dem Premierminister Edouard Philippe, der dort die Regierungspolitik auf einen Punkt bringt, wie es Mélenchon nicht besser könnte, so France Culture. Das ideologische Dachgebälk werde sauber zerlegt.

"Frankreich erwägt die baldige Einführung von Steuererleichterungen für die Wohlhabenden schon im nächsten Jahr, um mehr Unternehmer und Investoren anzuziehen", wird schon im ersten Satz klargemacht. Im Folgenden wird präzisiert, dass die neue Regierung Beteiligungen ("investment holdings") von der Vermögenssteuer ausschließen will und eine Einheitssteuer (flat tax) in Höhe von 30 Prozent auf Dividenden und andere Gewinne aus Investitionen erheben will. Bislang werden zu Sätzen bis über 50 Prozent besteuert, bei den sehr Reichen kann der Satz sogar über 60 Prozent erreichen.

Davon, so France Culture war in Frankreich noch kaum die Rede, möglicherweise ist das untergangen. Darüber hinaus wird es noch andere Unternehmenserleichterungen geben, die auf ein Ziel zugeschnitten sind, wie die FT hervorhebt: möglichst viele Investoren und Banken von London nach Paris zu locken. Dazu gehört beispielsweise die Aussicht, dass Angestellte im Finanzsektor ebenfalls Steuererleichterungen bei Verdiensten im höheren Bereich erwarten können.

Nicht zu übersehen ist, dass Macron lange Zeit als Investmentbanker gearbeitet hat. Die Financial Times, die dergleichen schätzt, schreibt unumwunden von "einer aggressiven Kampagne von Macron, um seine "business-friendly" Haltung zu zeigen".

Kehrtwende bei der Finanztransaktionssteuer

Die bestätigt er auch mit seiner Haltung zur Finanztransaktionssteuer (FTS). Dort hat Macron nämlich eine Kehrtwende vollzogen. Er will die Steuer nicht; seine Begründung passt zum oben genannten Ziel: Investoren und Banken nach Paris zu locken.

Finanzminister Le Maire, ein Konservativer, der schon immer Gegner der FTS war, hat inzwischen erklärt, die endgültige Entscheidung über das Projekt an den BREXIT zu koppeln. Wenn Macron nicht noch seine Meinung ändert, läuft damit das Projekt auf eine Beerdigung dritter Klasse zu. Im Klartext bedeutet dieses Junktim, man will die Attraktivität des Finanzstandorts Paris nicht durch die FTS gefährden. Und da bereits seit Monaten zwischen Frankfurt und Paris der Kampf um die fettesten Brocken aus der Beute des BREXIT tobt, glaubt Macron, die französische Wettbewerbsposition auf diese Weise stärken zu müssen.

Peter Wahl, Makroskop

Für Peter Wahl ist das Brexit-Argument fadenscheinig. Da ohnehin klar sei, dass der Finanzsektor der Eurozone, darunter auch der Standort Paris, davon profitieren werden. Es gebe "für eine am gesellschaftlichen Interesse orientierten Politik nicht den geringsten Anlass für Extra-Geschenke an die Banken. Auch die Konkurrenz mit Frankfurt ist kein Argument, denn auch dort würde die FTS gelten. Also kein Vorteil oder Nachteil für die eine oder andere Seite".

Offensichtlich sei, so Wahl, dass Macron nun die Maske fallen lassen würde und "skrupellos die Interessen des Finanzkapitals bediene". Der gute Europäer stelle damit den in vier Jahren mühsam und kompliziert ausverhandelten Kompromiss "einfach so wieder in Frage". Das habe schon Trump’sches Format, kommentiert der Mitbegründer von Attac Deutschland.

Der Vergleich hat seine Pointen angesichts der "Fans der Lichtgestalt", die es hierzulande bis weit in die Linken gebe, so Wahl. Die aber feststellen müssten, das der harte Kern von Macrons Politik nichts anderes sei als "Make France great again".