China: Kein bisschen Kriseln

(Bild: Chang'an Avenue in Beijing. Bild: Australian cowboy / GFDL )

Aber die nächste Krise kommt bestimmt. Irgendwann

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Seit mindestens 20 Jahren, als in Ost- und Südostasien die Währungen der Tigerstaaten zusammen zu brechen begannen und die Börsenkurse abstürzten, gibt es alle paar Monate Schreckensmeldungen über den baldigen Kollaps der chinesischen Volkswirtschaft. Das hielt diese freilich nicht davon ab, ziemlich sicher durch die seinerzeitige Krise zu steuern und seit dem zur Nummer zwei – in Kaufkraftparitäten bereits zur Nummer eins – aufzusteigen.

Die Produktion von chinesischen Horrorszenarien ist derweil immer noch ein beliebtes Genre; vielleicht gar beliebter denn je, denn heute ginge die Bedeutung einer chinesischen Wirtschaftskrise weit über jenen sprichwörtlichen Sack Reis hinaus.

Dieser Tage versuchen sich einmal mehr die japanischen Wirtschaftsberater von Nomura sowie ihre US-amerikanischen Kollegen der Investment-Bank Standard&Poor am Ausmalen eines möglichst dunklen Gemäldes.

Die Elemente ihrer Warnungen sind nicht mehr ganz neu: schnelles Wachstum der Summe vergebener Kredite, Überkapazitäten, im Staatsbesitz befindliche Zombie-Unternehmen, die künstlich am Leben gehalten würden. Die Inflationsrate sei mit 1,5 Prozent viel zu niedrig. Chinesische Arbeiter werden das vermutlich anders sehen. Auch in Europa und in den USA sei die Teuerungsrate "enttäuschend", so die "Analysten".

Allein die chinesische Wirtschaft will ihnen einfach nicht den Gefallen tun, und zumindest mal ein wenig stottern. Nicht das kleinste bisschen Kriseln ist derzeit in Sicht. Um 6,9 Prozent wuchs die Ökonomie im Land der Mitte im zweiten Quartal 2017 gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Eben soviel wie im Vorquartal, berichtet Asia Times Online. Einzelhandel, aber auch Industrie hätten deutlich zugelegt. Die Erwartungen der meisten Beobachter seien (leicht) übertroffen worden.

Die Anlageninvestitionen hätten im ersten Halbjahr sogar um 8,6 Prozent zugenommen. Auch der Wohnungsmarkt wachse weiter kräftig. Außerdem hätten in diesem Jahr bisher die Exporte stärker als erwartet expandiert. Für den Rest des Jahres sei aber eine gewisse Abkühlung zu erwarten, wenn die Maßnahmen der Regierung zur Beruhigung des Immobilienmarktes zugreifen begännen. Das offizielle Plansoll für das Wachstum war für dieses Jahr auf 6,5 Prozent gestellt.

Doch eines ist sicher. Ein ewig währendes Wirtschaftswachstum ohne Einbrüche hat es noch nirgendwo gegeben. Auch in China nicht. Die nächste Krise kommt also mit Gewissheit, und man muss sie einfach nur weiter vorhersagen, irgendwann wird man dann schon recht gehabt haben.

Und wer weiß: Die anhaltend "enttäuschende" Inflationsrate ist in der Tat ein Hinweis darauf, dass es für den Kapitalismus nicht so richtig rund läuft: Die Besitzer und Verwalter der großen Kapitale wissen nicht mehr recht, wo noch kräftig Rendite gemacht werden könnte. Das schreit nach "schöpferischer Zerstörung". Auch deren hässliche Zwillingsschwester, die Rüstungsindustrie, fühlt sich zunehmend angesprochen.