Medienwirkungen des Terrors

Die Insel Utøya, auf der Breivik das Massaker verübte. Bild: Paalso/CC BY-SA-3.0

Nach dem Breivik-Massaker stieg die Zahl der Dänen, die wegen traumatischen Störungen behandelt wurden, um 16 Prozent an

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Terroranschläge sind wirksame Mittel, um tatsächlich Panik und Angst zu verbreiten. Das hatten Wissenschaftler bereits nach den 9/11-Anschlägen erklärt. Hier liefen die Szenen in den Medien fast in einer Dauerschleife ab. Hunderttausende sollen nach Psychologen ein posttraumatisches Stresssyndrom (PTSD) bzw. eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten haben. Neurobiologen behaupten, sie hätten bei Menschen, die sich um Umkreis von 2 km um das WTC aufgehalten haben, auch Jahre später noch Gehirnveränderungen festgestellt (Anhaltendes Trauma).

Israelische Wissenschaftler haben in einer Studie gezeigt, dass sich Terroranschläge auf die Bevölkerung eines ganzen Landes auswirken können. Sie haben dazu den Verkehrsfluss und die Unfallstatistik nach Terroranschlägen in Israel analysiert. Am Tag nach einem Terroranschlag tritt ein geringer Rückgang an leichten Verkehrsunfällen (6%), bei schweren Anschlägen aber bis 18% ein. Die Verkehrsdichte bleibt zunächst konstant, nur bei schweren Anschlägen geht sie unmittelbar zurück. Nach drei Tagen gebe es hingegen einen steilen Anstieg von 35% an schweren Verkehrsunfällen. Waren die Terroranschläge schwerer, so gibt es sogar 69% mehr schwere Verkehrsunfälle. Zudem nimmt die Verkehrsdichte einige Tage nach einem Anschlag ab. Nach drei Tagen ebbt allerdings die feststellbare Reaktion wieder ab.

In Dänemark ließ der Bombenanschlag auf das norwegische Parlament und das anschließende Massaker, die Anders Breivik am 22. Juli 2011 verübte und dabei 77 Menschen tötete, die Zahl der Menschen steigen, die sich wegen PTSD behandeln ließen. Dänische Politologen und Mediziner haben dazu Daten über psychiatrische Diagnosen von psychiatrischen Krankenhäusern zwischen 1995 und 2012 ausgewertet. In den 18 Monaten nach dem Massaker ist die Zahl der Menschen, die mit traumatischen oder mit Stress verbundenen Störungen diagnostiziert wurden, um 16 Prozent über die zu erwartende Zahl gestiegen, so das Ergebnis der Studie, die in der Zeitschrift Epidemiology vorab online erschienen ist. Das sind immerhin über 2700 zusätzliche Fälle, die sich nicht anders erklären lassen.

Sollte dies zutreffen, dann wirken Terroranschläge aus der Ferne und beeinflussen die Menschen auch in anderen Ländern. Nähe scheint dabei aber eine wichtige Rolle zu spielen. Nach den 9/11-Anschlägen hatten die Wissenschaftler einen ähnlichen Effekt beobachtet, aber nach dem Massaker von Breivik stieg die Zahl der Diagnosen viermal so hoch. Die Wissenschaftler führen das auf größere geografische und kulturelle Nähe zurück. Die Dänen könnten das Gefühl gehabt haben, das hätte auch in ihrem Land passieren können.

Medien dürften für die Ausbreitung der psychischen Störungen verantwortlich sein, da die Menschen über diese von der schrecklichen Tat erfahren und vor allem Bilder gesehen haben, die stärker als sprachliche Informationen wirken. Als Bestätigung für die Medienwirkung sehen die Wissenschaftler, dass ein Jahr nach der Tat, als es eine umfassende Berichterstattung über den Prozess gegen Breivik gab, wieder ein Anstieg der traumatischen und mit Stress verbundenen Störungen gab, wenn auch dieses Mal geringer.

Medien können also mit ihrer Berichterstattung gesundheitliche Folgen in der Bevölkerung auslösen, in dem Fall verstärken sie die Wirkung von Terroranschlägen, die in der Regel als blutiges Medienspektakel inszeniert werden, um verbreitet zu werden. Peter Thisted Dinesen, einer der Autoren, will sich jedoch nicht dazu äußern, ob die Ergebnisse der Studien zu einer Veränderung der Berichterstattung über Terroranschläge führen sollte, dabei gehe es um das Ausbalancieren von Überlegungen zur öffentlichen Gesundheit und einer informierten Öffentlichkeit.