Aufruhr im Lager auf Lesbos

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Mehr als zwei Jahre nach dem offenen Ausbruch der Flüchtlingskrise hat sich europaweit die frühere Willkommenskultur ins Gegenteil verwandelt

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In Griechenland werden Flüchtlinge und Immigranten immer noch dem gleichen Procedere unterzogen. Gemäß dem Flüchtlingsdeal der EU mit der Türkei müssen sämtliche Neuankömmlinge auf den griechischen Inseln bleiben, auf denen sie angekommen sind. Erst nach abgeschlossener Überprüfung des Asylantrags ist eine Weiterreise auf das griechische Festland oder aber, nach Abschluss eines möglichen Widerspruchs gegen eine Ablehnung, eine Ausweisung in die Türkei möglich.

Die gesamte Zeit über müssen die Flüchtlinge und Immigranten in den in vieler Hinsicht unzureichenden Lagern verbleiben. Dies wiederum strapaziert die wirtschaftlichen Interessen der mit dem Tourismus befassten Insulaner, welche ihrerseits in der Furcht über ihre eigene Existenz zu xenophoben Überreaktionen neigen.

Ein Ergebnis dieses explosiven Klimas sind Konflikte auch in den Lagern. Am Dienstagmittag kam es erneut zu einer Eskalation, als im Lager Moria auf Lesbos aus Afrika stammende, beim Asylverfahren eher aussichtlose Immigranten vor den Büros der Asylbehörde protestierten. Die Mitarbeiter fühlten sich bedrängt und zogen es vor, ihre Arbeit zu unterbrechen und sich in Sicherheit zu bringen.

Das wiederum goutierten die Afghanen nicht. Sie fürchteten, dass der Protest der Afrikaner ihnen einen noch längeren Aufenthalt im ungeliebten Lager bescheren würde. Schließlich erhält ihre Volksgruppe im Gegensatz zu den Afrikanern leichter Asyl. Die Afghanen äußerten gegenüber den protestierenden Afrikanern ihren Unmut und letztere reagierten mit einem Amoklauf durchs Lager. Alles, was brennbar erschien, wurde angezündet. Es kam zu umfangreichen Sachbeschädigungen auch gegen die Streifenwagen der eintreffenden Polizei.

Während den offiziellen Berichten gemäß Flüchtlinge bei der Brandbekämpfung halfen, wurden sie und die Feuerwehr dabei von den Afrikanern angegriffen. Darüber hinaus flüchteten Lagerinsassen im Chaos aus dem Lager. Unter den Geflüchteten befinden sich ebenfalls Randalierer. Der Aufruhr dauerte bis zum Nachmittag an. Die Polizei versucht nun, der Randalierer habhaft zu werden.

Dabei kam es, wie Berichte von der Insel bestätigen, zu Steinwürfen von Polizisten auf die randalierenden Immigranten. Von Seiten der Betroffenen und von Hilfsorganisationen gibt es dagegen Berichte über übermäßigen Einsatz polizeilicher Gewalt. So soll eine Schwangere geschlagen worden sein, ein Kind erlitt direkten Beschuss mit Tränengas. Die Afrikaner berufen sich in einem Facebook-Post auf Selbstverteidigung, welche ihrerseits Steinwürfe erforderlich gemacht habe.

Derartige Vorfälle sind es, welche die Fronten auf beiden Seiten verhärten lassen. Die griechische Regierung reagiert auf die Entwicklungen hilflos. Für das Lager Moria gab es bereits im Vorfeld ernste Warnungen von Ärzten. Die Ärzte ohne Grenzen entdeckten im Lager einen Syrer, der bei der Flucht nach Griechenland Verletzungen von Messerstichen erlitt und nach vier Tagen Aufenthalt im Lager noch keinen Arzt zu Gesicht bekommen hatte.

Sie werfen dem Staat vor, zu lange mit der Neuanstellung von Zeitarbeitern für die Betreuung zu warten. Aus Kreisen des Ministeriums wird dagegen darauf verwiesen, dass die auf den griechischen Inseln ankommenden Flüchtlingsboote zu mindestens der Hälfte mit verletzten Flüchtlingen und Immigranten besetzt sind. Es seien Zustände die entweder als "seltsamer Zufall" oder als "Verschwörung" zu werten seien, meint das Ministerium.