Portugiesische Sardinenfischerei am Ende?

Die Europäische Sardine. In den atlantischen Gewässern der EU gibt es zwei Hauptbestände der Unterart Sardina pilchardus Walbaum. Der nördliche in der Biskaya wird vor allem zwischen Frankreich, Spanien und Großbritannien geteilt, Portugal und Spanien befischen den iberischen Bestand. Doch während der nördliche Bestand wächst, ist der iberische zusammengebrochen. Bild: Bernd Schröder

Jüngste Empfehlung des ICES zeichnet ein düsteres Bild von der Zukunft des beliebten Speisefischs, der ein Wahrzeichen des Landes ist

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Am Tagesende des 19. Juli 2017 schlug eine für so manchen als Meldung verpackte Bombe in die Nachrichtenlandschaft Portugals ein: Die Sardinenfischerei vor der portugiesischen Küste soll für mindestens 15 Jahre eingestellt werden.

Diese Empfehlung stammt vom Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES), der die zuständigen Instanzen in der Europäischen Kommission bei der Festlegung von Fischereiquoten berät. Nur dann könne man den Erfolgsaussichten einer Wiederherstellung des Sardinenbestands eine hohe Wahrscheinlichkeit einräumen. Sollte jedoch der seit 2006 festgestellte geringe Neuzugang an Jungfischen weiter fortdauern, würde selbst ein totales Fischereiverbot nicht ausreichen, um den Lebensraum der Sardinen in einer Weise wiederzubesiedeln, die der natürlichen Tragfähigkeit des Ökosystems entspricht.

CAMACINHOS, ein Ringwadenfänger der portugiesischen Atlantikküste, vor Ort "Traineira" genannt. Bild: Bernd Schröder

Die ursprüngliche Fangempfehlung des ICES für 2016 hatte bereits Entsetzen unter den Fischern ausgelöst: der Sardinenfang in den iberischen Atlantik-Gewässern sollte die 1600-Tonnen-Marke nicht übersteigen, nur so sei eine Erholung des Bestands zu erreichen. Aufgrund aktualisierter Monitoring-Daten vom Frühjahr wurde nach Verhandlungen mit der EU-Kommission die Fangempfehlung dann doch noch angehoben, so dass 2016 13.513 Tonnen Sardinen über die Fischauktionen des Landes bewegt wurden - die geringste bis dato statistisch überlieferte Menge in Portugal, nicht einmal 40% von dem, was im Jahre 1900 in die Netze ging. Der Landesrekord im Sardinenfang von 1964 liegt bei heute kaum mehr vorstellbaren 157.736 Tonnen.

Seit den 1980er Jahren gehen die Anlandungen allmählich zurück - ab 2011 jedoch in einem vorher nicht gekannten Ausmaß. Noch 2010 war die Portugiesische Sardine mit dem MSC-Siegel des Marine Stewardship Councils als "nachhaltig" zertifiziert worden. 2014 war die Zertifizierung aufgrund der zu niedrigen Größe des Bestands bereits zum zweiten Mal ausgesetzt worden - bis auf weiteres endgültig.

Zukunftsaussichten unklar

Die Vertreter des Fischereisektors sind angesichts der aktuellen ICES-Empfehlung schockiert. Sie ringen seit nunmehr Jahren mit einer sich ständig verschärfenden Krise, ihre Boote können sie kaum noch wirtschaftlich betreiben. Die Genossenschaften kämpfen ums Überleben. 2000 Fischer haben in der Ringwadenflotte Arbeit. Auf jeden Fischer an Bord kommen noch einmal bis zu fünf Arbeitsplätze an Land. Die letzten Jahre waren jedoch oftmals durch Fangstopps geprägt. Für die Besatzungen heißt das: kein Verdienst, denn einen Lohn erhalten sie nur, wenn sie auch fischen.

2017 begann die Ringwadensaison erst im Mai, nicht wie in den letzten Jahren üblich im März. 6800 Tonnen durften die Portugiesen bis Ende Juli fischen. Im vergangenen Jahr ging die Saison bis in den Oktober hinein, doch bei fehlender Quote kann das Ende früher kommen.

Eigentlich wurden mit der ICES-Empfehlung Hinweise für die neuen Quoten erwartet, doch nun ist alles anders. Noch haben die Fischer eine Hoffnung: Die portugiesische Regierung hat eine weitere Monitoring-Reise des Forschungsschiffs NORUEGA genehmigt, nachdem die Ergebnisse der Frühjahresreise aufgrund von Schlechtwetterfronten über dem Atlantik stellenweise keine schlüssigen Ergebnisse zur Biomasse der Sardine liefern konnte.

Die gewonnenen Daten fließen in die endgültigen Empfehlungen vom ICES ein, die nun für Oktober erwartet werden. Die sind zwar nicht bindend, doch bisher haben sich Portugal und Spanien weitgehend an die Vorgaben gehalten, beide Länder legen die iberische Sardinen-Quote sowie deren Verteilung unter Berücksichtigung der ICES-Empfehlung fest. Die wiederum beruht auf den gemeinsamen Bestandsbewertungen des IPMA und der Kollegen vom spanischen Ozeanografie-Institut (IEO).

Die Quote war immer auch Ursache von Verstimmungen zwischen den Fischern beider Länder. Eine Drohkulisse von außen führte bisher meist zu einer Einigung: denn sollten sich die portugiesischen und spanischen Fischer nicht an die wissenschaftlichen Empfehlungen halten, hat sich die Europäische Kommission vorbehalten, selber eine Sardinen-Quote festzulegen. In einer ersten Reaktion hieß es aus dem portugiesischen Meeresministerium, dass man nicht gedenke, auf den empfohlenen Fangstopp des ICES einzugehen, vielmehr wolle man mit einer Fischerei "gemäß Vorsorgeansatz" weitermachen. Dazu gehörten auch verlängerte Schonzeiten und Fangbegrenzungen. Wie das im Einzelnen aussehen soll, wird sich erst im Oktober nach Veröffentlichung der konkretisierten Fangempfehlungen sagen lassen.