Israel: Tempelberg-Konflikt und die Gefahr der Eskalation

Bild: Andrew Shiva / CC BY-SA 4.0

Drei Tote bei Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften in Ost-Jerusalem und in der Westbank

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Drei Palästinenser wurden getötet, über 300 Verletzte in Ost-Jerusalem, 3.000 Palästinenser sind mit israelischen Sicherheitskräften im Westjordanland "aneinander geraten", lautete die oberste Schlagzeile der Zeitung Ha'aretz am frühen Freitagabend.

Später stand die Meldung von drei durch Messer-Attacken getöteten israelischen Siedlern in der Siedlung Halamisch bei Ramallah ganz oben. In Halamisch gab es Ende November 2016 Waldbrände. Der israelische Bildungsminister Naftali Bennet, Vorsitzender der Partei "Jüdisches Heim", der Siedlerbewegung nahestehend, vermutete damals arabische Täter hinter den Bränden. Er sprach von einer "Feuer-Intifada" (siehe Festnahmen wegen Großbränden in Israel und im Westjordanland).

Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint; die Schule des Verdachts ist die Grundschule, die anscheinend alle im Nahen Osten durchlaufen, das Schlimmste ist immer möglich, der Horror heißt Intifada - die Schablone kann man auch auf die augenblickliche Situation anwenden, die mit "Tempelberg-Unruhen" überschrieben wird. Die Lage eskalierte, die Proteste der Palästinenser dauern an, berichtete der Spiegel. Die nächste Intifada könnte in einem Augenblick ausbrechen, so eine Analyse, die sich ebenfalls bei Ha'aretz findet.

Ein Likud-Abgeordneter, den Times of Israel zitiert, sprach davon, dass die Regierung Wert darauf lege, die "Flammen klein" zu halten und dass die "überraschende Ruhe" im Westjordanland zeige, dass dies aufgegangen sei. Laut einem Szenario des Fernsehsenders Channel 2 hat man mit einem Albtraum gerechnet, in dem hundertausende Muslime versuchen würden, auf den Tempelberg zu kommen und die Metalldetektoren über ihre Masse zu ignorieren.

Die Sicherheitskräfte hätten dies durch geschickte Straßensperren und durch eine Strategie der Verhinderung der Bildung einer größeren zusammenhängenden Menge unterbunden. Dafür wurden aber außergewöhnlich viele Polizisten und außergewöhnliche Maßnahmen eingesetzt, auf Dauer ist das nicht zu leisten.

Anlass für den umstrittenen Anbringung der Metalldetektoren am Eingang zum Tempelberg, wo sich die al-Aqsa-Moschee und der Felsendom befindet, war ein hinterhältiger und tödlicher Angriff auf israelische Wach-Polizisten am vergangenen Freitag. Auch die palästinensische Webseite Electronic Intifada zeigt Videos des Angriffes, der die Wachpolizisten im Rücken trifft.

Allerdings merkt Electronic Intifada an, dass dies nicht die ganze Geschichte sei. Dem Angriff seien Provokationen vorausgegangen, wonach ultra-rechte Juden damit drohen würden, dass die heiligen Stätten der Muslime zerstört würden, um letztlich dann die jüdische Vorherrschaft über die umstrittene, für beide Religionen höchst bedeutsame Erhebung zu übernehmen. Die Strategie bestehe darin, die Muslime so weit zu reizen, dass sie sich zu Gewalttaten hinreißen lassen, womit sie Gründe dafür liefern, dass Israel schließlich die ganze Kontrolle über den Tempelberg übernimmt.

Dieses Narrativ schließt sich an Bedenken an, die auch ohne den Verdacht, dass Ultras den Konflikt darüber maßgeblich schüren, schon genügend politisch aufgeladen sind. Für den oben genannten Likud-Politiker sind die Metalldetektoren eine normale Sicherheitskontrolle, die allen zu Gute komme, nicht anders, als dies im Vatikan praktiziert werde.

Doch gibt es andere Perspektiven auf das Thema der Metalldetektoren. So plädieren einige für Sicherheit zuständige Institutionen der Regierung, dass sie die Metalldetektoren entfernen soll. Mit dem Einbau der Metalldetektoren sind empfindliche Fragen der gegenseitigen Befugnisse verbunden. Der Status Quo besagt, dass die Eingangskontrolle auf dem Tempelberg zur Befugnis der Wakf-Behörde gehört; allerdings bieten die "Status Quo-Regelungen für den Tempelberg" mit Ausnahme von ein paar Grundsätzen (Muslime dürfen dort beten; das ist oberstes Recht) einigen Auslegungsspielraum.

Die israelische Regierung argumentiert nach dem Mord an die zwei drusischen Polizisten durch Angreifer, die vom Tempelberg kamen und auf ihn zurück flüchteten, mit dem Sicherheitsaspekt. Vertreter der Wakf-Behörde und nicht wenige Palästinenser sehen aber in der Installation der Metalldetektoren einen Übergriff in einen Bereich, der ihnen zugesprochen ist. Sie fürchten eine Expansion der Kontrolle, sprich Besatzung Israels, in palästinensisches Territorium. Netanjahu will, anscheinend und wie stets vorgeblich unter Druck von seinen rechten Koalitionspartnern stehend, bislang keine Konzessionen machen.

Zu erwähnen ist, dass der Protest gegen die verschärften Sicherheitsmaßnahmen und die zeitweilige Schließung des Tempelbergs in der vergangenen Woche zum Großteil friedlich verlief. Auch das gehört zum Gesamtbild.