Migranten aus Libyen: Häfen zu, Kriegsschiffe raus!?

Rettung im Rahmen der Operation Triton. Bild: Irish Defence Forces / CC BY 2.0

Die Lage ist hochbrisant, sagt Kanzlerkandidat Schulz und fordert mehr Entschiedenheit. Das tun auch andere. Der Trend geht zu mehr Härte

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In Deutschland und in Österreich ist Wahlkampf. Der SPD-Kanzler-Kandidat Schulz hat sich nun ein Thema herausgegriffen, von dem er sich offenbar verspricht, dass er damit gegen Merkel punkten kann und den großen Rückstand aufholen kann: die Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien kommen. Die wahlkämpferische Absicht tritt aus einem Satz eines Tagesschau-Berichts: "Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz hat vor einer Wiederholung der Flüchtlingskrise des Jahres 2015 gewarnt." Damit beginnen heute auch die stündlichen Nachrichten im BR.

Die Lage sei "hochbrisant", man müsse sofort handeln. Sein Vorschlag: Auch andere EU-Länder sollten Flüchtlinge, die vom Mittelmeer kommen, aufnehmen und Italien nicht alleine lassen. Dazu brauche es eine "Koalition der Willigen", die dafür aus dem EU-Haushalt Geld bekommen. Und die Länder, die nicht dazu bereit sind?

Hier setzt seine Kritik an der Regierung an, sie trete diesen Ländern gegenüber nicht mit der Entschiedenheit auf, die nötig wäre. Ob Schulz mit einem entschiedeneren Vorgehen meint, dass man den Unwilligen im Gegenzug Mittel aus dem EU-Haushalt kürzen will, geht aus seinen aktuellen Äußerungen nicht deutlich hervor, wird aber angedeutet:

Wir zahlen als Deutsche kräftig in einen EU-Haushalt ein, von dem Länder profitieren, die umgekehrt keinen einzigen Flüchtling aufnehmen. Ich finde, damit muss es ein Ende haben.

Martin Schulz

Kurz: Die Insel-Lösung

Einen spektakuläreren Lösungsvorschlag zu den Flüchtlingen und Migranten aus Libyen machte der österreichische Außenminister Kurz, der ebenfalls im Wahlkampfmodus ist. Er hatte seinen italienischen Amtskollegen Angelino Alfano in der vergangenen Woche dazu "aufgefordert", wie die Zeitung Der Standard schreibt, den "Fährverkehr für illegale Migranten zwischen den Inseln wie Lampedusa und dem Festland einzustellen". Es ist die nächste Variation der "Insel-Idee", die Kurz schon länger verficht.

Die Migranten sollen auf keinen Fall an europäischen Küsten anlanden, sondern auf einer Insel festgehalten werden. Australien, das das Vorbild der meisten "Stopp Refugees"-Modelle abgibt, hat damit aus Sicht der Menschenrechte allerdings keine nachahmenswerten Erfahrungen gemacht. Nicht nur der Bürgermeister der 20 Quadratkilometer umfassenden Insel Lampedusa reagierte mit einem Schimpfwort und scharf ablehnend auf den Kurz-Vorschlag ("Neo-Nazi"), auch der stellvertretende italienische Außenminister mochte sich für Kurz' Idee nicht begeistern: "Italien wird keine KZs aufbauen."

Italien will keine Lektionen

Auch sein Chef im Außenamt, Alfano, fand die Idee "nicht wirklich gut". Premierminister Paolo Gentiloni mag generell keine unverlangt eingereichten Stopp-Vorschläge, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtet. Man wolle Solidarität, keine Lektionen oder Drohungen, reagierte Gentiloni auf einen Vorschlag der Visegrad-Staaten. Viktor Orbán machte am Freitag bekannt, dass Ungarn, die Tschechische Republik, die Slowakei und Polen einen Brief an Gentiloni geschrieben hätten, in dem sie die italienische Regierung aufforderten, seine Häfen für Asylsuchenden zu schließen.

Das Problem müsse in Libyen gelöst werden, wird Orbán von der Nachrichtenagentur zitiert, die Flüchtlinge müssten von den "Wirtschaftsmigranten" unterschieden werden, bevor sie nach Europa kommen. Erwähnt wird auch, dass Orbán eine militärische Option nicht ausschließe.

Kriegsschiffe nach Libyen schicken

Wie Orbáns militärische Lösung aussehen soll, wird nicht erläutert. In der Zeit überraschte vergangene Woche dafür ein Kommentar von Ulrich Ladurner mit einer für diese Publikation ungewohnten Überschrift zur Lösung des Problems mit den Migranten aus Libyen: Schickt Kriegsschiffe!.

Auch der mit Krisen- und Kriegsberichterstattung vertraute Ladurner fordert ein entschlosseneres Vorgehen. Er plädiert für "kluges und hartes" Vorgehen. Sein Ansatzpunkt: Frankreich, Großbritannien und Italien kennen die Milizen, die beim Menschenschmuggel eine wichtige Rolle spielen, deshalb könnten sie auch hart und zielgerichtet gegen die libyschen Kriminellen vorgehen, die die EU "seit Jahren erpressen und prächtige Geschäfte" machen.

Es geht um Tatsachenfeststellungen. Dazu gehört: Die intervenierenden Mächte hatten damals beste Kontakte zur bewaffneten libyschen Opposition. Der Informationsfluss war hervorragend, die Kooperation blendend. Nur deshalb konnten sie am Ende den bis auf die Zähne bewaffneten Gaddafi stürzen. Mit anderen Worten: Die europäischen Militärs und Geheimdienste kennen jeden Warlord, der in Libyen Macht hat. Und man darf annehmen, dass dieselben Leute, die damals gegen Gaddafi rebellierten, sowie jene, die für ihn kämpfen, heute am Menschenschmuggel-Business beteiligt sind - jedenfalls ein großer Teil von ihnen.

Ulrich Ladurner