Ende von Rot-Grün in Niedersachsen: Grünen-Abgeordnete tritt zur CDU über

Twesten bei der Pressekonferenz. Bild: Screenshot aus YouTube-Video von Phoenix

Maßgeblich waren wohl persönliche Karriereinteressen und Machtkalküle der CDU, womit die Politikerin nicht nur ihrer Partei und der SPD, sondern auch ihrer Kaste weiteren Schaden zugefügt hat

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Nein, eine Verräterin sei sie nicht, sagte Elke Twesten, bislang Abgeordnete der Grünen im niedersächsischen Landtag. Sie hat kurz vor den Bundestagswahlen erklärt, aus der Fraktion der Grünen auszutreten und zur CDU zu wechseln. Das wäre nicht so dramatisch, wenn damit nicht die Mehrheit der rot-grünen Regierung mit gerade einmal einer Ein-Stimmen-Mehrheit beendet würde. Jetzt hat die CDU eine Mehrheit mit 69 Stimmen, während Rot-Grün nur 68 Stimmen aufweisen kann.

In ihrer kurzen Erklärung merkte sie, provokativ neben Björn Thümler, dem CDU-Fraktionsvorsitzende von Niedersachsen stehend, an, dass sie ihre "politische Zukunft" in der CDU sieht. "Notwendig" sei ihr Aus- und Übertritt geworden, weil die Grünen sie nicht mehr als Direktkandidatin ihres Wahlkreises aufgestellt wurde, sie also ihren Listenplatz verliert. Inhaltlich war von der grünen Politikerin nichts zu hören, abgesehen davon, dass sie schon lange über die Partei der Grünen "verärgert" sei, es geht ihr wohl vornehmlich um die Sicherung ihrer Karriere als Berufspolitikerin und um die Einkommensgarantie, denn mit dem Übertritt fließen erst einmal die Abgeordneteneinkünfte weiter.

Welche Zusagen die CDU Twesten für den überraschenden Schritt gegeben haben, der nun die Regierungsfähigkeit der rot-grünen Koalition in Niedersachsen in Frage stellt, ist nicht bekannt. Die CDU jedenfalls kündigte an, über ihr Vorgehen am Dienstag zu entscheiden, und stellte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vor die Frage, ob dieser nun ohne Mehrheit weiterregieren wolle oder könne. Aufgebracht wurden Neuwahlen. Weil griff dies schnell auf und forderte in einer Flucht nach vorne, dass der Landtag sich schnell auflöst, um Neuwahlen zu ermöglichen: "Ich stelle mich jederzeit sehr gerne dem Wählerwillen. Aber ich werde einer Intrige nicht weichen." Eine Neuwahl könnte frühestens parallel zur Bundestagswahl am 24. September stattfinden. Weil hat gute Chancen, er ist weiterhin beliebt im Land.

Mit ihrem Schritt hat Twesten, die schon länger mit einer Annäherung der Grünen an die CDU warb, auch die Grünen und die SPD im Bundestagswahlkampf einen herben Schlag versetzt. Sie zeigt damit, dass eine Hinterbänklerin in einem Landesparlament durchaus bundespolitische Erschütterungen auslösen kann. Jetzt ist das Ende der letzten rot-grüne Landesregierung besiegelt

Die Grünen haben Twesten zu einer Rückgabe ihres Mandats aufgefordert. Das ist durchaus verständlich, offenbar war der Schritt nicht angekündigt worden. Tatsächlich wäre politisch ein Rücktritt aus dem Mandat besser begründbar, als schlicht der Wechsel zu einer anderen Partei, die, wie man vermuten muss, der Politikerin ein für sie persönlich attraktives Angebot gemacht hat, nachdem ihre Position bei den Grünen unsicher geworden war. Einen Listenplatz wird sie bei der CDU nicht erhalten, die sind bereits vergeben. Es wird interessant bleiben, wo sie landet, denn ihr Mandat endet erst einmal mit den nächsten Wahlen. Der CDU dürfte die Überläuferin nur vorübergehend nutzen, aber durch ihre egoistische Haltung eher auch schaden.

Natürlich ist Twesten unbenommen, sich für eine andere Partei entscheiden zu können, sie hat auch damit eigentlich die Freiheit der gewählten Abgeordneten reklamiert, die als gewählte Volksvertreter nur ihrem eigenen Gewissen gegenüber verantwortlich sind, aber nicht dem Diktat der Partei oder der Fraktion. Gleichwohl ist der durchsichtig aus persönlichen Motiven vollzogene Wechsel in eine andere Fraktion eine Bestätigung des Misstrauens gegenüber Politikern, die vor allem ihre eigenen Interessen im Blick haben. Das trifft in diesem Fall die Grünen besonders, aber auch alle anderen Politiker und das Parteiensystem, schließlich freut sich die CDU auch nur aus machtstrategischen Gründen über den Wechsel der sich als Frauenpolitikern ausgebenden Ex-Grünen, die mit ihrem Wieselverhalten auch noch den Frauen schaden könnte.