Vom asymmetrischen Krieg zurück zur konventionellen Kriegsführung

US-Brigade bei Saber Guardian Anfang Juli. Bild: Eucom.mil

Die Verschärfung des Konflikts zwischen der Nato und Russland wiederbelebt militärstrategisch und waffentechnisch den Kalten Krieg und damit den Boom der Rüstungsindustrie

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Schon länger ist wieder ein Wettrüsten, auch ein nukleares, eingetreten. Aber im Unterschied zum Kalten Krieg werden die Konflikte nicht mehr im Wesentlichen von zwei Blöcken, geführt von den Weltmächten Sowjetunion und USA, bestimmt, die Welt ist multipolarer geworden. Zwar wird die derzeit herrschenden Situation wieder durch die Konkurrenz zwischen Russland und den USA dominiert, aber dazu kommt längst auch China, das sich zwar gegen die USA mit Russland verbündet hat, aber keineswegs einen Block bildet. Dazu kommen weitere Staaten, die wie Israel, Pakistan und Indien über Atomwaffen verfügen, während Nordkorea allen Staaten bislang demonstriert, dass man mit dem Besitz von Atomwaffen zumindest für lange Zeit unangreifbar wird.

Nachdem seit 2014 der Konflikt mit Russland nach der Annexion der Krim nicht angefangen, sondern sich nur weiter aufgeschaukelt hat, kommen nach den asymmetrischen Kriegen gegen islamistische Aufständische in Afghanistan und im Irak sowie in anderen Ländern Szenarien einer Kriegsführung zwischen mit schweren Waffen bis Atombomben hochgerüsteten Staaten wieder auf. Man muss annehmen, dass sich hier die Kommandanten auf beiden Seiten wohler fühlen, die ihren Militärjob während des Kalten Kriegs gelernt haben.

Während es beim Antiterrorkrieg immer eine praktisch totale Luftdominanz gab und der auch zahlenmäßig unterlegene Gegner zwar teilweise über erbeutete schwere Waffen wie Artillerie oder Panzer verfügte, aber nicht über eine weitreichende und effektive Luftabwehr, haben sich an der Grenze zwischen den östlichen Nato-Staaten Soldaten und schweres Gerät auf dem Boden mitsamt Raketen- und Luftabwehrsystemen und Kampflugzeugen und Raketen massiert. In asymmetrischen Kriegen können die Aufständischen relativ leicht, wenn auch mit hohen Risiken für die Bevölkerung besiegt werden, wenn sie Territorien und Städte eingenommen haben und diese zu verteidigen suchen.

Greifen sie auf Guerillataktiken, Terroranschläge und Überfälle zurück, wie das etwa nach dem Zurückdrängen des Islamischen Staats wieder vermehrt geschehen dürfte, wird die Kriegsführung sehr viel schwerer, zumal wenn die Aufständischen Rückhalt in Teilen der lokalen Bevölkerung haben. Geht es in den asymmetrischen Kriegen eher um Einsätze von verdeckten, schnell operierenden kleineren Einheiten, sind in konventionellen Kriegen große Mengen an Soldaten und Gerät im Spiel. Zudem weicht der propagierte "Präzisionskrieg" wieder der Dimension der Massenvernichtung.

Im Osten Europa stehen sich an der russischen Grenze - an der sogenannten "Ostflanke der Nato" - offen operierende, hochgerüstete Staatsarmeen gegenüber, vor allem an der so genannten Suwalki-Lücke zwischen Kaliningrad und Weißrussland. Damit sind ist die 100 km lange polnisch-litauische Grenze gemeint, die die Fulda-Lücke des Kalten Kriegs ersetzt (Von der Fulda-Lücke des Kalten Kriegs zur Suwalki-Lücke der Nato).

Nato-Strategen warnen, dass im Falle eines Konflikts Russland hier versuchen könne, die baltischen Staaten auf dem Landweg von den anderen Nato-Staaten zu isolieren, um sie dann einzunehmen. Aus der Sicht Russlands ist freilich die Enklave Kaliningrad, die von der Nato eingeschlossen ist und nur über die Luft und das Meer erreicht werden kann, gefährdet. Entsprechend werden hier von beiden Seiten Militärübungen abgehalten, die angeblich die Verteidigung trainieren, womöglich aber auch Angriffe (Nato-Truppen übten die Verteidigung der "Suwalki-Lücke", Wer hat Angst vor dem russischen Manöver Zapad 2017?).

Zurück zu konventionellen Kriegsszenarien an der "Ostflanke" der Nato

Die New York Times (NYT) verweist in einem Artikel, nach dem "die US-Truppen in Osteuropa die Echos des Kalten Kriegs trainieren", auf die Übung Saber Guardian, an der 25.000 Soldaten der Nato auch weiter entfernt von der Suwalki-Lücke in Bulgarien, Rumänien und Ungarn vor kurzem wieder Taktiken und Strategien aus dem Kalten Krieg wiederbelebten. Weil nur ein Bruchteil der US-Soldaten jetzt in Europa stationiert sei, geht es vor allem darum, schnell zu sein und Truppen möglichst umgehend verlegen zu können und kampfbereit zu halten.

Es werden nicht nur Panzer und andere Fahrzeuge, die nicht mehr in Wüsten, sondern in Europa eingesetzt werden, zur Tarnung neu bemalt, sondern es muss aus militärischer Sicht für Bedingungen trainiert werden, in denen der Gegner alle Truppenbewegungen durch Satelliten, Überwachungsflugzeuge und Drohnen beobachten und mit Flugzeugen, Drohnen und Raketen sowie Panzern und Artillerie angreifen kann, um den Vormarsch zu unterbinden oder den Nachschub zu verhindern.

Die NYT nimmt bei der Schilderung konsequent die amerikanische oder die Nato-Sicht ein und scheint die Öffentlichkeit damit auch auf einen militärischen Konflikt mit Russland vorbereiten zu wollen. Russland würde Truppen zu Übungen an die Westgrenze schicken und in Syrien und der Ostukraine stationieren, schreibt die Zeitung. Russland rüste sein nukleares Arsenal auf und richte sich für einen Cyberwar ein. Die Nato reagiert nach dieser Darstellung nur, wenn sie Militärübungen in den östlichen Nato-Ländern durchführt oder rotierend Truppen dort stationiert. Auch bei den Überwachungsdrohnen hätten die Russen aufgeholt, ebenso bei der Infantrie, Panzern und Artillerie. Da ist nur gut, dass in den USA mit Präsident Trump zwar angeblich ein Putin-Freund am Ruder ist, der aber massiv in den Ausbau des Militärs investieren will.

Die These der NYT ist, dass die Waffen und Strategien des Kalten Kriegs wiederkehren, gleichzeitig will man wie die Nato darauf hinweisen, dass die Situation durch die angeblich von Russland eingebrachte hybride Kriegsführung verkompliziert würde, als hätten Propaganda, strategische Kommunikation oder PsyOPs früher keine Rolle gespielt und wäre die hybride Kriegsführung der USA ganz fern. Jetzt würden die amerikanischen Strategen und Geheimdienstler genau die russischen Operationen beobachten, um wie im Kalten Krieg neue Taktiken und Waffen frühzeitig zu entdecken. Die militärischen Übungsplätze in den USA und in Deutschland würden versuchen, die russischen Streitkräfte zur Ausbildung zu simulieren, wobei man den gegnerischen Armeen aber fiktive Namen gebe, um den Konflikt nicht zu eskalieren, als ob die Übungen nicht gleichzeitig dazu gedacht wären, den Gegner abzuschrecken.