Deutschland: Ein Ausrutscher in der Exportbilanz

Hamburger Hafen (2004). Foto: Slader / CC BY-SA 3.0

Frankreich: Weiter Handelsdefizit und Warten auf den Aufschwung. Die Kritik an Merkels Wirtschaftspolitik wird vernehmbarer

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In der deutschen Bilanz sind die Exporte im Monatsvergleich gefallen; saisonbereinigt nahmen sie im Juni um 2,8 Prozent im Vergleich zum Mai ab, meldet das statistische Bundesamt am heutigen Dienstag. Der Einbruch bei der Exportmacht wurde sofort kommentiert: "deutlicher Dämpfer" (Spiegel), "Exportüberschuss wird kleiner, der Leistungsbilanzüberschuss sinkt" (Handelsblatt), "stärkster Export-Rückgang seit zwei Jahren" (FAZ).

Auch wenn Experten beruhigen, eine gewisse Beunruhigung ist in den Reaktionen nicht zu übersehen. Am deutlichsten zeigt sich die ambivalente Mischung aus leichtem Alarmiertsein darüber, dass der Rausch der Exporterfolge zu Ende gehen könnte, und dem Willen zur Nüchternheit in den beiden Überschriften zum n-tv-Bericht: "Das ist ein Ausrutscher" und in dickerer Schrift: "Deutsche Exporte sinken unerwartet stark."

Außenhandelsüberschuss weiter groß, Stimmung prächtig

Fünfmal in Folge seien die deutschen Exporte gestiegen und nun gebe es einen Rückgang, hebt der Artikel an. Experten würde das aber gelassen sehen, schließlich sei die Stimmung prächtig. So kommentiert man aus dem Land der Erfolgsverwöhnten. Der Außenhandelsüberschuss bleibt beeindruckend: Im Juni 2017 wird der Überschuss mit 22,3 Milliarden Euro angegeben.

Für das bisherige Jahr liegt er laut Statistischem Bundesamt bei 122,5 Milliarden. Für das vergangene Jahr wurden sowohl für Juni wie auch fürs erste Halbjahr höhere Werte angegeben: 24,5 Milliarden für Juni 2016 und 129,3 Milliarden für Januar bis Juni 2016. Anlass zum Grübeln?

Frankreich: Exporte gehen wieder zurück, Außenhandelsdefizit wächst

In Frankreich, wo man heute auch neue Wirtschaftszahlen veröffentlicht wurden, sieht die Lage anders aus: Die Staatsausgaben haben sich erhöht. Die Exporte gingen wieder zurück, das Handelsbilanzdefizit wächst, berichtet Le Monde. In der Summe ist es in den letzten zwölf Monaten auf 59,8 Milliarden angewachsen. Im Juni 2016 wurden für den gleichen Zeitraum 50,2 Milliarden notiert.

Im Mai gab es maßgeblich durch den Verkauf des Kreuzfahrtschiffs MSC Meraviglia ein 5%-Hoch beim Export, bilanziert der Figaro, im Juni folgt dann ein Rückgang von 2,8 Prozent. Die Verkäufe der Flugzeug- wie auch der Autoindustrie seien nach positiven Signalen im Vormonat wieder zurückgegangen.

Es sind keine alarmierenden Zahlen und es wird auch kein Alarm geschlagen, spürbar ist ein ungeduldiges Warte darauf, dass die erhoffte wirtschaftliche Erholung endlich stabil einsetzt. Bislang gibt es hoffnungsvolle Zwischenergebnisse wie der genannte Exporterfolg im Mai oder die leichte Besserung auf dem Arbeitsmarkt, der für Juni gemeldet wurde, aber noch kaum Zeichen für eine beständige dauerhafte Erholung.

"Der soziale Dialog"

Für Macron ist das wichtig. Wie sein Vorgänger wird er daran gemessen werden, ob er Arbeitsplätze schaffen kann. Sein Versprechen ist, dass er dies über eine unternehmerfreundliche Politik schafft. Interessant wird sein, ob er seine Reformen des Arbeitsgesetzes und der Sozialversicherung im größtmöglichen Einverständnis mit den "sozialen Partnern" schafft.

Für September sind Demonstrationen gegen sein Reformvorhaben angekündigt. Manche prognostizieren einen "heißen Herbst", andere halten es für möglich, dass Macron in Verhandlungen mit Gewerkschaften Zündstoff rausnehmen kann. Er hat gute Beziehungen.

Wie heute an Artikeln von Le Monde zu sehen war, vermengt sich die Sicht auf die wirtschaftliche Situation in Frankreich mit dem Blick auf Deutschland, dessen Exportwunder zunehmend kritisch unter die Lupe genommen wird.

Deutschland wird Fortune mit seiner Wirtschaftspolitik attestiert - die Hartz-IV-Reformen würden nur als partielle Erklärung taugen, sie seien eben zur rechten Zeit, als die Weltwirtschaft einen Aufschwung erlebte, im Zusammenhang mit Reformen beim Management der Unternehmen und der Auslagerung der Produktion in billigere Länder gekommen. Das sei so nicht nachzumachen.

Als Fazit bleibe, dass die Lohnzurückhaltung bei den deutschen Gewerkschaften eine bedeutende Rolle gespielt habe. Als Lektion sei zu behalten, dass der "soziale Dialog" zentral sei, wird aus einer Studie zitiert.

Macron und die deutsche Exportmacht

Man schielt auf den Wirtschaftserfolg in Deutschland und reibt sich zugleich daran - was kein Wunder ist, da Deutschland mit seiner Lohnpolitik der französischen Produktion zu schaffen machte, was in öffentlichen politischen Auseinandersetzungen nicht zum heißen Thema wurde. Absehbar ist aber, dass Macron der deutschen Exportmacht nicht unbedingt brav zuschauen wird. Gegenüber Merkel hat er bereits seine Erwartungen geäußert, dass Deutschland mehr Mittel für Investitionen bereits stellen müsse.

Wird sich der französische Aufschwung weiter Zeit lassen und Deutschland weiter nur wirtschaftliche Sorgen auf dem Luxusniveau haben, so könnte es gut möglich sein, dass sich zwischen die beiden engen EU-Partnern mehr und mehr der Konkurrenzgedanke zwängt.