Energetische Sanierung zunehmend in der Kritik

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Eine empirische Kurzstudie des Berliner Mietervereins bestätigt Sorgen von Mietern

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"Wacht auf Verdämmte dieser Erde", lautete die Parole einer Protestaktion von Mieterinitiativen und der Politsatiregruppe Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen vor einigen Monaten. Damals wurde in einer größeren Öffentlichkeit wahrgenommen, dass immer mehr Mieter in der "energetischen Sanierung" in erster Linie ein Instrument der Hauseigentümer sehen, die Miete zu erhöhen und Mieter zu vertreiben. Nun haben sie die Bestätigung durch eine Studie des Berliner Mietervereins erhalten.

Anhand von knapp 200 Modernisierungsankündigungen hat der Berliner Mieterverein in den Zeiträumen 2012 bis 2013 und 2015 bis 2016 die aufgewendeten Baukosten nach Art der Maßnahme sowie die Mietentwicklung nach der Modernisierung untersucht. Der durchschnittliche Mietenanstieg um 2,44 €/qm bzw. 186,37 € absolut im Monat bedeutet - gemessen an der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete im Mietspiegel 2015 - einen Anstieg von fast 42 %.

Die Nettokaltmiete steigt im Schnitt nach den Ergebnissen der Kurzstudie von 4,73 €/qm im Monat auf 7,14 €/qm im Monat. "Die Modernisierung ist aus dem Ruder gelaufen", kritisiert der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins Reiner Wild.

Energetische Sanierung gut für die Eigentümer - nicht für die Umwelt

Die Studie bestätigt, was viele Mieter nicht nur in Berlin seit Jahren beklagen. Die energetische Sanierung ist das Einfallstor für Mieterhöhungen und für die "Schleifung des Mietrechts". Doch die Studie gibt den Kritikern noch in einem weiteren Punkt Recht.

In den untersuchten Fällen haben sich trotz energetischer Maßnahmen im Jahr nach der Modernisierung die Heizkosten nicht verringert. Die Vermieter verlangen weiterhin die alten Vorauszahlungen, offenkundig weil sie der vermuteten Energieeinsparung und damit auch der Heizkostenersparnis nicht trauen. Nur bei einer sehr kleinen Fallzahl konnte anhand von Heizkostenabrechnungen vor und nach der Modernisierung die tatsächliche Reduktion des Energieverbrauchs ermittelt werden.

Für Kurt Jotter vom Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen sind die Befunde der Studie nicht überraschend. Er hat seit Jahren seine oft satirische Kritik an der energetischen Sanierung geäußert, die durchaus nicht immer auf Zustimmung stieß. Schließlich wird eine Maßnahme, die vorgeblich im Namen der Umwelt geschieht, gerne von Umweltverbänden und den Grünen verteidigt - auch wenn sie letztlich der Umwelt gar nicht nützt. So wirbt der BUND noch immer mit dem Slogan "Je besser die Dämmung, desto besser der Klimaschutz".

Die Mieter sollen die Energiewende bezahlen

"!ch habe ja diesen ganzen neoliberalen Irrsinn mit der energetischen Sanierung schon bei seiner Entstehung miterlebt - als ich zwischenzeitlich für die Energiewende und Solar in Brandenburg Freiflächen akquiriert habe", begründet Jotter gegenüber Telepolis seine besondere Sensibilität diesem Thema gegenüber. Das Duo Merkel/Rösler habe Agrarflächen für Solar gesperrt, die Förderungen radikal gekürzt und schließlich fast die gesamte Solarindustrie zerschlagen, moniert Jotter, der damals erarbeitete Provisionen in beträchtlicher Höhe verloren hat.

"Die 'Volksenergie' Solar war den vier herrschenden Energie-Konzernen ein Dorn im Auge - ebenso wie ihrem neoliberalen Regierungs-Duo", ist Jotter heute überzeugt und sieht einen Zusammenhang zu den nun in der Kritik stehenden energetischen Sanierung: "Als die Verdrängung von Solar aus dem Erneuerbaren Energie-Mix offensichtlich war, fragten Journalisten sichtlich erregt auf der Bundespressekonferenz Merkel und Rösler: Wie bitte sollt denn nun ohne Solar die Energiewende noch gelingen? Die beiden wie aus der Pistole geschossen: Das kompensieren wir mit energetischer Sanierung und dämmen in ganz Deutschland die Wände. Die Gesetze wurden dann so umgestaltet, dass dies letztlich nicht die Hausbesitzer traf, sondern nur die Mieter, die - durch diese Zwangsgesetzgebung völlig entrechtet - ganz allein die Zeche zahlen müssen. Es wurde auch noch ausgebaut zum Vielfach-Renditebringer und zur Melkkuh für die internationalen Investoren."

Dabei sind die Mieter nach einer Kasseler Untersuchung deutschlandweit nur zu 7% an dem Co2-Ausstoß beteiligt! Wann kommen solche "Zwangsgesetze" für die restlichen 93 % der Umweltverschmutzer? Das fragen sich auch immer mehr Mieter und auch bei Gericht gibt es erste Erfolge.