Flüchtlinge: Spanien schließt erstmals Grenzübergang zu Ceuta

(Bild: Migranten erreichen einen spanischen Badestrand, Screenshot eines YouTube-Videos. Das private Video kursiert auch auf unzähligen Twitter-Seiten )

Starker Migrationsdruck? Das Land hat ein Ablenkungsmanöver gestartet, weil es seinen Verpflichtungen im Rahmen der Flüchtlingsumverteilung nicht nachkommt

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Erstmals in der Geschichte hat Spanien den Grenzposten zwischen der Exklave Ceuta und Marokko am Mittwoch wegen eines angeblichen "starken Migrationsdrucks" geschlossen. Die Schließung soll eine Woche dauern, um "Sicherheitsmängel" zu beheben. Zuvor war es 187 Flüchtlingen gelungen, den Grenzposten El Tarajal rennend zu überqueren.

Nach dieser erfolgreichen Aktion hatten es immer wieder Gruppen auf die gleiche Weise versucht, über die Grenze zu kommen, die Europa von Afrika trennt. Durch die Schließung würden die Sicherheitskräfte nun nicht mehr aufgeteilt, welche den Grenzposten und den etwa acht Kilometer langen Zaun bewachen, erklärte die Regierung zu der Maßnahme.

Da nun niemand mehr zu Fuß die Grenze überschreiten darf, wurden marokkanischen Trägerinnen wahrlich auf dem falschen Fuß erwischt. Besser gesagt sitzen 300 Frauen, die üblicherweise riesige Warenbündel über die Grenze tragen, nun für eine Woche auf der falschen Seite der Grenze fest. Sie wurden kalt von der Entscheidung in Madrid erwischt und können nun nicht zurück nach Marokko.

Ohne Unterkunft, Essen und Trinken suchen sie Schatten. Eine humanitäre Lösung, die Frauen über die Grenze zu lassen, schwebt den spanischen Behörden offensichtlich nicht vor. Sie werden immer wieder zurückgewiesen.

Invasion?

Auch nach der Grenzschließung haben es Flüchtlinge auch wieder auf die "traditionelle" Art versucht, in die von Marokko umgebene Exklave zu kommen. Hunderte Menschen versuchten dabei auch wieder über die drei gefährlichen hohen Zäune zu klettern, die mit messerscharfem Klingendraht bewehrt sind. Andere Gruppen versuchen auch erneut, über den geschlossenen Grenzposten zu kommen, wurden dabei nun aber schon im Vorfeld von der marokkanischen Gendarmerie abgehalten.

Die spanischen Polizeigewerkschaft CEP beklagt, dass Personal und Material fehle, während der "Andrang wird immer größer" werde. Das sagte der CEP-Sprecher in Ceuta, Juan Carlos Linares. Er ist nicht der Polizeisprecher in Ceuta und er sprach auch nicht von einer "Invasion", wie die Zeitung Die Welt behauptet hat.

Der deutsche Zeitungsbericht benennt nicht, wann, wo und gegenüber wem der lokale Gewerkschaftssprecher das gesagt haben soll. Vermutlich wurde aus der englischen Version von El Pais abgeschrieben, ohne die Quelle zu nennen, denn dort wird er nicht als Gewerkschafter benannt.

Doch auch dort spricht er nicht von einer "Invasion", sondern beklagt, dass mit der Austeritätspolitik in Spanien einhergeht, dass weiter viele Stellen nicht besetzt werden sind. "Wir kalkulieren, dass uns 20% der Belegschaft fehlt", erklärt der Nationalpolizist. Ein Gewerkschaftskollege weist zudem darauf hin, dass die Einrichtungen an der Grenze "alt und obsolet" seien.

Marokko: "Ein sehr kostspieliges Problem"

Kenner der Lage fragen sich, warum es überhaupt zu diesen Vorgängen kommt. Klar ist, dass die Migration immer wieder als Druckmittel benutzt wird, nicht nur von der Türkei und Erdogan. So lässt Marokko bisweilen die in den Bergen um Melilla und Ceuta hausenden Flüchtlinge bis zur Grenze durch, um politischen Druck zu machen und Forderungen durchzusetzen. Denn üblicherweise lassen die Sicherheitskräfte in Marokko das gar nicht zu. Ohne deren Duldung können sich Flüchtlinge nur sehr schwierig sammeln, um über die Grenze zu rennen oder auf die Zäune zu steigen.

Das genau passierte zuletzt verstärkt im Frühjahr, als es auch größeren Gruppen wieder gelang, die Grenzzäune zu überwinden. Es war sehr offensichtlich, dass das autokratische Königreich damals Druck auf Spanien und Europa ausüben wollte. Landwirtschaftsminister Aziz Ajanuch hatte sogar Klartext geredet: "Warum sollen wir damit fortfahren, den Gendarmen zu spielen?"

Er forderte, dass Europa das "sehr kostspielige Problem" anerkennen müsse. Das heißt, Europa soll mehr dafür zahlen, dass Marokko weiter die Drecksarbeit für die EU macht und Ceuta und Melilla abschottet.

Doch Marokko ging es im Februar auch um etwas ganz Konkretes. "Wie wollt ihr, dass wir die Einwanderung blockieren, wenn ihr nicht mit uns zusammenarbeiten wollt?", fragte der Landwirtschaftsminister weiter. Er und spielte darauf an, dass ein Urteil des Europäische Gerichtshofs die von Marokko völkerrechtswidrig besetzte Westsahara aus einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Marokko ausgeschlossen hatte.

Dort regiert Marokko mit harter Hand, verhindert seit vielen Jahren das Referendum über die Unabhängigkeit, schreckt dabei vor harter Repression, Folter und Mord nicht zurück. In Spanien wurden hochrangige Regierungsmitglieder sogar schon wegen Völkermord angeklagt.

Zwischen Badegästen ein Schlauchboot aus Marokko am Strand bei Cadiz

Dass es nun sogar wieder Bilder gibt, dass mitten im Urlaubssommer sogar ein Schlauchboot aus Marokko am helllichten Tag zwischen Badegästen am Strand bei Cadiz angelandet, ist sicher auch kein Zufall.

Man darf davon ausgehen, dass derzeit nicht nur die Gendarmerie auf der anderen Seite von der Meerenge von Gibraltar genauso die Augen zugedrückt hat, wie die Guardia Civil, die diesen Punkt seit langem mit allen technischen Mitteln überwacht. Mit den Bildern von Stränden und aus Ceuta soll eine angeblich "besorgniserregende" Situation simuliert werden, von der wahrlich nicht gesprochen werden kann.

Das war nicht einmal der Fall, als vor zehn Jahren sogar 31.000 Menschen auf Booten vor allem die Kanarischen Inseln erreicht hatten, während es schon damals im Atlantik zum Massensterben kam. Dieses Jahr sind bisher nicht einmal 10.000 ins Land gekommen, womit Spanien im Durchschnitt der vergangenen Jahre liegt. Von einem starken Migrationsdruck kann nicht gesprochen werden.

Flüchtlingsumverteilung: Spanien hält sich zurück

Es geht um etwas anderes. Denn Spanien hatte sich nämlich im Rahmen der Umverteilung von Flüchtlingen bis September zur Aufnahme von gut 17.000 Menschen zur Entlastung von Italien und Griechenland verpflichtet. Die zweijährige Frist ist nun fast abgelaufen, doch bisher wurden nicht einmal 1.100 aufgenommen, also nur etwa 6,5 Prozent der versprochenen Zahl. Von den angekündigten "außerordentlichen Anstrengungen" ist nichts zu sehen.

Dabei warten Städte seit Jahren darauf, die vorgehaltenen Plätze zu belegen. Sie fordern von den Konservativen in Madrid, sich konkret solidarisch mit den Flüchtlingen und den EU-Mitgliedern zu zeigen, die einem realen Migrationsdruck ausgesetzt sind. In Barcelona demonstrierten eine halbe Million Katalanen unter dem Motto: "Keine Ausreden mehr, Aufnahme jetzt."

Ausreden gesucht

So bastelt man in Madrid mit den Bildern aus Ceuta und aus Cadiz am Playa de los Alemanes (Strand der Deutschen) vor allem an einer Ausrede, um sich ganz spanisch aus der Affäre zu ziehen. Hatte der rechte Innenminister Juan Ignacio Zoido noch im Juli behauptet, Italien sei wegen "Problemen" für die fehlende Umverteilung verantwortlich, betont man zudem immer, schon viele Menschen aus Afrika und Südamerika aufgenommen zu haben, um der versprochenen Umverteilung zu entgehen.

Spanien behauptet schon, dass die EU eine deutliche Verringerung der Quote auf etwa 7000 genehmigen wird. Faktisch geht man in Madrid ganz ähnlich wie Ungarn, Polen und Tschechien vor, die ebenfalls kaum Flüchtlinge übernommen haben.

Doch gegen die drei Länder hat EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Man darf gespannt sein, ob das auch gegen Spanien eingeleitet wird, das ohnehin das Vorbild für Ungarn im Umgang mit den Flüchtlingen ist, wie Orban längst eingeräumt hat.