Charlottesville: Junge Männer auf Kollisionskurs

Bild: Oren Segal/ADL

Ein 20-Jähriger, beeinflusst von Rechtsextremisten, will töten - und gleicht Amokläufern und islamistischen "homegrown" Attentätern

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Es gibt die Geschichten von den Amokläufern, die ähnlich wie die "homegrown" Terroristen meist ein unauffälliges Leben führten, bis sie plötzlich ausbrechen, um mit einer Gewalttat, oft auch mit dem Einsatz des eigenen Lebens, eine Tat, oft ein Finale, zu inszenieren. Der 20jährige Täter jagte während einer Aktion von Rechtsextremen und Faschisten in Charlottesville offenbar mit mörderischer Absicht wie islamistische junge Männer sein Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit in eine enge Straße hinunter. Die Rechten verfolgte das hehre Ziel, gegen die Entfernung einer Statue des Konföderationsgenerals Robert E. Lee zu protestieren, der für die Südstaaten im Bürgerkrieg für die Aufrechterhaltung der Sklaverei gekämpft hatte.

Der junge Mann wollte töten, er benutzte sein Fahrzeug als Mordwerkzeug. Das hat er womöglich von den islamistischen Attentätern gelernt. Es ist vermutlich dem Zufall zu danken, dass Alex Fields Anschlag auf die Anti-Nazi-Demonstranten nur wenige Opfer forderte. In der Straße prallte er auf einen Sedan auf, der wiederum einen Minivan in Fußgänger hineinschob und dabei eine junge Frau tötete und mehrere Menschen verletzte. Wären die Fahrzeuge nicht vor ihm gewesen, hätte er womöglich ein Massaker angerichtet. Er fuhr schließlich rückwärts zurück, konnte aber schnell festgenommen werden.

In Charlottesville kulminierte erstmals die Gewalt zwischen den Blöcken der Rechtsextremen und deren Gegner. Symptomatisch schaute die Polizei, man fühlt sich an Hamburg erinnert, erst einmal zu. Das hatte vermutlich auch mit der Haltung von Donald Trump zu tun, der zunächst die Rechtsextremen und Rassisten, die sich auf ihn berufen, nicht direkt verurteilte. Später hieß es aus dem Weißen Haus, dass die Verurteilung von Gewalt auch die "weißen Suprematisten, KKK, Neonazis und alle extremistischen Gruppen" einschließe.

Wer nicht durch ein scheinbar politisches oder religiöses Mem infiziert wird, erliegt mitunter der Versuchung, einen Massenmord aus persönlichen Motiven heraus auszuführen, um endlich wahrgenommen zu werden. Man könnte versucht sein, die Verführbarkeit von jungen Männern zur Gewalt darauf zurückzuführen, dass die Zeit der Vorherrschaft des Mannes dem Ende zuläuft und sie mitunter überflüssig werden.

Aggressive Männerkultur als Vorbild

Alex Fields könnte einer der jungen Männer sein, die sich überflüssig vorkommen, an den Rand geschoben, ohne große Zukunftsaussichten. Ein bulliger Mensch nach Fotos zu schließen, der nicht sonderlich intelligent, aber herausfordernd aussieht. Seine Mutter sagte, er habe zu einer Demonstration der Alt-Right-Bewegung fahren wollen. Die stand hinter Trump und hat seinen Wahlsieg gefeiert, Bannon ist gewissermaßen ihr Vertreter im Weißen Haus geworden, allerdings sind er und seine Entourage auch dort weiter ins Abseits geraten. Seine Mutter, eine Alleinerziehende, erklärte, sie habe sich in seine politischen Ansichten nicht einmischen wollen. Er hat sich wie andere Extremisten auch über das Internet und die mit Trump aufkochende Stimmung radikalisiert.

Fields ist auf einem Foto unter Mitgliedern der rechtsextremen und rassistischen Gruppe Vanguard America zu sehen, die aber nun verständlicherweise nichts von ihm wissen will. Auf seiner Facebook-Seite scheint er fasziniert vom deutschen Faschismus und Hitler zu sein. Angeblich wollte er gerne Soldat werden. Bis vor kurzem lebte er bei seiner Mutter, er wuchs ohne Vater auf, der angeblich bei einem Unfall vor seiner Geburt gestorben ist. Das fügt seiner Biographie, über die wenig bekannt ist, noch einen Splitter hinzu. Denn womöglich ist die Attraktivität des Faschismus und des Militärs auch mit dem Fehlen des Vaters und der daraus entspringenden Anziehung für männliche Organisationen verbunden - gerade weil er, so seine Mutter, ein sehr ruhiges Kind gewesen ist. Er war auch kurze Zeit bei der Army, nach vier Monaten verließ er diese aber 2015 wieder. Dort womöglich nicht angekommen zu sein, könnte seine rechtsextreme Radikalisierung verstärkt haben.

Aber ebenso wenig wie bei Amokläufern oder Islamisten wird man bei dem jungen Rechtsextremisten aus der Biographie den Grund entnehmen können, warum er Menschen töten wollte. Es kommen vermutlich viele Faktoren zusammen, wohl aber vor allem die Vermutung, dass dem Entwurzelten oder Wurzellosen radikale Gruppen, die mit einem gesellschaftlichen Konsens brechen, eine Heimat geboten haben. Das würde heißen, die Gesellschaften haben auch jenseits bestimmter Ideologien wie dem IS oder Alt Right damit zu tun, dass junge Männer, die Probleme mit der Integration in diese Gesellschaft haben, ausrasten, man könnte auch sagen: ein Abenteuer oder den Sinn des Lebens suchen.