Die Öffentlich-Rechtlichen, die Leitmedien - und die SPD

Grafik: TP

Wie ich lernte, die Fake News zu lieben

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Wir sind doch die Guten? Wir sind die Guten!

In der Comicverfilmung "Ant-Man" fragt einer derjenigen, die einbrechen, um einem Schurken einen Anzug zu stehlen, der ihn mikroskopisch klein werden lassen kann: "Sind wir die Guten?" Und natürlich lautet die Antwort: "Wir sind die Guten." Auf der einen Seite die wohlmeinenden Einbrecher, auf der anderen eben die Bösen mit der Gier nach Geld und Macht.

Eine ähnlich einfache Sicht findet sich während der Debatte um das Aufregerdreamteam "Hate Speech" und "Fake News" wieder: Auf der einen Seite stehen die Schmuddelkinder, allen voran Facebook, begleitet von Twitter und YouTube, eingerahmt von privaten Blogs und ggf. Foren sowie diversen ausländischen Sendern, auf der anderen Seite die Wahrheitsritter in glänzender Rüstung, die großen Medien(häuser) und die öffentlich-rechtlichen Medien. Deren Schimmer wird höchstens noch von dem der Politik überstrahlt, die dementsprechend auch Bedarf für Desinformationsabwehrzentren bei sich sieht. Die eigene Rolle und die doch recht kreative Verwendung mancher "Information" wird dabei geflissentlich ignoriert.

Wie stark die Ansicht vorherrscht, es gäbe bei den "Leitmedien"1 keinerlei Bedarf für eine ähnlich kritische Sicht auf die Berichterstattung wie bei anderen, zeigte sich bereits, als sich Correctiv.tv bei Facebook als Faktenfinder andiente. Auf die Frage, ob sich denn Correctiv.tv auch mit "etablierten Medien" befassen würde, trat man wie ein Schüler auf, der sich ein Fleißkärtchen verdienen will und vom Blatt abliest:

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Gute Frage. Ich glaube, das muss man sehen, wenn es soweit ist. Grundsätzlich kann alles geprüft werden. Gerade bei den klassischen Pressemedien haben wir aber schon eine ziemlich gut wirkende Selbstkontrolle. Da gibt es den Presserat, in den einzelnen Häusern gibt es Ombudsmänner, Leser-Beiräte und sonstige Sachen. Jeder macht mal einen Fehler. Da würde ich grundsätzlich darauf vertrauen, dass diese erprobten Instrumente der Selbstkontrolle funktionieren. Deswegen kann man sich die Arbeit an dieser Stelle wohl sparen. Wenn da einer großen Mist baut, landet das in der Regel beim Presserat.

Die Aussage wirkte im Zuge der seit Jahren schwelenden Diskussionen rund um die Frage, inwiefern Presse und Politik teilweise stark symbiotisch verbandelt sind (und wie sich dies auf die Berichterstattung auswirkt), also bei der Diskussion rund um die Berichterstattung beim Thema Ukraine, Migrationskrise usw., naiv. Anders als beispielsweise der Journalist und Buchautor Stephan Hebel, der im Interview mit Markus Klöckner auch die Defizite der öffentlich-rechtlichen und der sogenannten Leitmedien thematisierte, gehört Correctiv.tv zu denjenigen, die Hate Speech und Fake News vorrangig bei Facebook und Co. verorten und die "klassischen Pressemedien" als die mit den weißen Hüten ansehen, die den journalistischen Codex und eine möglichst faktenbasierte Berichterstattung gegen die Schwarzhüte der Generation Facebook verteidigen.

Must-be-found-Regelungen

In eine ähnliche "Gut/Schlecht"-Kerbe schlagen auch diverse SPD-Politiker. Beim Bundesjustizminister Heiko Maas, der die Themen Fake News und Hate Speech, seit er sie entdeckt hat, stetig weiter vorantreibt, herrscht beim Thema "Und wie halten Sie es da mit den Leitmedien und den Öffentlich-Rechtlichen?" beredtes Schweigen.

Martin Dörmann, hat sich beim "Medienpolitischen Dialog" im November 2016 bereits klar positioniert und dabei auch auf die Rolle der notwendigen "rechtlichen Rahmenbedingungen" hingewiesen, die die ÖR stärken sollen. Das Wettbewerbsrecht, so Martin Dörmann, könne ggf. auch geändert werden, um Synergien zu ermöglichen. Dem ÖR käme in Zeiten der Unsicherheit eine bedeutende Rolle zu. Die Stoßrichtung ist insofern klar: Der ÖR gilt weiterhin als Hort der sachlichen Information, der sich von allem anderen, was kritisiert wird, abhebt.

Da ist es wenig verwunderlich, dass der netzpolitische Sprecher der SPD, Lars Klingbeil, sich für eine "Must-be-found"-Regelung im Internet ausspricht. Die "Must-be-found"-Regeln ist dabei an sich ein Relikt, sie stammt aus jener Zeit, als technisch nur begrenzt Programme übertragen werden konnten. Zu jener Zeit schien es sinnvoll, darauf zu achten, dass die Information durch die ÖR nicht zu kurz kommt - deshalb wurde eine "Must-carry"-Regel etabliert. In der heutigen Zeit eine solche Regelung auf das Internet anzuwenden, wirkt nicht nur technisch gesehen unnötig, sondern auch wie ein Hofknicks vor dem ÖR. Dies wird auch deutlich, wenn Lars Klingbeil davon spricht, dass gesellschaftlich relevante Themen weiterhin im Netz zu finden sein müssen, als sei dies nur dadurch zu gewährleisten, dass eine "Must-be-found-Regel" Einzug in das Medienrecht hält. Herr Klingbeil bemühte sich zu betonen, dass die Anzeige der öffentlich-rechtlichen Nachrichten natürlich nur ein Beispiel gewesen sei.

All diese Politiker eint, dass sie die ÖR letztendlich nicht kritisch betrachten und ihre Defizite erkennen, sondern sie als strahlendes Beispiel für Berichterstattung und Information betrachten, das sich klar von allem anderen abhebt. Auf der anderen Seite, der mit den Fake News und Hate Speech, steht nach Meinung von Herrn Maas Facebook und Co., das mit immer neuen Regelungen überzogen wird. Neben dem bereits vorhandenen, von der Bertelsmann-Tochter Arvato betriebenen Löschteam wird es jetzt ein zweites geben, das in Essen betrieben werden soll. Als nächstes wird bereits über direkte Auskunftsmöglichkeiten gegenüber den Strafverfolgern diskutiert.

Die Analyse des SPD-Abgeordneten Marco Bülow, die z.B. bei den öffentlich-rechtlichen Talkshows ein "krasses Missverhältnis" bei der Themenauswahl konstatierte, oder die Kritik der Otto-Brenner-Stiftung, die die Politikmagazine für zu unpolitisch hält, finden gerade auch bei Heiko Maas wenig Beachtung. Für die Öffentlich-Rechtlichen selbst wäre eine "Must-be-found"-Regel natürlich angenehm - sie wäre kostenfreie Werbung für ihre Angebote.

Mehr Infos

In Teil 11: Das Doppeleinhorn meint… - die Stunde der Profiteure

Zu Teil 1: Wie ich lernte, die Fake-News zu lieben

Zu Teil 2: Von Angst getrieben

Zu Teil 3: Die Glaubwürdigkeitslüge

Zu Teil 4: Die Wächter der Meinungsfreiheit

Zu Teil 5: Die Angst vor der Bedeutungslosigkeit

Zu Teil 6: Die Macht der Masse

Zu Teil 7: Falsche Freunde und falsche Informationen

Zu Teil 8: Die einfache Entscheidung über Volksverhetzung

Zu Teil 9: Facebooks Sündenfall - oder: selbst ein Bein gestellt